Melzers Schreie drängen Niendorf-Sieg in den Hintergrund

Niendorfer bezwingen Tabellenführer für schwer verletzten Torhüter

22. März 2015, 21:53 Uhr

Ein oft gesehenes Bild in Niendorf: Die Gastgeber vom NTSV und die Pinneberger im Infight. Hier zu sehen: Sepehr Nikroo (v. li.), Tim Vollmer, Fabian Knotterus. Foto: noveski.com

Bei der Niendorfer Siegesfeier unmittelbar nach Abpfiff spielte der Akteur die Hauptrolle, der diese nicht mehr im Kreis der Mannschaft genießen konnte. Per Videobotschaft sorgten seine erfolgreichen Kameraden immerhin für die erste Aufmunterung, nachdem er eine Stunde zuvor eine furchtbare Verletzung erlitten hatte. Nach einem Zusammenprall mit Reibe waren minutenlang seine Schmerzensschreie zu hören, das Ausmaß seiner Knieverletzung ist bisher aber noch unbekannt. Im Anschluss gewann Niendorf trotz 30-minütiger Unterzahl mit 2:0 gegen den VfL Pinneberg.

Von Beginn an prägte die harte Gangart beider Mannschaften die Partie. Nach zehn Minuten war Schiedsrichter Porsch der am häufigsten im Mittelpunkt stehende Akteur. Inständig redete er auf die Spieler ein, um die Gemüter zu beruhigen. So schmolzen die Minuten der ersten Halbzeit dahin, ohne dass groß Zeit blieb, Fußball zu spielen. Ein auf dem widrigen Niendorfer Geläuf ein zugegebenermaßen schwieriges Unterfangen. Für den einzigen spielerischen Höhepunkt in Durchgang eins sorgte Schumann, der einen aus guten 25 Metern ein Geschoss an das Quergebälk zimmerte (35.) Eine weitere Chance bot sich Schuhmacher, dem ein durchgerutschter Ball vor die Füße fiel, der heraus eilende Baese war allerdings mit dem Fuß zur Stelle (38.). Zuvor hatte auf der anderen Seite Richert die einzige Möglichkeit der Gäste vertan, weil er seine Direktabnahme nach Lüneburg-Freistoß nicht ausreichend drücken konnte (33.).

Raues Gebolze statt spielerischer Höhepunkt

Kurz vor der Pause dann die Szene des Spiels: Rechtsverteidiger Benns viel zu kraftloser Rückpass zwang Reno Melzer aus seinem Strafraum. Dieser zog ebenso wenig zurück wie VfL-Stürmer Thorben Reibe. beide schlugen mit den Schienbeinen gegeneinander und blieben angeschlagen liegen. Während sich Reibe nach einigen Minuten aufrappeln und die Partie angeschlagen beenden konnte, waren Melzers durch Mark und Bein gehenden Schmerzensschreie auch noch nicht verklungen, als sich die anderen Spieler bereits in der Kabine befanden. Schiedsrichter Porsch hatte unmittelbar nach dem Zusammenprall zur Halbzeit gepfiffen. Erst als der Krankenwagen das Spielfeld verlassen hatte, konnte die Begegnung mit einiger Verspätung wieder aufgenommen werden.

Von der Verletzung ihres Schlussmanns zeigten sich die Niendorfer allerdings nicht geschockt. Mit Wiederbeginn übernahmen sie die Kontrolle des Spiels. Auch an der Zweikampfhärte änderte sich wenig. Weiterhin wurde die Grenze zwischen umkämpftem Spiel und unfairem Getrete regelmäßig überschritten. Dieser Gangart fiel auch Brameier zum Opfer, der wegen eines Schlags gegen das Knie ausgewechselt werden musste (57.). Ebenfalls frühzeitig vom Platz musste weniger später Schumann. Wegen Meckerns handelte sich Niendorfs Sechser den Gelb-Roten Karton ein (60.). Dabei war sein Unmut mit dem Unparteiischen nicht grundlos: Nach einem Zweikampf waren zwei Spieler am Boden liegen geblieben, Porsch ließ die schnelle Freistoßausführung des VfL, die Marvin Baese in eine aussichtsreiche Situation brachte, dennoch laufen. Dieser scheiterte jedoch an Melzers Ersatz, dem jederzeit sicher wirkenden Hachmann.

Niendorfer Courage wird in der Schlussphase belohnt

Die Unterzahl merkte man den Gastgebern jedoch nicht an. Hinten standen sie weiter sicher gegen einfallslose Pinneberger, vorne kamen sie spät zu ihren Chancen. Erst landete ein abgefälschter Schussversuch von Karow bei Rohweder, Baese war allerdings zur Stelle und begrub den Ball unter sich (80.) Dann war es so weit: Nach einem kurz ausgeführten Freistoß versuchte sich der starke Linksverteidiger Thiemann vom Strafraumeck mit einem Schlenzer. Dieser segelte über Baese hinweg und senkte sich rechts oben ins Niendorfer Glück (82.) - 1:0 in Unterzahl gegen den Meisterschaftskandidaten. Pinneberg warf nun alles nach vorne, konnte aber keine verheißungsvolle Möglichkeit erzwingen. Nicht zuletzt, weil Lüneburg ein ums andere Mal die Freistöße versiebte. Stattdessen boten sich Niendorf nun einige Konterchancen. Erst machte VfL-Verteidiger Zimmermann seinen Ballverlust als letzter Mann gegen Streubier wieder gut (90.), dann war Balde völlig frei auf weiter Flur, scheiterte jedoch am abtauchenden Baese (91.). Dann aber die Entscheidung: Yapici eroberte den Ball, der über Balde zu Karow kam. Der war frei durch und hatte nicht nur Raum, sondern auch Zeit. So viel Zeit sogar, dass er auf den mitgelaufenen Dario Streubier warten konnte. Dieser hatte keine Mühe mehr, den Sieg unter Dach und Fach zu bringen (93.).

Ein bitterer Rückschlag im Titelrennen der Pinneberger, die ihre Tabellenführung an TuS Dassendorf abgeben mussten. Der sichtlich unzufriedene Michael Fischer ließ seinem Frust nach dem Spiel freien Lauf: „Wir hatten heute Einwechselspieler dabei, die keinen einzigen Zweikampf gewonnen haben und Fünf-Meter-Pässe ins Aus spielen.“ Auch die Begleitumstände des Spiels waren ihm ein Dorn im Auge: „Es kann nicht sein, dass wir hier ankommen und nicht in die Kabine können zur Besprechung, weil hier noch so viele andere Mannschaften spielen. Klar haben die auch ihr Recht, aber dann muss man es anders organisieren. So wie heute schon vorher alles schief gelaufen ist, sah dann auch das Spiel aus.“ Weniger kritisch fiel Reibes Resümee aus: „Gegen Niendorf ist es, vor allem bei solchen Platzverhältnissen, immer schwer. In anderen Spielzeiten wäre so eine Niederlage gar nicht weiter erwähnenswert, nur weil wir jetzt Tabellenführer waren fällt es auf.“

„Wir brauchen Melzer"

Bei den Siegern warf die Verletzung Melzers einen Schatten über den Sieg. „Er ist ein Bombentyp, den wir brauchen. Er gehört zu uns, so wie wir zu ihm gehören“, sagte Kapitän Kocadal, der sich an eine eigene Verletzung erinnert fühlte: „Ich hatte einen Flashback und sofort das Gefühl, dass etwas Schlimmeres passiert ist. So schreit er normalerweise nicht.“ Freuen konnte sich Eike Thiemann, der mit seinem sehenswerten Schlenzer den Dosenöffner gab: „Den treffe ich auch in einer guten Woche nicht oft, aber ich hab's einfach mal probiert“, flachste er nach der Partie. Auch Coach Farhadi lenkte seinen Blick auf das Positive: „Wir haben guten Fußball gespielt, im Großen und Ganzen kann ich nur den Hut vor der Mannschaft ziehen.“ Ein Sonderlob verdiente sich Melzers Ersatz: „Tobi ist ein Pfundskerl, der gehört hier einfach her. Eine Bärenruhe hatte er, da war ich draußen sogar aufgeregter.“ Immerhin eine positive Nachricht für die kommende Zeit, denn für den Rest der Saison wird nun wohl die Stunde des 20-jährigen Hachmann schlagen, der seine ersten Oberliga-Minuten erlebte.

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