„Ich hab' ihnen gesagt: Ich werfe euch alle raus!“

Nach anfänglicher Krise und klaren Worten entwickelt sich der Barsbütteler SV zur Überraschung

16. September 2016, 10:18 Uhr

Ein Freund deutlicher Worte: Barsbüttels Coach Aydin Taneli las seinen Spielern vorm Sieg gegen Bramfeld ordentlich die Leviten. Foto: noveski.com

Zu Beginn der laufenden Saison sah es so aus, als ob der Barsbütteler SV auch in dieser Spielzeit wieder in arge Probleme kommen würde. So, wie in der vergangenen Serie, als die „weißen Schwäne“ nur deswegen nicht absoffen, weil Croatia und der SC Vier- und Marschlande noch schlechter waren. Doch der erste Eindruck täuscht: Inzwischen haben sich die Schützlinge von Trainer Aydin Taneli freigeschwommen und sind schicken sich an, zu genau jener Überraschung zu werden, die „Tanne“ schon vor dem Saisonstart in ihr sah... 

Das Rezept ist ganz einfach. Jedenfalls, wenn man Aydin Taneli glaubt. „Wir haben Spiele gewonnen, bei denen wir vorher nicht damit gerechnet haben, sie zu gewinnen“, entgegnet der Trainer des Barsbütteler SV auf die Frage, wie es dem Team vom Soltausredder gelungen ist, den vorletzten Tabellenplatz, den die Equipe noch am 4. Spieltag inne hatte, mit dem inzwischen neunten Platz zu tauschen.

„Das Bramfeld-Spiel war die Wende zum Guten“

Die beiden Spiele, die Taneli meint? Den 1:0-Erfolg gegen den Bramfelder SV und das furiose 4:0 beim VfL Lohbrügge. „Bramfeld war für uns der Knackpunkt, die Wende zum Guten“, sagt der BSV-Coach, „wir haben den BSV 90 Minuten an die Wand gespielt. Wir haben kompakt gestanden und die richtige kämpferische Einstellung gehabt. Das hat mich begeistert.“

Noch mehr ins Schwärmen gerät der 33-Jährige, wenn er an den Auftritt seiner Mannen am Binnenfeldredder zurückdenkt. „Wer gegen Lohbrügge nicht dabei war, der hat etwas verpasst. Wir haben dem Gegner völlig den Schneid abgekauft. Das war Fußball, wie ich ihn mir seit Jahren vorstelle!“ Dass sein Team dazu in der Lage ist – für Taneli nichts Neues: „Ich habe immer gewusst, dass gute Jungs habe, sowohl fußballerisch als auch charakterlich.“

Diese beiden unerwarteten Siege aber sind nur die halbe Wahrheit, warum der BSV die Trendwende schaffte. Es gibt – wie bei einem guten Gericht – noch mehr Zutaten, die dafür sorgten, dass „Tanne“ das Arbeiten mit seinen Spielern wieder richtig schmeckt. „Ich habe die Jungs in der Woche vor dem Heimspiel gegen Bramfeld auseinandergenommen. Ich habe ihnen gesagt, dass es so nicht weitergeht und ihnen gesagt, ich werfe sie allesamt raus, wenn sich nichts ändert“, blickt Taneli schmunzelnd zurück.

„Wenn die jungen Spieler präsent sind, bekommen sie ihre Chance“

Hat sich zu einer festen Größe entwickelt: Georg Demircan (li., hier im Duell mit Sasels Tolga Celikten). Foto: noveski.com

Und es änderte sich etwas. Nicht nur am Auftreten, der Zahl der Siege und dem Tabellenplatz, sondern auch in der personellen Zusammensetzung des Startformation. Lennart Wallner, Ilir Aliu und André Grosche-Müller fanden sich im Duell „BSV gegen BSV“ auf der Ersatzbank wieder, für sie standen Ivan Radulovic, Felix Stirl und Youcef Madadi in der ersten Elf, in der Offensivmann Philipp Sander überdies auf ungewohnter Position als Linksverteidiger auftauchte. Mut zum Risiko, der sich auszahlte.

Vor allem Radulovic zaubert Taneli derzeit das ein oder andere Lächeln aufs Gesicht. „Ivan kam vier Mal von der Bank ins Spiel, hat im Training trotzdem nicht den Kopf hängen lassen und sich präsentiert. Seitdem spielt er“, erklärt Taneli. Gegen Lohbrügge gelang dem Youngster sogar sein erstes Landesliga-Tor. Ein Beispiel, an dem sich andere junge Spieler im Kader des BSV ein Beispiel nehmen können. „Bei manchen Spielern geht es schneller, andere brauchen länger“, erläutert Taneli, „Ivan hat die komplette Vorbereitung mitgemacht. Deshalb ist er jetzt so weit.“ Weiter als Mert Hirci, Samuel Acheampong, Martin Hiob oder Hamid Hajaiej, denen der Coach trotzdem attestiert: „Ich bin von allen jungen Spielern beeindruckt.“ Entsprechend heißt es am Soltausredder auch weiterhin: Der Jugend eine Chance.

„Ich hab immer wieder Spieler einfach ins Wasser geworfen“, blickt Taneli auf vergangene Spielzeiten und Akteure wie Felix uns Lars Feuerlein oder aber die immer noch im Kader stehenden Lennart Wallner, Kevin Lauppe, Andre Grosche-Müller oder Georg Demircan (Taneli: „Er ist zu einer festen Größe geworden“) zurück: „Bei Grosche-Müller hat es auch lange gedauert, bis er da war, wo ich ihn haben wollte. Lauppe ist damals nach gefühlten zehn Spielen von der Ersatzbank einfach reingekommen.“

Trako zählt wieder zum Kader

Wieder da: Samin Trako trainierte zuletzt drei Wochen "auf Bewährung" mit und kehrt nun in den Kader zurück. Foto: noveski.com

Es hänge immer davon ab, „wie sich die jungen Spieler präsentieren. Können sie die Härte ab oder nicht. Sie müssen mir als zeigen: Trainer, mit mir kannst du länger planen“, verdeutlicht Taneli. Und sie müssen „flexibel sein. Bei mir ist es nicht Gang und Gäbe, dass sie nur auf einer Position spielen können. Auch wenn sie taktisch noch lernen müssen: Wenn die jungen Spieler präsent sind, bekommen sie ihre Chance.“

Apropos Chance – die hat auch Samin Trako genutzt. Nachdem er in der vergangenen Saison aus dem Kader geflogen war, hatte sich der Abwehrspieler zuletzt wieder angeboten und durfte drei Wochen zur Probe mittrainieren. „Er hat mitgezogen und sich nichts zu schulden kommen lassen, deswegen ist er wieder ein Teil unseres Teams“, berichtet Taneli und erklärt nach kräfte- und nervenzehrenden ersten Saisonwochen: „Es macht mir wieder enorm Spaß mit den Jungs zu arbeiten. Sie sind lernwillig und wollen weiterkommen. Wir sind endlich aus der Krise heraus und haben das Tal der tränen verlassen.“

Jan Knötzsch