Entert(r)ainer Breitmeier und die Erfolgsfaktoren „Weglaufen und Kinderziehung“

„Dorfverein“ SV Börnsen plötzlich in der Spitzengruppe der Bezirksliga Ost

23. September 2016, 13:17 Uhr

Neuer Trainer, neue Erfolge: Mike Breitmeier (Mitte) nahm beim SV Börnsen einige Veränderungen vor und wird derzeit mit Platz zwei belohnt. Foto: noveski.com/Bode

Die vergangene Spielzeit beendete der SV Börnsen in der Bezirksliga Ost auf dem siebten Rang. In der laufenden Saison steht die Mannschaft derzeit punktgleich mit Spitzenreiter ASV Hamburg auf dem zweiten Platz. Und das, wo sich das Gesicht der Truppe im Vergleich zum Vorjahr doch kaum geändert hat. Im Gespräch mit den FussiFreunden erklärt der neue Trainer Mike Breitmeier den Aufwärtstrend und tritt zugleich auf die berühmte Euphoriebremse. 

Als Mike Beitmeier eine der ersten Traininsgeinheiten beim SV Börnsen leitete, da blickte er in große, überraschte und fragende Augen. Der 45-Jährige hatte seinen Schützlingen soeben erklärt, wie er künftig denn zu spielen gedenke und dabei sinngemäß erwähnt, dass seine Spieler aus der Viererkette erstmal quasi nach hinten rennen sollten, wenn der Gegner den Ball hat. „Am Anfang ist das ein paar Mal schief gegangen. Die Jungs sind wirklich davon gerannt, egal wo der Gegner auf dem Feld an den Ball kam“, lacht Breitmeier. 

Vieles verändert: Von der Viererkette bis hin zur Art der Ansprache

Sebastian Busch ist einer der Leistungsträger des SV Börnsen in dieser Saison. Foto: noveski.com/Bode

Gemeint aber war etwas anderes. „Ich habe die Mannschaft in der vergangenen Saison drei oder vier Mal gesehen. Schon im zweiten Spiel war mir klar, dass ich etwas anders machen will: Die Viererkette stand mir zu hoch, war zu anfällig für Konter. Also habe ich den Jungs erstmal gesagt, dass wir quasi wegrennen und uns so 23 Meter vor dem Tor formieren“, geht Breitmeier ins Detail. Inzwischen sind Sinn und Zweck dieser Anweisung bei den Spielern des SV Börnsen angekommen. „Den Jungs ist es in Fleisch und Blut übergegangen, wie und wann sie die hinten diese Ordnung herstellen müssen“, verrät Breitmeier.

Ein kleiner erster Erfolg. Einer von vielen, die bei Breitmeiers neuem Club derzeit den großen Gesatmterfolg bedingen. Vor der Saison wurde das Team personell kaum verändert. Mit Jannik Krienke und Tim Geppert kamen nur zwei externe Neue hinzu. Der Rest der Truppe blieb zusammen. Eine eingeschworene Gemeinschaft also. Vielleicht auch einer der Faktoren, warum es so gut läuft. Aber: In der vergangenen Serie wurde jenes Spielermaterial Siebter. Ergo: Es muss also mehr dahinter stecken, warum sich der SVB, den Breitmeier positiv gemeint als „Dorfverein“ bezeichnet, auf einmal den Sprung in die Spitzengruppe der Bezirksliga Ost realisierte.

 „Wir haben an einigen Schrauben gedreht, an denen der Verein gern schon länger drehen wollte“, sagt Breitmeier und konkretisiert: „Ich habe einige Dinge verändert. Zudem gehe ich als Trainer nicht ausschließlich nur den Weg als Motivator.“ Letzteres, so weiß man, war unter Breitmeiers Vorgänger Miro Petersen der bevorzugte Weg. „Ich sehe mich als Entertainer“, sagt Beitmeier, „als Trainer bin ich heutzutage mehr gefordert. Ich muss der Mannschaft etwas bieten. Es darf nicht zu eintönig werden.“ 

Breimteier: „Der alte Sack Punert weiß, wo er stehen muss“

"Oldie but go(a)ldie": Frank Punert gelangen schon sieben Saisontore. Foto: noveski.com/Bode

Bestes Beispiel: Die Halbzeitpause des Spiels gegen den TSV Glinde. Zur Pause stand es 0:0. „In der ersten Hälfte waren wir viel zu weit weg von den Leuten. Mit Wohlwollen hätte ich uns die Note vier gegeben“, erinnert sich Breitmeier, „ich wollte in der Pause nicht von oben herab auf die Jungs draufhauen, also habe ich mich erinnert, wie man in der Kindererziehung am besten erfolgreich vorgeht: Auf Augenhöhe, indem man sich zu den Kindern setzt. Also hab' ich mich in der Kabine zwischen die Jungs gesetzt, so als wäre ich ein Spieler. Ich habe ganz ruhig die Fehler angesprochen, um am Ende positiv laut zu werden. Ich habe gesagt, dass wir noch eine Halbzeit haben, um zu zeigen, was wirklich in uns steckt.“

Das Resultat: „Wir sind im zweiten Durchgang wie ausgewechselt aufgetreten“, so Breitmeier, dessen Team am Ende mit 2:0 gewann: „Nach dem Spiel hat mir unser Torhüter Marc Brockmöller auf die Schulter geklopft und gesagt: Das ist dein Sieg, Trainer!“ Auch ein Zeichen dafür, dass es zwischen Trainer und Team passt. „Die Truppe macht Spaß, die Jungs lechzen förmlich nach neuen Aufgaben. Sie entwickeln sich. Wir automatisieren die Dinge nach und nach. Sei es das Verhalten der Viererkette, die Spieleröffnung oder das Verteidigen von Ecken.“ Bei letzterem agiert der SVB statt mit Mann- inzwischen mit Raumdeckung. Mit Erfolg: Erst am 8. Spieltag kassierten die „Breitmeier-Boys“ einen Gegentreffer nach einem Eckball.

Auf der anderen Seite, im gegnerischen Strafraum, sorgt derweil Frank Punert dafür, dass es klappt. Sieben Tore gelangen dem „Oldie“ bisher, dahinter folgen Sebastian Busch und Alexander Tamm mit bisher je vier Saisontreffern. „Der alte Sack weiß, wo er stehen muss. Er ist halt ein Knipser“, sagt Breitmeier über Punert, den er bereits beim TuS Aumühle coachte, „ich weiß ihn zu nehmen und habe keine Probleme mit ihm. Sich die Bälle selbst zu holen, ist eben nicht seine Stärke.“

Eine neue Rolle für Hamester

Von der Sechser-Position nach vorne gerückt: Marcel Hamester. Foto: noveski.com/Bode

Also musste Breitmeier sich eben etwas einfallen lassen und umbauen, damit Punert gut zur Geltung kommt. „Wir haben Marcel Hamester auf eine andere Position gezogen. In der vergangenen Saison war er noch Sechser, ich sehe ihn weiter vorne. Er arbeitet viel für die Truppe, ist zweikampfstark und kann Bälle festmachen, um als Gegenpart für Punert Räume aufzumachen.“

Doch der Erfolg, darauf legt Breitmeier Wert, verteilt sich nicht nur auf Busch, Punert, Tamm oder Hamester, sondern auf viele Schultern. Der derzeit angeschlagene Patrick Steffens sei ein „wichtiger Spieler“ und bei Clemens Brinkmann „wusste ich sofort, dass er vom Typ und vom Intellekt her mein Abwehrchef sein wird.“ Inzwischen, konstatiert Breimteier und lacht „hat er sogar gelernt, laut zu werden und zu reden. Unser Keeper Marc Brockmöller meint schon, dass Clemens die Saison seines Lebens spielt.“

Selbige könnte mit dem Aufstieg gekrönt werden, oder? „Ich muss die Euphorie in der Truppe schon ein wenig bremsen“, gibt Breitmeier zu Protokoll, „die Jungs sind zwar heiß und haben Blut geleckt, aber wir müssen da hin kommen, dass wir nicht nur in Spitzenspielen wie zum Beispiel gegen den ASV Hamburg oder Rahlstedt auftrumpfen, sondern auch Spiele wie gegen Billstedt-Horn oder den TuS Hamburg erfolgreich gestalten. Das sind die Spiele, die du gewinnen musst, wenn du oben dabei bleiben willst...“

Jan Knötzsch