Elfer, emotional erregte „Elstern“ und ein Last-Minute-Sieger
Sasel triumphiert in der 97. Minute vom Punkt aus gegen acht Bergedorfer
Kollektiver Jubel: Sasels Spieler und die Besetzung der TSB-Bank freuen sich über den Siegtreffer in der 97. Minute. Foto: noveski.com/Albiser
Alen Brandic warf seine Fußballschuhe zu Boden. Erst den rechten, dann den linken. Und dann schließlich auch seine beiden Torwarthandschuhe. „Das ist nicht mehr lustig. Das ist eine Katastrophe“, brüllte der Torhüter des FC Bergedorf 85 vor der Umkleidekabine für jeden Umstehenden laut vernehmbar und legte nach: „Ich habe keine Lust mehr auf Fußball in Deutschland.“ Und zu seinem Trainer Matthias Räck gewandt beschied der Schlussmann der „Elstern“ sogar: „So bleibt Sasel die Nummer eins. Nur so. Da können wir auch gleich aufhören.“
Adomat verwandelt unbeeindruckt vom Elfmeterpunkt zum Endstand
Der Moment der Entscheidung: Der Elfmeter von Timo Adomat (Nummer 25) geht an Bergedorfs Keeper Alen Brandic vorbei ins Netz. Foto: noveski.com/Albiser
Kurzum: Brandic war sauer, mächtig sauer. Wer wollte es ihm auch verdenken: 90 reguläre und sechs Nachspiel-Minuten hatte der „Goalie“ der Hausherren im Heimspiel gegen den TSV Sasel sein Tor sauber gehalten. Dann aber lief die nunmehr siebte Minute der „Overtime“: Sasels Ken Niederstadt kam im Strafraum der Bergedorfer zu Fall, Schiedsrichter Benjamin Stello pfiff und deutete auf den Punkt – Elfmeter! Die „85“-Akteure protestierten vehement, Stello blieb bei seiner Entscheidung. Als sich alles wieder beruhigt hatte, lief Timo Adomat an. Brandic ahnte die Ecke, doch der Schuss des Saselers schlug rechts vom Schützen aus gesehen im Netz ein – 1:0 für den Spitzenreiter im Auswärtskick beim bisherigen Tabellenvierten. Stello führte die Pfeife noch einmal zum Mund und beendete mit dem finalen Pfiff die Partie. Anschließend musste der Unparteiische von mehreren Ordnern in die Kabine begleitet werden.
Nun kann so ein Elfmeterpfiff im letzten Moment des Spiels immer vorkommen, dass der Unmut der Bergdorfer sich jedoch multiplizierte, lag an diversen vorherigen Szenen, die sich im Spielfilm des Matches an den Sander Tanenn vor der spärlichen Kulisse von gerade einmal 70 Zuschauern abgespielt hatten. Da war zum Beispiel die 68. Minute: Sasel hatte einen Angriff der Bergedorfer unterbunden und schickte sich an, selbst nach vorne zu spielen. Einer der Gäste-Akteure befand sich im Laufduell mit dem Bergedorfer Anto Zivkovic, als der Saseler Spieler plötzlich zu Boden ging. Er war von Zikvovic mit der Hand im Gesicht getroffen worden. Schiri Stello eilte herbei und zeigte Zivkovic ohne zu zögern die Rote Karte. „Anto ist voll im Sprint. Jeder Spieler hält sich in so einem Duell seinen Gegenspieler vom Leib. Er guckt im Laufen nicht hin, wo sein Gegenspieler ist. Er will ihn sicher nicht im Gesicht treffen. Das ist für mich keine klare rote Karte, da kann man auch eine gelbe geben. So eine Szene passiert 17 Mal in einem Spiel“, beurteilte „85“-Coach Matthias Räck das Geschehen.
Nach Zivkovic „fliegen“ auch Maskaljevic und Betzin vorzeitig
Der erste der drei Platzverweise: Schiedsrichter Benjamin Stello zeigt Anto Zivkovic die Rote Karte. Foto: noveski.com/Albiser
Aus der Sicht von Danny Zankl sah das hingegen anders aus. „Er guckt sehr wohl nach hinten und holt dann aus“, ging Sasels Trainer mit Stellos Entscheidung konform. Immerhin: Die zweite Szene, die die Gemüter erhitzte, beurteilten beide Übungsleiter einheitlich. Was war passiert? Djuro Maskaljevic fuhr an der Seitenlinie rustikal Yannik Reinke von hinten in die Parade. Für Referee Stello eindeutig ein grobes Foulspiel mit der logischen Konsequenz, dass der nächste Bergedorfer nach 73 Minuten vorzeitig mit „Rot“ vom Platz musste. „Die Aktion von Maskeljevic ist dumm. Er hatte zu dem Zeitpunkt schon eine Gelbe Karte. Ganz ehrlich: Da muss man als Journalist einfach schreiben, dass das dumm ist, was er da macht. Er schadet durch so einen Scheiß nur der Mannschaft. Die Karte war absolut gerechtfertigt“, stellte Räck fest, während Zankl das Foul des Kroaten eben falls als „Dummheit und klare Rote Karte“ bewertete.
Als ob dies nicht bereits Ärger genug heraufbeschworen hätte, kam es für „85“ noch schlimmer: Beim Stand von 0:0 musste in der 92. Minute dann auch noch Gerrit Betzin runter. Bereits verwarnt, handelte er sich die „Ampelkarte“ ein, als er vor der Ausführung eines Einwurfs den Ball weiter warf. Ob zu seinem Gegenspieler, damit dieser den Einwurf ausführen konnte, oder einfach weg, um auf Zeit zu spielen – das vermochte Räck nach der Partie nicht zu sagen. „Ich habe die Szene nicht hundertprozentig gesehen“, so der Trainer der inzwischen emotional aufgeheizten „Elstern“. Schiri Stello jedenfalls wertete es als Wegwerfen des Balles, während sich Betzin Sekunden später nach seiner postwendend erfolgten Bestrafung wütend sein Trikot vom Körper riss und vor der Bank zu Boden pfefferte. Beinahe schlimmer als der dritte Platzverweis für die Bergedorfer: Durch die Diskussionen und die Rudelbildung in genau dieser Szene sah sich Stello genötigt, die zuvor angezeigten drei Minuten Nachspielzeit noch einmal auszuweiten. Nachvollziehbar – aber aus Sicht der Hausherren das Todesurteil, weil in eben jener 97. Minute schließlich noch der Elfmeterpfiff folgte. Das Ende ist bekannt...
Danny Zankl: „Ich fand uns fußballerisch einen Tick besser“
Trieb seine Mannen letztlich umsonst nach vorne: Bergedorf-Trainer Matthias Räck. Foto: noveski.com/Albiser
Apropos Ende: Vielleicht hätte die Partie einen ganz anderen Verlauf und einen anderen finalen Akt erlebt, wenn sie anders begonnen hätte – und das war durchaus im Bereich des Möglichen: Noch nicht einmal 30 Sekunden waren gespielt, da hatte Betzin den Ball am Fuß und feuerte das Leder aufs Saseler Tor. Die Kugel klatschte an den Pfosten. „Wenn wir in der ersten Minute gleich das Tor machen, wird das ein ganz anderes Spiel“, war sich Matthias Räck sicher, „letztlich ist der Sieg so natürlich ein schönes Geschenk für Sasel.“ Dabei hatte das Räck-Ensemble selbst nach dem Hochkaräter von Betzin noch zwei weitere Chancen auf die Führung: Erst vergab Maskaljevic (2.), dann feuerte Zivkovic das Leder nach einem Freistoß fünf Meter vorm Tor – TSV-Schlussmann Maximilian Richter hatte einen Rückpass unerlaubter Weise mit der Hand aufgenommen – in die Mauer, statt quer auf einen seiner Mitspieler zu legen.
„In den ersten fünf Minuten hatten wir sicher das Glück auf unserer Seite“, gestand nach dem Spiel auch TSV-Trainer Danny Zankl ein, der seine Equipe „fußballerisch einen Tick besser“ als den Gegner gesehen hatte – und das, obwohl weder Benedikt Neumann-Schirmbeck (17 und 39., jeweils per Kopf), Tobias Steddin (37., Schuss aus 20 Metern) und Tolga Celikten (62., abgefälscht) die nicht unbedingt gerade Angst einflößenden Offensivbemühungen der Gäste zu einem erfolgreichen Ende brachten. „Ich bin trotzdem zufrieden. Auf diesem Rasen musst du halt anders spielen als wir es zuhause auf unserem Kunstrasen am Parkweg tun. Außerdem ist Bergedorf auch kein leichter Gegner. Ich finde, wir haben das gut gemacht. Dass hier am Ende so eine Hektik aufkommt, ist nicht unsere Schuld“, resümierte der Coach, während Achim Zankl, seines Zeichens langjähriger Liga-Obmann bei den „Parkweglern“, es kurz und knapp ziemlich treffend auf den Punkt brachte: „Ich hatte auf einen dreckigen 1:0-Sieg für uns getippt. Aber ich hab' nicht gedacht, dass der so dreckig wird...“
Jan Knötzsch