Coolness und ein „geiler Fuß“ machen den UnterSCHIED
Dassendorf siegt dank Eigentor und von Walsleben-Schied mit 2:0 gegen Türkiye
Die Teamkollegen um Erstztorwart Christian Gruhne (li.) beglückwünschen Marcel von Walsleben-Schied (Zweiter v. li.) nach dessen sehenswertem Treffer zum 2:0-Endstand. Foto: KBS-Picture
Die Besetzung der Bank spendete spontan Beifall und Thomas Hoffmann hielt Marcel von Walsleben-Schied die ausgestreckte Hand zum Abklatschen hin. Der Stürmer der TuS Dassendorf schlug ein, sein Coach lächelte und schickte von Walsleben-Schied als Krönung auch noch verbal seine Anerkennung hinterher. „Ein geiler Fuß“, konstatierte Hoffmann und meinte damit die Aktion, die sich knapp drei Minuten vor der Auswechslung von Dassendorfs Nummer 24 gegen Onur Akdogan ereignet hatte.
Von Walsleben-Schied: „Blind draufzuhauen, war für mich keine Option“
Machte nach Sperre und Verletzungspause ein starkes Spiel: Türkiyes Eliseu Baldé (re.). Foto: KBS-Picture
Folgendes hatte sich vor den 152 Zuschauern auf dem Rasen am Wendelweg im Heimspiel der TuS gegen den FC Türkiye zugetragen: Marcel Lenz schlug den Ball aus der eigenen Hälfte lang nach vorne. Von Walsleben-Schied startete durch und kam auch an das Leder und lief mit selbigem am Fuß ein paar Meter. Ein mal noch blickte Dassendorfs Stürmer kurz nach oben – und was er dann machte, war sehenswert: Mit jeder Menge Coolness, Können und Routine chippte von Walsleben-Schied die Kugel über FCT-Keeper Tobias Braun hinweg. Der Balls senkte sich und fiel dann in die Maschen. Es war das 2:0 für die Hausherren (80.) – und die Entscheidung des Spiels, weil der Gast aus Wilhelmsburg dem nichts mehr entgegenzusetzen hatte und der für von Walsleben-Schied ins Spiel gekommene Akdogan nach 84 Minuten es versäumte, nach einem schönen Zuspiel des ebenfalls eingewechselten Tarik Cosgun noch Dassendorfs Treffer Nummer drei an diesem Nachmittag nachzulegen.
„Einfach blind draufzuhauen, war für mich keine Option. Das war schon so geplant, wie es passiert ist“, erklärte von Walsleben-Schied nach dem Schlusspfiff seinen Geniestreich, „es ging einfach nur so. Ich habe in etwa 35 Meter vorm Tor schon mal geguckt, wo der Torhüter steht und dann gesehen, dass er ziemlich weit draußen ist. Allerdings habe ich mir da gedacht, dass ich so weit nicht schießen kann. Also bin ich noch ein paar Meter gelaufen und habe dann geschossen.“ Sogar der Torschütze selbst war von der Optik seines Treffers begeistert: „Das der Ball dann so reinfällt, ist natürlich schön“, strahlte er und ergänzte: „Das Tor war wichtig. So konnten wir den Deckel drauf machen.
Tüysüz vergibt vor der Pause Türkiyes große Chance zur Führung
Freude über das 1:0: Seyhmus Atug ließ sich als Torschütze feiern, doch Türkiyes Mekan Barlak war wohl nach ihm noch am Ball. Foto: KBS-Picture
Auch Thorsten Bettin war von diesem Treffer angetan. Selbst, wenn er nicht für, sondern gegen seine Mannschaft fiel. „So ein Tor muss man erst mal so machen. Das war schon hohe Fußballkunst“, urteilte der Gästetrainer, der trotz der Niederlage nicht unbedingt unzufrieden mit dem Auftreten seiner Schützlinge war. „Der Sieg für Dassendorf geht in Ordnung, auch wenn er für mich persönlich vielleicht einen Treffer zu hoch ausgefallen ist“, sagte Bettin, „ich muss meinem Team aber trotzdem ein Kompliment machen. Wir mussten den einen oder anderen Eckpfeiler ersetzen.“ Unter anderem fehlte Serhat Yaipci. „Er ist vom Verband wegen eines Ausspruchs nach dem Spiel gegen Wedel für zwei Partien gesperrt worden“, verriet der Türkiye-Coach, der dafür aber wieder auf den zuvor gesperrten und verletzten Eliseu Baldé zurückgreifen konnte. Und Türkiyes Nummer 25 machte ein starkes Spiel. „Hut ab, dass er 90 Minuten so gespielt und durchgehalten hat. Er hat nur zwei Mal trainiert und dann gesagt, dass er spielen kann. Das ist ein Phänomen für mich“, so Bettin.
Doch sowohl Baldé als auch seinen Teamkollegen fehlte letztlich die Coolheit vor dem Tor, die den zweiten Dassendorfer Treffer auszeichnete. Baldé selbst zielte nach 34 Minuten am Pfosten vorbei, die größte Chance hatte jedoch Onur Tüysüz: Vier Minuten vor der Pause spielte Türkiye einen Konter über links, von wo Tolga Tüter seinen Mitspieler bediente. Der hatte rechts im Strafraum dann eigentlich noch jede Menge Zeit, den Ball anzunehmen und erst dann zu schießen, entschied sich jedoch überhastet direkt zum Abschluss und verzog. Das hätte gut und gerne die Führung für die Gäste sein können, wusste auch Thorsten Bettin auf der anschließenden Pressekonferenz. „Das war eine 90-prozentige Chance. Wenn wir die machen, dann kann das Spiel auch in eine andere Richtung laufen“, gab Türkiyes Trainer zu Protokoll.
Martens: „Uns ist endlich mal kein individueller Fehler unterlaufen“
Das Bein lang gemacht: Dassendorfs André Ladendorf (li.) im Zweikampf mit Türkiyes Tolga Tüter. Foto: KBS-Picture
Lief die Begegnung aber nicht. Denn: Nachdem im ersten Durchgang erst Sven Möller Braun prüfte (2.) und dann Kristof Kurczynski Widersacher Philip Pettersson überlief, in die Mitte zu von Walsleben-Schied ablegte und dieser am langen Pfosten vorbei zielte (21.), gelang es den Hausherren im zweiten Durchgang dann doch, den Ball im gegnerischen Tor unterzubringen. Allerdings unter freundlicher Mithilfe des Gegners: Es lief die 53. Minute, als Müller einen Eckball vor das Türkiye-Tor trat und dort Seyhmus Atug und André Ladendorf hochstiegen. Ladendorf meldete nach dem Spiel bei TuS-Pressesprecher Alexander Knull via Sprahnachricht noch während der Pressekonferenz Ansprüche an, dass dies sein Treffer war. Atug ließ sich schon direkt nach dem Tor von Mitspielern und anschließend auch von Trainer Thomas Hoffmann feiern, doch letztlich war auch Türkiyes Mekan Barlak wohl noch am Ball, ehe dieser die Linie zum 1:0 für die TuS überquerte.
„Wir wussten, dass Dassendorf nach der Pause mehr Druck machen würde und dass sie uns bei den Standards überlegen sein würden, was sie letztlich ja auch waren“, resümierte Thorsten Bettin, „dass wir nach dem 0:1 hinten öffnen müssen, war klar. Da war es eine Frage der Zeit, wann wir in einen Konter laufen würden.“ Trotz der Niederlage gab es sogar Komplimente für den Coach und dessen Team – und das nicht nur, weil Bettin dem noch recht frisch vermählten Trainerkollegen Peter Martens und dessen besserer Hälfte als Geschenk eine Flasche Sekt mit an den Wendelweg gebracht hatte. „Krim-Sekt, richtig guten also“, erzählte Bettin, „der war eigentlich für Peters Frau gedacht. Doch die hat mir dann gesagt, dass sie gar keinen Sekt mag.“ Der Konter von Martens? „Macht nichts, dann trinke ich die Flasche eben alleine.“
Bettin: „Ich sehe uns nicht in der Spitzengruppe“
Und der Dassendorf-Coach hatte einige Dinge gesehen, auf die er anstoßen könnte. Den furiosen Treffer von Wlasleben-Schieds zum Beispiel. Oder aber die Tatsache, dass es der TuS im vorletzten Spiel der Hinrunde zum ersten Mal gelang, zu Null zu spielen. „Uns ist diesmal kein individueller Fehler unterlaufen. Sonst hatte immer der eine oder andere einen dicken Bock drin, der direkt bestraft wurde. Es ist uns endlich gelungen, das abzustellen“, freute sich Martens, der seine Innenverteidiger Marcel Lenz und Seyhmus Atug hevorhob: „Die beiden haben ein ganz starkes Spiel gemacht. Wir haben gegen einen sehr schwer zu spielenden Gegner, der kämpferisch alles rausgehauen hat und diszipliniert aufgetreten ist, verdient gewonnen. Wir haben hart gearbeitet, gut verteidigt und waren aggressiv im Spiel gegen den Ball. Ich bin sehr zufrieden mit dem Spiel und dem Ergebnis.“
Doch nicht nur das eigene Team, sondern auch der Gegner verdiente sich ein Lob Martens'. „Ich bin überzeugt, dass Türkiye bis zum Ende der Saison oben dabei sein wird. Das ist eine gute Mannschaft mit starken individuellen Spielern. Wenn sie die Disziplin wahren – und dafür wird Thorsten schon sorgen – dann sind sie gefährlich“, so der TuS-Coach. Bettin, der zwei Stühle weiter daneben saß, schüttelte während dieser Aussage nur den Kopf und lieferte die Erklärung für seine Geste gleich nach: „Das ist ein nettes Kompliment, aber da oben sehen wir uns nicht. Wir spielen gerade mal das zweite Jahr in der Oberliga und müssen und stabilisieren. Die Mannschaft hat zwar einen guten Lauf, aber wir wissen auch, wo wir herkommen und was wir noch machen müssen. Ich sehe uns nicht in der Spitzengruppe. Wenn, dann nur, wenn alle Eckpfeiler fit sind, in der Breite sind wir dafür nicht gut genug besetzt.“
Jan Knötzsch