„Bei einem 0:6 habe ich keine Argumente!“

Norderstedt souverän weiter – der Unparteiische im Blickpunkt

03. August 2016, 00:00 Uhr

Felix Drinkuth (3. v. r.) wird von Deran Toksöz und seinen Teamkollegen nach dem Blitztreffer geherzt. Foto: noveski.com

Nach einer 0:6-Niederlage ist es schwer, eine plausible Erklärung oder die richtigen Worte zu finden. „Da habe ich gar keine Argumente“, gestand auch Christian Woike, Chefcoach des SC Condor, nachdem sein Team vom Titelverteidiger Eintracht Norderstedt ein halbes Dutzend eingeschenkt bekam. Aber ist es wirklich so einfach? De facto prägten noch Stunden danach zwei Entscheidungen das Aufeinandertreffen zwischen dem Ober- und dem Regionalligisten…

"Die noveski.com Lupe": Hier trifft Lindener (r.) Condors Blunck am rechten Fuß und hat auch die Hände im Spiel. Der Elferpfiff blieb aus!

Erste besagte Szene ereignete sich in der 22. Spielminute, als sich Norderstedts Jeremy Karikari einen haarsträubenden Aussetzer leistete und am eigenen Sechzehner einen Querpass spielte, der beim Gegner landete. Michel Blunck machte sich im Alleingang auf den Weg in Richtung EN-Keeper Johannes Höcker, wurde dabei von Steven Lindener verfolgt, nahm ein wenig Tempo raus und ging zu Boden. Die annähernd 350 Zuschauer waren sich größtenteils einig: der Elfmeterpfiff muss die logische Konsequenz dieses Vergehens von Lindener, der Blunck beim Kreuzen am Fuß traf, sein. Doch die Pfeife von Fabian Porsch (Barsbütteler SV) blieb zur Überraschung vieler stumm!

Die zweite Aktion, die im Nachgang noch für reichlich Gesprächsstoff sorgte, ging nur wenige Sekunden nach Beginn des zweiten Spielabschnitts vonstatten: im Luftduell mit Jan Lüneburg ging Max Anders tief in der eigenen Hälfte schreiend zu Boden. Erneut sah Porsch kein Foulspiel – dabei trug der SCC-Innenverteidiger deutlich ersichtliche Spuren unter dem Auge davon. Einige Beobachter – darunter auch aktuelle sowie ehemalige Trainerkollegen aus der Oberliga – wollten sogar den Ellbogen des Eintracht-Angreifers gesehen haben. Schon merkwürdig, dass in jenem Fall kein Pfiff ertönte! Stattdessen sprang Anders, der sich zunächst vor Schmerzen auf dem Boden krümmte, wie von der Tarantel gestochen auf und konnte es nicht glauben, dass es nicht einmal einen Freistoß gab. Für Porsch offenbar zu viel – denn er zeigte dem bereits gelbverwarnten Anders die Ampelkarte (46.)! „Was soll ich zum Schiedsrichter sagen? Er hat so entschieden, wie er entschieden hat. Wir werden es immer erleben, dass wir mit gewissen Dingen zufrieden sind. Aber da werde ich mich jetzt nicht zu äußern“, entgegnete EN-Trainer Thomas Seeliger auf Nachfrage.

„Das war verachtend und entwürdigend!“

"Die noveski.com Lupe": Ein Bild später bleibt auch der Oberschenkel/die Hüfte von Blunck nicht verschont.

„Wir haben 0:6 verloren, sind raus aus dem Pokal. Norderstedt hat verdient gewonnen und war die bessere Mannschaft. Aber der Weg dahin ist eine Frechheit! Das hat überhaupt nichts mit Norderstedt zu tun, denn die haben sich sauber verhalten“, stellte Woike klar und führte aus: „Wir kommen aus der Halbzeit, haben uns einiges vorgenommen und kriegen dann so eine Gelb-Rote Karte. Da war das Spiel mehr oder minder entschieden. Ganz im Ernst: das ist eine Frechheit! Und ich muss das auch in dieser Form sagen – denn es ist leider nicht das erste Mal, dass wir klar benachteiligt werden. Bei einem 0:6 habe ich keine Argumente. Aber wir kriegen bei 0:1 einen klaren Elfmeter nicht und beim Stand von 0:2 eine Gelb-Rote Karte, wo unser Spieler zuvor angegangen wurde und deutliche Spuren davongetragen hat. Sowas ist für mich wirklich nur ganz schwer hinnehmbar. Und dann muss ich mir da draußen auch noch Kommentare anhören, wo ich im Nachhinein sehr glücklich darüber bin, dass ‚Femi‘ neben mir saß. Das war nämlich verachtend und entwürdigend! So etwas kann ich auch nicht stehen lassen.“

Condors Michael Blunck (l.) gegen Doppeltorschütze Drinkuth. Foto: noveski.com

Zum Sportlichen – denn der Start in diese Begegnung hatte es mehr als nur in sich: es dauerte keine 17 Sekunden, bis die Nummer 17 im Eintracht-Dress zuschlug! Weder Alexander Krohn noch Isaak Hoeling bekamen die Kugel geklärt. Ein Geschenk, das Felix Drinkuth danken annahm – 1:0 EN (1.)! „Das war natürlich ein Auftakt nach Maß“, freute sich Seeliger. Nach zwei Mini-Möglichkeiten auf etwas Zählbares und besagter Szene aus der 22. Minute erhöhte das Seeliger-Ensemble gegen defensiv häufig viel zu offen agierende „Raubvögel“, weil sich Anders gegen Linus Meyer nur mit einem Foulspiel zu helfen wusste. Den fälligen Freistoß aus 22 Metern halblinker Position zirkelte „Captain“ Koch mit Ansage in den linken Giebel (28.)! Da Krohn gegen Zekjiri (30.) und Theis gegen Meyer (45.) jeweils auf der Linie retteten, ging die Pausenführung für die Gäste vollauf in Ordnung. Aber wie wäre das Spiel gelaufen, wenn es nach 22 Zeigerumdrehungen einen Pfiff gegeben hätte? Hypothetisch! Nach dem 17-Sekunden-Schock zu Beginn folgte der nächste Dämpfer mit dem abenteuerlichen Platzverweis gegen Anders unmittelbar nach Wiederanpfiff. Nun hatten die Garstedter leichtes Spiel. Linus Meyer – nach tollem Kevac-Diagonalball und Drinkuth-Querpass (57.) –, Lüneburg – nach Koch-Pass in die Tiefe (63.) –, erneut Drinkuth – vollendete ein Marxen-Solo über rechts (68.) – sowie Meyer, der nach einer abermals sehr fragwürdigen Entscheidung Porschs per Strafstoß das halbe Dutzend vollmachte (69.), schraubten das Endresultat in die Höhe. Zuvor soll Krohn gegen Toksöz unfair zu Werke gegangen sein.

„Ich hätte nicht gedacht, dass es so deutlich wird“

Hier vollstreckt Linus Meyer (r.) eiskalt zum 3:0. Foto: noveski.com

„Wir haben schöne Tore erzielt und ich glaube, wenn man so ein Ergebnis sieht, dann kann man auch zufrieden sein“, bilanzierte Seeliger. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so deutlich wird. Wir haben in der Vorbereitung ja schon gegen Condor gespielt und wissen, dass die Mannschaft eine gute Qualität hat. Aber es gibt halt Dinge im Spiel, die geben dir eine breite Brust und andersrum knickt eine Mannschaft dann ein. Spätestens nach dem 3:0 war das Ding gegessen.“ Sein Gegenüber nahm den „Blitz-Schock“ wie folgt auf: „Damit haben wir natürlich nicht gerechnet – wir hatten es nach zwei Minuten eingeplant“, war Woike wieder gewohnt süffisant unterwegs. „Das war natürlich eine super blöde Situation!“ Doch was dann folgte, verschlug ihm fast die Sprache. „Das ärgert mich wirklich ungemein! Ich finde nicht, dass wir bis dahin die schlechtere Mannschaft waren, wir haben uns gewehrt“, geht der Übungsleiter noch einmal auf die vermeintliche Elferszene ein. „Klar ist, dass unser Spieler da früher abschließen muss, aber er wird dann nun mal gefoult. Das ist für mich eine glasklare Einflussnahme aufs Spiel! Die Chance wäre da, dass der reingeht und es 1:1 steht. Dann wird es ein anderes Spiel und Norderstedt kommt vielleicht auch nochmal ins Überlegen. Es ist gar keine Frage, dass sie in der ersten Halbzeit die hochkarätigeren Möglichkeiten hatten, aber damit war auch vorher zu rechnen. Die Chancen, die wir hatten, haben wir erst nicht gut ausgespielt und dann wurden sie uns verwehrt. Wir alle wissen, wie der Fußball manchmal läuft. Norderstedt verliert am Wochenende 0:2 und führt hier nach 17 Sekunden mit 1:0. Es ist doch klar, dass es denen in die Karten spielt und viel bringt. Aber vielleicht steht es nach 20 Minuten 1:1 – dann kann das Spiel eine andere Statik nehmen.“

Der LIVE-Ticker zum Spiel:

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