Testspiel

Ein Sieg, der zur Nebensache wird: Netzbandt-Schock trübt Türkiye-Triumph!

30. Juni 2023, 23:47 Uhr

Michel Netzbandt (Mi.) hat sich im Test seines FC Türkiye beim Hansa-Landesligisten SC V/W Billstedt (4:3) schwer verletzt und wird einige Monate ausfallen. Foto: Rafael Majewski

Eine halbe Stunde war am Öjendorfer Weg im Testspiel zwischen dem SC V/W Billstedt und dem FC Türkiye vorüber – und bis zu diesem Zeitpunkt lief es für die Gäste aus der Oberliga eigentlich richtig rund. Nach einem kapitalen Fehlpass von Neuzugang und Kapitän Steven Lindener vollendete Albin Bektesi eine Stafette über Taktgeber Luis Hacker und Michel Netzbandt zur Führung (10.). Doch dann wurde es urplötzlich mit einer einzigen Szene sehr unrund – und fast schon tragisch für die Wilhelmsburger. Der Netzbandt-Schock! Aber was genau war passiert?

Das 1:0 bereitete er vor, ehe Michel Netzbandt nach einer halben Stunde der Verletzungsschock ereilte. Die Schulter ist kaputt! Gute Besserung! Foto: Rafael Majewski

Der ehemalige Billstedter Beraat Sarikaya steckte einen eroberten Ball ohne Umschweife auf Michel Netzbandt durch. Der Torjäger des FC Türkiye sah sich der Gegenwehr von Marshall Murray Ngassa Faleu und Steven Lindener gegenüber, kam letztlich aber nur gegen Keeper Sulejman Hoxha einen Schritt zu spät. So weit, so gut. Nicht aber für Netzbandt, der ins Straucheln kam und zu Boden sank. Was anfangs relativ harmlos aussah, entpuppte sich prompt als folgenschweres Missgeschick. Der hinter Ex-Profi Martin Harnik (46) mit 29 Treffern zweitbeste Oberliga-Torschütze der vergangenen Saison signalisierte sofort in Richtung Bank: „Schulter ausgekugelt!“

Für Netzbandt ging es nicht weiter. Stattdessen wurde er mit gesenktem Kopf und bedrückter Miene auf der Bank von der Physiotherapeutin ärztlich versorgt. Unmittelbar vor der Pause trafen auch zwei Sanitäter ein, die sich um das Befinden des 27-Jährigen sorgten. Als der Halbzeitpfiff ertönte, führte der erste Gang von Neuzugang Luis Hacker zum verletzten Goalgetter, der ins Krankenhaus musste. Die bittere Diagnose: Schultereckgelenksprengung und alle Bänder gerissen! Damit wird Netzbandt seinem FC Türkiye mindestens drei Monate, wenn nicht gar noch länger, fehlen.

"Momentan sind alle noch geschockt"

Vorwärts-Wacker-Neuzugang Ian-Prescott Claus stellte seine Torgefahr unter Beweis und machte aus einem 0:2 ein 2:2. Foto: Rafael Majewski

Kein Wunder also, dass sein Trainer auch einige Zeit nach Abpfiff noch unter dem Eindruck des Ausfalls seiner „Tormaschine“ stand. „Am Ende kann das Spiel auch 4:4 oder 6:6 ausgehen. Es überwiegt natürlich der herbe Verlust von Michel. Momentan sind alle noch geschockt“, so Daniel Sager, für den das Ergebnis absolut zweitrangig war. „Das Spiel war insgesamt nicht gut“, befand er – und fügte an: „Man merkt, dass wir ziemlich tief in der Vorbereitung stecken.“ Nach dem frühen 1:0 habe man aufgehört, weiterzuspielen, wurde zu hektisch mit Ball und verkörperte nicht mehr die vorherige Ruhe. Zudem bemängelte Sager die Zweikampfführung, aber auch, dass man nicht mehr die Wege gemacht habe.

Claus gleicht aus, Karaca legt doppelt drauf

Ein torreicher Test, bei dem munter durchgewechselt und hart geschuftet wurde. Die V/W-Spieler wurden jeweils 45 Minuten zur Spinning-Session gebeten. Foto: Rafael Majewski

Zwar gelang nach dem Netzbandt-Schock noch das 2:0, als diesmal Wacker-Keeper Hoxha ein Geschenk in die Füße des Gegners verteilte, welches Daniel Weiß nach Zuspiel von Bektesi anzunehmen wusste (39.). Aber die Billstedter schlugen unmittelbar vor sowie nach der Halbzeit zurück. Beide Male erwies sich Top-Zugang Ian-Prescott Claus als der erhoffte Vollstrecker (44., 49.). Per Doppelschlag brachte Hasan Karaca den Erfolg aber wieder auf den Weg. Erst nach schöner Stafette, dann per Einzelaktion mit Hilfe der Unterkante der Latte (62., 66.). Die Taytanli-Truppe kam nur noch zum Anschluss durch Enis Djebbi zum 3:4-Endstand (78.).

„Die zweite Halbzeit war sehr gut. Da hatten wir über weite Teile eine gute Dominanz drin, haben vorne gut gepresst und sind auch zu Chancen gekommen. Aber in der Rückwärtsbewegung hat man gesehen, dass es da noch an der Abstimmung fehlt. Wir sind nun mal noch in der Findungsphase. Aber ich bin guter Dinge, dass wir in den nächsten Wochen gut zueinander finden werden“, bilanzierte V/W-Co-Trainer Samy Nowak, der den krankheitsbedingt fehlenden Chefcoach Ümit Taytanli an der Seitenlinie der Hausherren vertrat.

"Die Bereitschaft, über den Punkt zu gehen, war nicht da"

Hasan Karaca (li.) kam in den zweiten 45 Minuten zum Einsatz - und überzeugte per Doppelpack zur zwischenzeitlichen 4:2-Führung für Türkiye. Foto: Rafael Majewski

Türkiye agierte in der zweiten Halbzeit aus der Tiefe heraus, aber zu fehlerbehaftet – „und nicht mehr miteinander“, wie Sager kritisierte. „Die Bereitschaft, über den Punkt zu gehen, war heute nicht da.“ Auch wenn der Trainer der Wilhelmsburger „zwei, drei Lichtblicke“ sah, seien die Gegentore „brutal schlecht verteidigt“ gewesen. Nichtsdestotrotz verteilte er auch ein Lob, dass die Spieler trotz der Strapazen „sehr gut mitziehen“. Apropos Strapazen: Für die Wilhelmsburger war es das erste von drei Testspielen in drei Tagen. Am Samstag geht es zum FC Süderelbe. Am Sonntag dann daheim gegen den HSV III. In beiden Spielen ohne Michel Netzbandt. Von dieser Stelle die allerbesten und schnellstmöglichen Genesungswünsche!

Autor: Dennis Kormanjos