„Das Aushängeschild des Vereins“

Hamburgs Traditionsplätze – Stadion Hoheluft / von Dirk Becker

06. März 2013, 09:11 Uhr

Die Hauptribüne im hölzernem Ambiente.

Die Reise zu den Hamburger Traditionsplätzen führt dieses Mal in den Stadtteil Hoheluft, wo die Hansestadt in zentraler Lage auf eine wahre Perle baulicher Fußballkultur blickt. Die Rede ist vom altehrwürdigen Stadion Hoheluft, das an der Ecke Martinistraße/Lokstedter Steindamm seinen Standort hat und in dem seit jeher der SC Victoria Hamburg seine Heimspiele austrägt.

„Ich mag das Stadion. Man kann die Fußballvergangenheit förmlich riechen“, sagte unlängst Vickys spansicher Neuzugang Juan Angel Seguro Rodriguez, dem die große Bühne des Ballsports aus früheren Tagen bestens bekannt ist. Vor heißblütiger Kulisse lief der 29-jährige Mittelfeldspieler bereits gegen den FC Barcelona und Real Madrid auf. Nun nennt er das Victoria-Stadion seinen neuen sportlichen Hafen. Beinahe wirkt es wie ein Ritterschlag für den abstiegsbedrohten Regionalligisten, dass ein derart beschlagener Akteur für die Hamburger kickt und die Tradition des Klubs und seiner Spielstätte in diesem Maße zu schätzen weiß. Sicherlich: die Victorianer haben schon ansprechendere Zeiten erlebt – gegen den SV Meppen fanden sich zum Ligaspiel kürzlich gerade einmal 184 Zuschauer ein –, doch in puncto Glanz und Ansehen muss man sich bei Vicky generell nicht grämen.

Ein historischer Faktenabriss: 1907 erwarb der Verein das Gelände unweit des heutigen Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und weihte den Fußballplatz am 22. September mit einem 5:4-Sieg gegen den Deutschen Meister VfB Leipzig ein, wie es im Fußball-Lexikon Hamburg (Die Werkstatt, Göttingen 2006) geschrieben steht. Fünf Jahre später holte Victorias heutiger Ligarivale Holstein Kiel nach einem 1:0 über den Karlsruher FV vor 10.000 Zuschauern an selber Stelle die Deutsche Meisterschaft. Gar 37.000 Besucher lockte das Endspiel um die britische Zonenmeisterschaft zwischen dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli (6:1) an die Hoheluft. Und zwischen 1911 und 1940 kam der Wettkampfplatz zu Länderspielehren. Fünf Begegnungen wurden insgesamt im Stadion Hoheluft ausgetragen.

Schwindende Zuschauerzahlen

Der Andrang am Kassenhäusen ist gegenwärtig überschaubar.

„Da Fußball die Hauptrolle im Verein spielt, ist das Stadion das Aushängeschild des Vereins“, meint Heinrich Helmke, zweiter Vorsitzender des SC Victoria, wo man stolz ist, eine der ältesten überdachten Tribünen Deutschlands zu haben. Dass eben jene heutzutage nur selten prall gefüllt ist, nimmt man mit einem traurigen Auge zur Kenntnis – auch im Hinblick auf fehlende Einnahmen. Helmke: „Natürlich wünschen wir uns mehr Zuschauer. Bis auf unsere Fangruppe Nordkaos ist der Zuschauerstamm recht alt und zudem leider stark ausgedünnt. Da heute auch im Sport nur noch Superlative zählen, haben Maßnahmen zur Zuschauergewinnung kaum Erfolg. Hilfreich ist daher ein auf viele Personen verteilter Sponsorenkreis.“

Der Prunk früherer Tage, als Victoria zu den Spitzenklubs des deutschen Ligafußballs gehörte, ist passé. Eine Ausnahme stellen indes noch die DFB-Pokalspiele dar. Im August 2012 war es Bundesligist SC Freiburg, der an der Hoheluft vor 4375 Zuschauern seine Visitenkarte abgab (1:2). Zwei Jahre zuvor hatte der Verein mit dem „V“ auf der Brust auf heimischer Wiese sensationell den Zweitligavertreter RW Oberhausen aus der ersten Pokalrunde gekegelt (1:0, direkter Freistoß Stephan Rahn), ehe man wenig später im Millerntor-Stadion des FC St. Pauli gegen den VfL Wolfsburg den Kürzeren zog (1:3).

„Das alte war richtig geil“

Wer liebt sie nicht, die dritte Halbzeit? 100 Meter sind es noch bis zum Ziel.

Die Grundvoraussetzung, dass an der Hoheluft auch höherklassiger Fußball ausgetragen werden kann, wurde zur Saison 2008/09 geschaffen. Seiner Zeit wurden aufwendige Renovierungsarbeiten durchgeführt. Die DFB-Anforderungen für die Regionalliga, die unter anderem einen separaten Gästeeingang und Zäune vorsehen, konnten somit erfüllt werden. Bert Ehm, langjähriger SCV-Coach und heute Übungsleiter beim TuS Germania Schnelsen entsinnt sich: „Nach den Umbauten, die die Lizensierung verlangte, hat das Rund etwas an Charme verloren. Wenn Zuschauer da sind, dann kommt natürlich auch Atmosphäre auf. Es ist für mich natürlich ein ganz besonderes Stadion. Das alte war richtig geil, ich habe richtig schöne Erinnerungen an die großen Begegnungen. Für Hamburg bietet eigentlich nur die Hoheluft die Möglichkeit, solche Spiele auszurichten. Die beiden Profi-Arenen sind zu groß.“

Wer sich zu sehr an den infrastrukturellen Veränderungen am Vicky-Stadion stößt, dem sei ein Besuch in der Victoria-Klause ans Herz gelegt. In ursprünglicher Atmosphäre kann man sich in der Vereinsgaststätte, die sich erstklassiger Lage unterhalb der Haupttribüne befindet, ein kühles Bierchen gönnen. „Durchaus empfehlenswert“, weiß auch Victorias Außenverteidiger Sergej Schulz zu berichten ...