„Die Kluft zwischen Profi- und Amateur-Fußball wird kleiner werden“

Experten diskutieren beim „Spielmacher-Meetup“ die Zukunft des Amateur-Fußballs

02. März 2017, 17:33 Uhr

Vordere Reihe v.l: Manager Strategische Projekte DFB Lasse Löll, Leister Digitale Medien Kicker Werner Wittmann, CEO Sportplatz Media Marcel Hager / hintere Reihe v.l: Moderator Uli Pingel & CEO Minubo Lennard Stoever. Foto: SPM

Rund 27.000 Vereine mit circa 170.000 Mannschaften locken jede Woche ungefähr 2,35 Millionen Zuschauer an die Amateurfußballplätze – ein Vielfaches im Vergleich zu den Profiligen. Kein Wunder, dass das Thema „Digitalisierung des Amateurfußballs“ zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wie digital ist der Amateurfußball schon heute und wie wird sich die Digitalisierung weiterentwickeln? Rund 20 Millionen Fußball-Aktive und -Interessierte werden neben Profi-News zunehmend auch mit Amateurfußball-Nachrichten mit Print- und digitalen Medien erreicht.

Ex-Profi Stefan Reinartz erklärt das "Packing". Foto: SPM

Beim „Spielmacher-Meetup“ – initiiert von der minubo GmbH und der Sportplatz Media GmbH – wurden am Vorabend der „OnlineMarketingRockstars“ (02./03. März, Hamburg) viele spannende Fragen diskutiert: Wie ist die aktuelle Marktsituation und die Chancen einer Digitalisierung des Amateurfußballs? Welche Chancen bieten sich für Marken und Vermarkter? Und was sind die neuesten Trends?

Einer, der auf der ganz großen Fußballbühne angekommen war, ist: Stefan Reinartz. Im Alter von 27 Jahren fasste der langjährige Bundesligaspieler von Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt eine mutige und zugleich ungewöhnliche Entscheidung. Denn Reinartz zog unter seine sportliche Laufbahn einen Schlussstrich und startet seither als Unternehmer durch. „Ich habe meine Karriere beendet, nachdem ich ein Angebot vom HSV erhalten habe“, hatte der ehemalige „Sechser“ die Lacher zum Start des „Spielmacher-Meetups“ in den Räumlichkeiten der minubo GmbH gleich auf seiner Seite. Bei der EM 2016 machte der Begriff „Packing“ zum ersten Mal die Runde, als diverse Spiele in den öffentlich-rechtlichen Programmen mit Hilfe der Werte von „überspielten Gegenspielern“ analysiert wurden.

„Die Mannschaft mit der besseren Packing-Quote gewinnt 90 Prozent der Spiele“

Reinartz ist mit seinem Unternehmen, der Impect GmbH, Entwickler und Wegbegleiter des Statistiktools. „Der Begriff ‚Gegner überspielen’ ist seitdem auch in der Wahrnehmung in Fleisch und Blut übergegangen“, sagt Reinartz, der mit Hilfe der Daten relativ präzise Aussagen über den späteren Spielausgang treffen kann. „Die Mannschaft, die häufiger die letzten fünf Verteidiger des Gegners überspielt hat, gewinnt 90 Prozent aller Spiele.“ Kein Wunder also, dass die „Überraschungsteams“ der Bundesliga, wie Frankfurt oder Köln, auch die besten Packing-Werte aufweisen. Dementsprechend sind jene Statistiken auch für die vielen Wettanbieter auf dem Markt ein spannendes und interessantes Hilfstool, um die Quoten im Vorfeld besser zu berechnen. „Die Statistiken haben eine sehr hohe Aussagekraft, welche Mannschaft die bessere und effektivere ist“, so Reinartz.

„Die Kluft zwischen Profi- und Amateur-Fußball wird kleiner werden“

V. li.: Lasse Löll (DFB), Werner Wittmann (kicker) und Marcel Hager (SPM). Foto: SPM

Während sich der Begriff „Packing“ im Profi-Fußball bereits etabliert hat, können die vielen kleinen Vereine im Amateurfußball von solch aussagekräftigen und hilfreichen Statistiken im Augenblick nur träumen. Aber: „Der Amateurfußball entwickelt sich und zieht nach“, meint Lasse Löll, DFB-Manager für strategische Projekte. „Aktuell herrscht noch eine sehr große Kluft zwischen dem Profi- und dem Amateurfußball. Diese Kluft wird aber kleiner werden. Nur der spielerische Unterschied wird bleiben“, fügt Löll schmunzelnd an. Was die mediale Berichterstattung betrifft, können die „Amateure“ jedoch schon jetzt auf ein ähnlich breites Spektrum wie im Profi-Bereich zurückgreifen. „Das eine Medium tut dem anderen gut. Denn alle haben dasselbe Herzblut für den Amateurfußball“, glaubt Löll. Die Sportplatz Media GmbH hat sich in ganz Deutschland bereits ein Netzwerk von über 250 Medien aufgebaut, die zum Teil gebündelt vermarktet werden. SPM-Geschäftsführer Marcel Hager: „Die ganze Summe an Partnern ergibt letztlich ein großes Pfund.“

„Wir wollen alle mehr Aufmerksamkeit für den Amateur-Fußball erreichen“

Jüngster Coup ist der Einstieg des Olympia Verlages bei SPM. Werner Wittmann, Leiter Digitale Medien beim kicker, dazu: „Wir haben uns gefragt: was sind Wachstumsfelder? Der Amateurfußball ist eben ein Feld, das sehr nahe liegt. Durch die Kooperation mit der Sportplatz Media GmbH bietet sich die Möglichkeit, gemeinsame Wege in Sachen Vermarktung zu gehen. Wir werden uns da noch stärker engagieren. Denn durch regionale Partner hat man eine Riesenchance.“ Aber auch für die Amateurvereine ist der Einstieg vom kicker eine ebenso große Chance, fortan sogar deutschlandweit präsent zu sein. „Durch das Content-Sharing zwischen dem kicker und SPM bietet sich den kleinen Vereine die Chance, eine nationale Reichweite zu erreichen“, weiß auch Wittmann, der die hohe Konkurrenzsituation ebenfalls als Vorteil ansieht: „Wir arbeiten alle in dem Feld und haben den Anspruch, mehr Aufmerksamkeit für den Amateurfußball zu erreichen und kleineren Vereinen zu helfen. Die Partner befruchten sich gegenseitig eher, als dass sie sich schaden.“

Text-Automation und Sportförderung als neue Trends?

Als Moderator führte Uli Pingel durch Programm und Diskussion. Foto: SPM

Die Entwicklung – auch aus technischer Sicht – schreitet auf allen Gebieten stetig voran. Die neuesten Trends? „Ich sehe das Automatisieren von Texten sehr weit vorne. Gerade im Amateurbereich, wo man sich auch von der ‚Manpower‘ her nicht so breit aufstellen kann wie im Profi-Fußball. Wenn beispielsweise drei Redakteure für 60 Ligen zuständig sein sollen, kann das nicht funktionieren. Man stellt sich die Frage: Was liegt vor? Das sind sämtliche Statistiken und Daten. Deshalb ist unser Ansatz: Spielberichte automatisch zu generieren“, so Hager. Dem lokalen Redakteur diene die sogenannte Automation von Texten (z.B. Vor- und Spielberichte) dabei als Grundlage für eigene Anpassungen bzw. Erweiterung zum bestehenden Content.

Abgesehen von der Berichterstattung ist die Sportförderung extrem im Kommen. Mit ‚fairplaid‘ und der ‚kickerCrowd‘ gibt es zwei sehr spannende Projekte, die einfach zu bedienen sind – so dass Spenden schon mit einem Klick möglich ist“, gewährt Hager einen Einblick.

Hochspannend auch das Projekt „Sporttotal.tv“ vom DFB und Wige Media. Eine hochmoderne Videotechnik soll dabei bis 2019 an gut 3000 Amateurplätzen in Deutschland installiert sein und Live-Berichterstattung von Amateurspielen liefern.

„Die Atmosphäre auf dem Fußballplatz ist nicht zu ersetzen“

Werner Wittmann meint derweil, dass man „sich in einigen Bereichen noch im Anfangsstadium befindet, diese werden aber massiv fortschreiten.“ So sei in der jüngeren Zielgruppe „das Bewegtbild sehr beliebt“, allerdings wäre „der Bereich Videos auch ein Thema von Investments“. All die Innovationen und neuestens Trends werden alsbald dazu führen, dass „der Kreisklasse-Trainer irgendwann auf seine App schauen und Statistiken einfach auswerten kann“, vermutet Hager. Doch das Live-Erlebnis ist und bleibt einzigartig. „Ich hoffe, all das ersetzt nicht den Gang auf den Fußballplatz. Denn die Atmosphäre ist nicht zu ersetzen“, meint Hager abschließend.

Autor: Dennis Kormanjos