Regionalliga Nord

„Die Jungs müssen einfach lernen, dass sie nicht mehr in der Oberliga spielen!“

06. August 2023, 18:37 Uhr

Zwei Tore erzielte Bennet Winter (li.) - hier im Duell mit Can Yildiz - beim 4:1-Sieg der sankt paulianischen U23 beim Eimsbütteler TV, weitere hätten noch dazukommen können. Foto: Heiden

In der vergangenen Woche erzielte er den ersten Treffer für den Eimsbütteler TV nach dem Aufstieg in der Regionalliga Nord. Für etwas Zählbares reichte es beim „Lehrgeld-reichen“ Auftaktspiel bei Mit-Neuling SC Spelle-Venhaus (2:3) dennoch nicht. Und auch bei der „historischen Premiere im Sportpark Eimsbüttel“, wie der Stadionsprecher vor dem Spiel ankündigte, ließ Maurice Boakye den Eimsbütteler TV zunächst auf den ersten Sieg in der vierthöchsten Spielklasse hoffen. Doch nach ganz starken 30 Minuten ging den Atamimi-Kickern die Puste aus, die U23 des FC St. Pauli zeigte ihre Klasse – und der ETV zahlte mit leichtsinnigen und naiven Fehlern abermals jede Menge Lehrgeld (alle Highlights im LIVE-Ticker)!

Da war die ETV-Welt noch in Ordnung, als Maurice Boakye (re.) die furiose Anfangsphase mit dem Führungstor krönte. Foto: Heiden

Die Euphorie war groß – und das Stadion an der Hagenbeckstraße mit 818 zahlenden Zuschauern offiziell ausverkauft. Die Stimmung war gut, der ETV richtig heiß. Unmittelbar vor dem Anpfiff applaudierte die gesamte Mannschaft den Besuchern auf der Tribüne zu – und nahm das Feuer gleich mit in das Derby. „In der ersten halben Stunde waren wir klar besser“, sah Khalid Atamimi einen bockstarken Beginn seiner Mannen. „Insbesondere, wie wir uns von hinten rausgespielt und den Ball laufen lassen haben.“ Die Krönung: Maurice Boakye veredelte eine herrliche Stafette über Oskar Lenz und Henok Tewolde zur viel umjubelten Führung (21.)!

Winter artistisch im "Sommer"

Ausgerechnet der ehemalige ETVer Peer Mahncke (re.) erzielte das 2:1 für die Gäste unmittelbar nach der Pause. Foto: Heiden

„Wir waren schon darauf vorbereitet, dass der ETV sehr engagiert und offensiv Anlaufen wird, haben aber nicht die Ruhe im Spiel gefunden und viele unnötige Ballverluste gehabt“, konstatierte Elard Ostermann, fügte aber gleichzeitig an: „Es war gut, wie wir nach dem Rückstand reagiert, das Heft in die Hand genommen und das Spiel kontrolliert haben.“ Oder wie Atamimi meinte: „Mit dem Ausgleichstor ist St. Pauli brutal reingekommen.“ Ein Treffer, der für den ETV-Coach schon jetzt „eines der schönsten Tore in dieser Saison sein wird“, wie er hinterher meinte. Per Fallrückzieher aus zwölf Metern besorgte Bennet Winter traumhaft das 1:1 (30.)!

"In diesem Moment war das für mich die einfachste Lösung"

Malik Yago (re.) machte den kapitalen Fehler vor dem 1:3 und vertändelte auf der Sechser-Position leichtfertig den Ball. Foto: Heiden

„Man braucht auch das Glück, so einen Ball in der richtigen Höhe und dann so zu treffen. Letztendlich habe ich auf mein Bauchgefühl gehört. Es war in diesem Moment für mich die einfachste Lösung, den Ball noch irgendwie aufs Tor zu bringen“, erklärte der Schütze sein artistisches Kunststück, das Ostermann ganz und gar nicht überraschte: „Das sieht man häufiger bei ihm und ist schon so etwas wie sein Markenzeichen. Wie der Ball reingemacht wird, ist mir letztlich egal. Hauptsache der Ball ist im Tor“, so seine nüchterne Analyse. Während Atamimi haderte: „Das geht einfach nicht, dass wir im eigenen Strafraum den Gegner mit dem Ball jonglieren lassen.“

Praktisch mit dem 1:1 schien die Luft beim ETV raus zu sein, das anfängliche Feuerwerk komplett verpufft. Vielmehr zahlte man nun wieder Lehrgeld. „Ich weiß nicht, ob das einfach Pech oder Naivität von unseren Jungs ist, dass wir direkt nach der Pause das 1:2 bekommen. Das hat uns so ein bisschen das Genick gebrochen“, sprach Atamimi auf eben jene Szene an, als Kapitän Finn Schütt vor der Ausführung eines Eckballes verletzt ausgewechselt werden musste und sein Team offenbar ein wenig Spannung und Konzentration verlor. Denn: Den ruhenden Ball von Marc Dühring köpfte Niklas Bär beim Klärungsversuch in Richtung eigenes Tor. Von der Latte prallte der Ball auf den Kopf von Peer Mahncke, der keine Mühe mehr hatte (51.)! Ausgerechnet Mahncke, der in der Jugend für den ETV kickte.

Naive Fehler werden eiskalt bestraft

In der Folge spielte nur noch eine Mannschaft – mit einer Ausnahme: Erneut war es M. Boakye, der Pascal Kokott aus zwölf Metern zu einem Riesenreflex zwang (56.). Statt des 2:2-Ausgleichstreffers fiel wenig später das 1:3 aus Hausherren-Sicht. Ein überaus leichtsinniger Ballverlust von Malik Yago auf der Sechser-Position flog den Eimsbüttelern postwenden um die Ohren. Julian Ulbricht steckte für Winter durch – 1:3 (65.)! Ähnliches Spiel vor dem 1:4: Diesmal leistete sich Can Yildiz den Bock. Mika Clausen sah Robin Müller starten – 1:4 (82.)! „Die Jungs müssen einfach lernen, dass sie nicht mehr in der Oberliga spielen“, forderte Atamimi – denn: „Wenn du in dieser Liga einmal Druck bekommst, dann wird das sofort bestraft. Das geht einfach nicht – und das müssen wir lernen.“

"Werden sehen, ob sich die Jungs daran akklimatisieren können"

Khalid Atamimi lebte die Emotionen an der Seitenlinie vor und war immer wieder lautstark zu hören. Am Ende half seinem ETV auch das nichts. Foto: Heiden

Er hoffe, so Atamimi weiter, „dass die Jungs das mitnehmen und für sich sagen: Wir können Regionalliga!“ Und nicht: „Wir können Regionalliga nur für 40 Minuten und für den Rest ist keine Kraft mehr da.“ Denn so schien es fast, als hätte der Aufsteiger sein Pulver in der ersten halben Stunde komplett verschossen. „Entweder du kannst mit dieser Energie und diesem Tempo bis zur letzten Minute spielen – oder halt nicht. Wenn du das Tempo nicht gehen kannst, bist du vielleicht in der falschen Liga. Aber das werden wir nach vier, fünf Spielen sehen, ob sich die Jungs daran akklimatisieren können oder eben nicht“, fand der 32-Jährige deutliche Worte.

Dazu meinte sein Gegenüber: „Das ist ja oft bei einem Aufsteiger so, dass er am Anfang einer Saison den einen oder anderen Fehler macht, den er nachher nicht mehr begeht. Deshalb sind wir ganz froh, zu Beginn gegen den ETV gespielt zu haben. Aber das soll unsere Leistung nicht schmälern. Wir hatten viele gute Pressingsituationen und Umschaltmomente“, und trat letztlich als hochverdienter Sieger die Heimreise an.

Autor: Dennis Kormanjos

Aufstellungen

Eimsbütteler TV

Noch keine Aufstellung angelegt. (werde jetzt Teammanager dieser Mannschaft)

FC St. Pauli (U23)

Noch keine Aufstellung angelegt. (werde jetzt Teammanager dieser Mannschaft)