Familie, Herzlichkeit und Spaß – die Attribute eines Traditionsvereins

Nach freiem Fall: Der Harburger TB auf dem Weg der Besserung

16. September 2016, 09:04 Uhr

Kirill Schneider (M.) kehrte vor der Saison vom Oberliga-Aufsteiger Klub Kosova zum HTB zurück. Foto: Ingo Brussolo!

Ein absoluter Traditionsklub im Hamburger Amateurfußball, ein Verein, der seit mehr als 150 Jahren besteht und der von der Kreisklasse bis zur Oberliga schon alles miterleben musste: Rückzug aus der Verbandsliga, kompletter Neuanfang in der Kreisliga, Wiederaufstieg in die Landesliga und der direkte Abstieg in die Bezirksliga Süd. Beim Harburger TB gab es in den letzten Jahren einiges zu feiern, allerdings häufig auch bittere Nackenschläge und traurige Gesichter. Doch am Vahrenwinkelweg gibt es einen Mann, den all dies nicht erschüttern konnte – einen höchstsolidarischenund engagierten Kerl –der nun einen Einblick, in einen der letzten echten Traditionsklubs der Hansestadt gibt.

„Man wollte aus den Fehlern lernen, doch plötzlich kam ein neuer Sponsor“

Bis 2001 spielte man beim HTB einige Jahre in der Hammonia-Staffel, danach fast ein Jahrzehnt in der Oberliga und war aus dieser Spielklasse kaum mehr wegzudenken. Mit der Jahrtausendwende begann dann jedoch eine Phase, die wenig später im absoluten Chaos der Harburger mündete. Aufgrund von Geldmangel musste die erste Herren, damals in der Oberliga spielend, vom laufenden Spielbetrieb abgemeldet werden. „Das war schon ein Phänomen, welches wir gestellt haben“, beschreibt Nabil Toumi– derzeitiger Trainer der ersten Herren und früher selbst Spieler beim Harburger TB – die schwersten Jahre des Vereins. „Wir hatten ein Oberliga-Team zusammen und mussten dieses in der laufenden Saison zurückziehen, weil es finanziell einfach nicht mehr ging“, so Toumi weiter, der wenig später auchanfügt: „Im Verein wollte man damals schon die Lehren daraus ziehen und sagte, man hole Spieler der zweiten Herren hoch, um das Ganze ohne einen finanziellen Rahmen aufzustellen.“ So plante man bereits die bevorstehende Saison und sprach mit vielen Akteure der Reservemannschaft– unter anderem auch mit Toumi. „Plötzlich kam doch noch ein Sponsor um die Ecke, der ein bisschen Geld mitbrachte und Vorstellungen zu neuen Spielern hatte“, lässt der 34-Jährige die Tage Revue passieren,welche die Saisonplanungen komplett auf den Kopf stellten. Der neue Sponsor brachte jedoch nicht nur finanzielle Mittel für neue Rahmenbedingungen und Neuzugänge mit, sondern auch einige altbekannte Probleme. Denn nun saß man erneut auf dem Zug, auf den man eigentlich nicht mehr aufspringen wollte. Doch schien es diesmal anders zu laufen: Denn in der neuaufgeschlagenen Ära hatte man, aufgrund der Kraft des Finanziellen, erneut sportlichen Erfolg und feierte direkt im ersten Jahr die Verbandsliga-Meisterschaft!

Das bekannte Dilemma: Geld weg, Spieler weg, Zukunft offen!

Sieben Spiele, sieben Siege: Der Saisonstart hätte für Nabil Toumi (M.) und seinen HTB gar nicht besser verlaufen können. Foto: Ingo Brussolo!

Nabil Toumi sah damals jedoch genau dasselbe Dilemma kommen: „Man war einem Sponsor ausgeliefert, der dann plötzlich dem Verein die Forderungen stellte, dass dieser auch Gelder mit einbringen müsse und man den Etat noch einmal vergrößern solle“, so der Algerier, der anschließendbemängelt: „Das geht in so einem Spartenverein nicht, in dem man schauen muss, dass Jeder zu seinem Recht kommt. Man kann die Fußballer nicht so übervorteilen!“ Mit den Forderungen des Sponsors, denen man nicht nachkommen konnte und wollte, verließ dieser nach einem guten Jahr den Verein und man machte selbige Erfahrungen, wie zwei Jahre zuvor: Das Geld ist weg, die Spieler sind weg.

Was macht man nun?

Schließlich kam man zu dem Entschluss, in der Kreisliga zu starten und aus eigener Kraft – ohne große finanzielle Mittel – etwas aufzubauen. „Die ersten Jahre waren nicht gerade von Erfolg gesät“,erzähltToumirückblickend. So kam es erst in der Nach-Ära, in der man zweimal den Bezirksliga-Aufstieg haarscharf verpasste, zum erhofften Erfolgserlebnis. Mit einer komplett jungen Garde und einem talentierten 90er-Jahrgang, aus dem man viele Spieler direkt im Herrenbereich einbinden konnte, startete eine Zeit, an die sich auch Toumi gerne zurückerinnert: „Der Plan war es, sich auf die Jugend zu fokussieren und die sogenannten Homegrown Players zu fördern. Dann ging der Wiederaufstieg los, von der Kreisklasse bis zur Bezirksliga, innerhalb von drei Jahren. Diesem Konzept ist man treu geblieben und die Mannschaft bestand auch, bis zum Landesliga-Aufstieg vor zwei Jahren.“

Nach zwölfjähriger Abstinenz: Einmal Landesliga und zurück

Erhan Albayrak (l.) ist inzwischen nicht nur Trainer beim FC Türkiye, sondern nach wie vor der "Leader" in der Defensive der Harburger. Foto: Ingo Brussolo!

Denn nach einer zwölfjährigen Landesliga-Abstinenz und einem zwischenzeitlichen Abstieg in die Kreisklasse schaffte der HTB den Sprung zurück in die sechsthöchste Spielklasse. Doch dieses Erfolgserlebnis sollte nicht lange anhalten. Durch stagnierende Rahmenbedingungen, gekoppelt mit einer mageren Trainingsbeteiligung, musste man sich nach einem einjährigen Gastspiel zurück in die Bezirksliga verabschieden. Für Nabil Toumi, der all die Höhen und Tiefen des Vereins hautnah miterlebte und nun Trainer des Teams war, war ein Zeitpunkt gekommen, in dem er mächtig auf den Tisch hauen musste: „Ich habe als Trainer einfach gesehen, wie wenig Möglichkeiten man hat, wenn man beim Training 13 oder 14 Mann hat, obwohl auf dem Zettel 30 bis 40 Namen stehen und man immer wieder angewiesen ist – sei es durch Urlaub, Krankheit oder Verletzungen –dann Leute reinzunehmen, die drei Wochen gar nicht da waren. So etwas bringt dich an deine Grenzen. Das macht keinen Spaß und man sieht keine Perspektive mehr.“ Grund genug also, den Verein und die Mannschaft wachzurütteln und bei keinen sichtbaren Veränderungen die Konsequenzen zu ziehen – das Verlassen des Vereins! „Es reichte einfach nicht aus zu sagen, dass wir eine gute Jugend haben und ein Traditionsverein sind. Man musste auch etwas an den Rahmenbedingungen und der Einstellungändern. So ein zweites Jahr, wo man froh sein muss, dass überhaupt jemand zum Training kommt undman die Jungs dann lediglich ein wenig gespaßt, wollte ich auch als Trainer nicht noch einmal erleben!“

„Es ist schwerer aufzusteigen, als die Klasse zu halten!“

Doch diese Art des Wachrüttelns hat scheinbar geholfen: Nach dem direkten Abstieg stabilisierte sich die Mannschaft weitestgehend, auch wennman in der vergangenen Saison nur im Tabellenmittelfeld landete. Wenige Monate später, in der derzeit laufenden Spielzeit, trägt das große Engagement Toumis jedoch weiter Früchte, sodass die Harburger momentan vom Platz der Sonne grüßen und aus den ersten fünf Saisonspielen die volle Punkteausbeute einfahren konnten! Trotz des famosen Saisonstarts, tritt der HTB-Coach jedoch gleich ein wenig auf die Euphorie-Bremse: „Die Ergebnisse können auch noch kippen und es ist noch viel zu früh in der Saison!“ Und auch von einem Pflicht-Aufstieg möchte der sympathische Coach nicht sprechen: „In solch einer Konstellation, wo 16 Mannschaft um den Aufstieg kämpfen und nur der Erste hoch geht, von Pflicht zu sprechen, ist enorm schwer. Natürlich möchte man immer aufsteigen, wenn man eine gute Truppe zusammen hat und wenn es möglich ist, wollen wir dies natürlich auch wahrnehmen, vor allem in Hinsicht auf die Mannschaften, die in den nächsten Jahren hochkommen. Allerdings ist es im Amateurfußball immer schwerer aufzusteigen, als mit einer guten Mannschaft die Klasse zu halten.“

Vielleicht gelingt es dem Toumi-Ensemble aber trotzdem, bis zum Ende der Saison die Tabellenführung zu verteidigen und somit den erneuten Aufstieg in die Landesliga zu feiern. Denn wer in der Vergangenheit so viele Nackenschläge wegstecken musste, hat es mehr als verdient, mal wieder ein Erfolgserlebnis zu genießen. Außerdem wäre es doch schade, wenn ein Traditionsklub – wie man ihn nur noch selten in der Stadt findet – in einer unteren Liga unauffällig bleibt oder gar in der Versenkung verschwinden würde!