„Zwei verlorene Punkte“ trotz vierfacher Unterzahl!

Hamm United sieht Rot und verspielt Sieg in Altengamme

03. September 2016, 20:43 Uhr

Hamms Tufan Tintin verstand die Welt nicht mehr, als er nach seinem rüden Foulspiel an der Außenlinie zu Recht den roten Karton sah. Foto: noveski.com/Bode

„Es waren unglaublich viele kritische und zwiespältige Entscheidungen dabei. Er hat so entscheiden, das akzeptieren wir und nehmen es auch so hin. Aber es macht eben auch ein Fußballspiel kaputt! Und das ausgerechnet in dieser Zeit, wo es so viele Vorfälle gibt, ist das natürlich nicht angenehm, was hier heute gepfiffen wurde.“ Denn ob man es nun will oder auch nicht, ob man dieses Thema am liebsten totschweigen oder sich aber daran bereichern möchte: Fakt ist, dass Ayhan Türkkan mit seiner Einschätzung nicht ganz unrecht hatte. Denn mal wieder hat ein Schiedsrichter eine nicht ganz unbedeutende Rolle bei einem eigentlich normalen Fußballspiel eingenommen. Beim Landesliga-Duell zwischen dem SV Altengamme und Hamm United zeigte der Unparteiische Leif Jischkowski (VfL 93) den Gästen gleich drei Rote und eine Gelb-Rote Karte!

Leonel Varela Monteiro (r.) wird beim Flankenversuch von Marvin Behr gestört. Foto: noveski.com/Bode

Dabei stand auf der wunderschönen Anlage des SV Altengamme zunächst einzig und allein der Fußball im Mittelpunkt. Beide Teams suchten ihr Heil in der Flucht nach vorne. Den besseren Auftakt erwischten eindeutig die Hausherren: Sebastian Peters bediente aus dem Mittelfeld-Zentrum Philip Alpen, der auf links in den Strafraum der Gäste eindrang und vom ungestüm herausstürzenden Samuel Graudenz über den Haufen gelaufen wurde. Elfmeter! Patrick Bierwagen legte sich die Kugel zu Recht und verwandelte staubtrocken in den linken Giebel (7.)! „Nach der Führung haben wir ein bisschen die Ordnung verloren, als wenn wir darüber überrascht gewesen wären, dass wir vorne liegen. Wir haben aufgehört, das zu spielen, was wir uns eigentlich vorgenommen hatten. Denn bis zu diesem Zeitpunkt fiel Hamm United wenig bis gar nichts ein. Aber wir haben es nicht mehr geschafft, in die Zweikämpfe zu kommen. Die Abstände waren nicht mehr gut“, konstatierte SVA-Coach Daniel Andrade völlig zutreffend.

Yousofzai räumt alles weg, Mahrt trifft vom Punkt

2:2-Schütze Hajo Kücken (M.) lässt sich von Jonas Buck (l.) und Janis Voß feiern. Foto: noveski.com/Bode

Denn HUFC schlug postwendend zurück: Andreas Goldgraebe schickte den wiedergenesenen Alessandro Schirosi steil – und dieser schob aus halblinker Position ganz abgeklärt ins lange Eck ein (9.)! Es folgte das, was Andrade bereits ansprach: Altengamme verlor den Zugriff, ließ Hamm gewähren. Der lange Zeit überragend agierende „Sechser“ Tammim Yousofzai erkämpfte im Mittelfeld gegen Hajo Kücken den Ball und spielte einen wahrhaftigen Traumpass auf Schirosi, der Alexander Golinske aus etwas spitzem Winkel im kurzen Eck überraschen wollte. Doch der Keeper mit glänzender Fußabwehr (25.). Mit fortlaufender Spielzeit nahm die Hektik auf dem herrlichen Natur-Grün immer mehr zu, was auch daran lag, dass Schiedsrichter Jischkowski von Anfang an keine klare Linie fuhr. Doch noch sollte dies – bis auf einige Gelbe Karten auf beiden Seiten – keine größeren Konsequenzen haben.

Die „Deichkicker“ starteten auch in den zweiten Abschnitt furios. Wenige Sekunden waren gespielt, als Peters erneut den durchstartenden Alpen in Szene setzte. Nicht nur der Jung-Angreifer selbst wähnte sich in dieser Situation im Abseits und stoppte deshalb ab. Zum großen Erstaunen blieb die Fahne von Assistent Alexander Teuscher (SC Eilbek), der in Halbzeit eins einige gute Dialoge mit den Verantwortlichen der Gäste führte, da von außen viel hineingetragen wurde, unten. Plötzlich nahm Alpen wieder an Fahrt auf – allerdings zu spät, denn Sandjar Ahmadi konnte dessen Schuss blocken (46.). Wäre Alpen ohne Tempoverlust direkt durchmarschiert, hätte es Graudenz zumindest ganz schwer gehabt. Die große Führungschance war dahin, stattdessen luchste Christian Meier auf der anderen Seite seinem Gegenspieler an dessen eigenem Strafraum den Ball ab, ließ sich beim Eindringen in den Sechzehner jedoch sehr weit nach links abtragen. Fast schon an der Grundlinie angekommen, nahm er die lange Hand von Golinske dankend an. Strafstoß! Christopher Mahrt übernahm die Verantwortung und schoss links unten ein – 1:2 (52.)!

Die Kartenflut nimmt ihren Lauf – Algan fliegt bei Debüt

Die hektische Schlussphase mit unzähligen Diskussionen... Foto: noveski.com/Bode

Es begann eine unglaublich hitzige und turbulente letzte halbe Stunde. Den Anfang machte Torschütze Mahrt, der bereits gelbverwarnt war und sich an der eigenen Trainerbank nach einem normalen Foulspiel zu einem Nachtreten hinreißen ließ, womit er seiner Mannschaft einen Bärendienst erwies. Rot (61.)! Im Zuge jener Aktion verlor auch der bis dato herausragende Yousofzai die Nerven, kam mit einem gelben Karton davon. Nicht so Präsident Jörn Heinemann, der zum wiederholten Male lautstark einschritt und von der Bank verwiesen wurde. Doch auch in Unterzahl war Hamm die bessere Mannschaft und schien alles im Griff zu haben. Da Altengamme – schon vor der Überzahl-Situation – sehr hoch verteidigte, ergaben sich zudem einige Kontermöglichkeiten, die aber schlecht ausgespielt wurden. Altengammes Janis Voß hatte nach eigenem Ballverlust und anschließendem taktischen Foul Glück, nicht die Ampelkarte zu sehen (75.). Nicht so Hamms Meier, der für dasselbe Vergehen unmittelbar darauf Gelb sah (78.). Die Schlussphase brach an – und zwar mit der großen Chance auf das 2:2 für die Andrade-Schützlinge: Bierwagen schlug einen traumhaften Diagonalball von links, den Goldgraebe unterschätzte. Der eingewechselte Linus Graf hatte Graudenz von halbrechts bereits überwunden – allerdings rettete Arthur Hoppe in allerletzter Sekunde auf der Linie (82.). Der nachfolgende Eckball sollte jedoch den aus SVA-Sicht erhofften Ertrag bringen: Bierwagens Hereingabe wurde von „Joker“ Philipp Heitmann verlängert und von Hajo Kücken am zweiten Pfosten eingeschädelt (84.)! Nun drohte die Partie den bis hierhin spielbestimmenden „Geächteten“ komplett aus der Hand zu gleiten. Nach einem Pass in die Schnittstelle eilte Graudenz weit aus seinem Gehäuse heraus und konnte gerade noch rechtzeitig vor Alpen die Gefahr bannen (86.). Auf der Gegenseite verfehlte Leonel Varela Monteiros Strahl – nach toller Einzelleistung – aus 23 Metern den linken Knick nur um Zentimeter (89.).

Schiri-Assistent Alexander Teuscher (l.) im Dialog mit Hamms Liga-Manager Jassi Huremovic. Foto: noveski.com/Bode

In der vierminütigen Nachspielzeit angekommen, ging es nun drunter und drüber! Altengammes Jonas Kastl verlor den Ball gegen Yousofzai und riss diesen im eigenen Sechzehner zu Boden. Die Bank der Gäste reklamierte und forderte äußerst vehement den Elferpfiff, der aber ausblieb, weil Yousofzai das Spielgerät im Fallen noch zu Tufan Tintin rüber bekam. Dieser vergab freistehend kläglich (90. +1)! Große Aufruhr beim letztjährigen Dritten, der sich nicht nur in dieser Szene benachteiligt sah. Zu allem Überfluss schickte Jischkowski den verärgerten Yousofzai noch mit Gelb-Rot wegen Reklamierens unter die Dusche, und ahndete das zweifellose Foulspiel von Kastl – das trotz der Vorteilsauslegung zu bestrafen gewesen wäre –überhaupt nicht mit einer Karte. Wenige Augenblicke später rasselte der ins Spiel gekommene Tintin an der Mittellinie wie ein Berserker in Kücken rein. Rot (90. +2)! Als der Referee dann auch noch ein Foulspiel an Ronn Asante, der über rechts den Turbo zündete und trotz klarer Berührung versuchte, weiter zu marschieren, nicht bemerkte, fuhr „Debütant“ Faik Algan komplett aus der Haut, baute sich vor Jischkowski auf und stellte diesen zur Rede. Es fielen zwar keine Schimpfworte oder gar persönliche Beleidigungen – dennoch muss sich ein solch erfahrener Spieler wie Algan besser im Griff haben. Die Folge: Rot (90. +4)! Schluss!

„Die fußballerisch bessere Mannschaft war heute Hamm United“

V. li.: Faik Algan, Andreas Goldgraebe und Arthur Hoppe redeten auf den Schiedsrichter ein. Foto: noveski.com/Bode

Kommen wir erst einmal zu den rein sportlichen Fazits beider Trainer. Türkkan: „Ein großes Lob an meine Mannschaft. Wir hatten gefühlt 70, 80 Prozent Ballbesitz und haben auf ein Tor gespielt – bis wir in Unterzahl geraten sind. Auch da haben wir immer noch gekämpft und gut gespielt, aber bei dreifacher Unterzahl – nachher habe ich aufgehört zu zählen – war natürlich nicht mehr möglich. Trotzdem erspielen wir uns auch in der Phase noch eine Riesenchance, laufen frei aufs Tor zu. Leider bekommen wir da weder den Elfmeter noch gibt es eine Karte für den Gegner.“ Sein Gegenüber fasste zusammen: „Ich bin froh, dass wir heute noch Unentschieden gespielt haben. Denn ich glaube, die fußballerisch bessere Mannschaft war Hamm United. Da gibt‘s nicht viel zu diskutieren. Wobei man auch sagen muss, dass wir ein, zwei ganz entscheidende Chancen liegen lassen. Wenn wir die machen, wird das Spiel sehr interessant. Kämpferisch bin ich absolut zufrieden, fußballerisch nicht so wirklich. Das Unentschieden ist gut für uns, für Hamm United nicht. Über alles andere, was sonst so war, denke ich, dass man die meisten Entscheidungen so geben kann. Ein, zwei Kommentare, die da noch so kamen, fand ich aber ein wenig unglücklich.“ Mit sarkastischem Unterton meinte Türkkan: „Der Schiedsrichter hatte heute seinen besten Tag, hat einen Sechser im Lotto geschossen. Mehr kann und will ich dazu nicht sagen...“ Abschließend betonte er zu diesem ganzen Thema: „Wenn du eine Karte geben willst, dann tue das. Ich sage ja nicht, dass alles falsch war. Aber verfolge dabei zumindest eine klare Linie und ziehe diese auch durch!“