Erste Eintracht Heim-Schlappe: „Kiezkicker“ schreiben Geschichte

Heyne: „Es sind wenig Spieler an ihre Leistung gekommen“

26. November 2017, 20:03 Uhr

Joel Keller (Nr. 5) und sein FC St. Pauli II sind häufiger ihren Norderstedter Verfolgern davon gerannt. Archivfoto: KBS-Picture.de

Im Spiel zwischen Eintracht Norderstedt und der U23 des FC St. Pauli ging es sehr früh hauptsächlich in eine Richtung. Die Gäste dominierten die Partie deutlich. Auch wenn die Eintracht nach dem ersten Gegentreffer schnell antwortete, konnte sie die Niederlage nicht abwenden. EN-Coach Dirk Heyne bemängelte: „Wir hatten überhaupt keinen Zug zum Tor.“ Sein Gegenüber, Joachim Philipkowski, und dessen Kiezkicker waren zudem nicht nur die erste Mannschaft, der es in dieser Saison gelang, im „heimischen Stadion“ drei Punkte zu entführen, sondern sie schrieben zudem auch noch ein neues Kapitel ihrer Vereinshistorie...

Jan-Philipp Kalla sah am Ende des Tages den Sieg als Lohn guter Arbeit. Archivfoto: KBS-Picture.de

Bisher gelang es in dieser Saison keinem Team, Eintracht Norderstedt im Edmund-Plambeck-Stadion zu schlagen. Wie gesagt: Bisher. Denn dieses Mal stand den Garstedtern mit dem FC St. Pauli II eine Equipe gegenüber, die sich mittlerweile bestens mit dem Platz vertraut gemacht haben dürfte, da sie seit geraumer Zeit selbst an der Ochsenzoller Straße beheimatet ist. Der Rasen war jedenfalls nicht leicht zu bespielen, sondern litt ganz offensichtlich unter den Witterungsbedingungen der letzten Tage. „Englischer Rasen sieht anders aus“, scherzte Jan-Philipp Kalla nach dem Spiel. Die Profi-Leihgabe zeigte in diesem Derby über 90 Minuten, genau wie der Rest des Teams, eine gute Leistung. Weshalb er allerdings am heutigen Tage nicht mit den Kiezkickern zum Auswärtsspiel nach Fürth reiste, obwohl er, laut eigenen Angaben, „seit über einem Jahr nicht mehr verletzt und topfit“ sei? Seine Antwort darauf: „Ganz einfach, weil 18 andere Spieler mitgenommen wurden.“ Trotz dessen war für den Sympathieträger am Ende des Tages das Wichtigste, „dass ich 90 Minuten Spielpraxis sammeln konnte.“

Nicht weniger wichtig dürfte für ihn die Tatsache gewesen sein, dass er mit seinen braun-weißen Teamkollegen, so weit es auf dem tiefen und matschigen Boden ging, die Begegnung nicht nur durchgehend dominierte, sondern schlussendlich auch noch als Sieger das Stadion verließ. „Beide Mannschaften hatten mit dem schweren Geläuf zu tun, aber ich glaube, dass wir es geschafft haben, besser damit umzugehen. Wir konnten den Platz besser annehmen. Ich denke, dass wir mehr versucht haben, Fußball zu spielen und dass das am Ende belohnt wurde“, fasste Kalla zusammen. 

Heyne: „Wir haben heute nicht so eine Leistung gezeigt, wie im letzten Heimspiel“

Der starke Kyoung-Rok Choi (vo.) erzielte das erste Tor und bereitete den Treffer zum 3:1 für den FC St. Pauli II vor. Archivfoto: KBS-Picture.de

Insgesamt war es eine Partie, die vor allem in der Vorwärtsbewegung recht einseitig geführt wurde. In der Anfangsphase zeigten beide Mannschaften zwar noch ein gekonntes Stellungsspiel und ließen den Gegner durch das gute Verschieben der eigenen Reihen vor allem mit flachen Pässen kein Durchkommen, aber bereits nach zehn Minuten begann die Zeit der Gäste. Mit Kombinationen und Ballstafetten übten die “Kiezkickerchen“ immer mehr Druck auf die Eintracht aus, die es in der ersten halben Stunde gerade mal zu einer kleinen, aber nicht zwingend gefährlichen, Chance und einen Freistoß brachte, um sich dem gegnerischen Tor zu nähern. Und so war bereits zu erahnen, was dann schließlich in der 31. Minute geschah: Einen hohen Ball von Richard Neudecker leitete Jan-Philipp Kalla mit dem Kopf auf Kyoung-Rok Choi weiter. Der Südkoreaner schüttelte seine beiden Verfolger ab, drang in den Strafraum ein und traf aus 14 Metern rechts unten zum 1:0 für den FC St. Pauli II. Im Anschluss daran wurde vielerorts heiß darüber diskutiert, ob der Treffer aufgrund einer Abseitsposition überhaupt korrekt gewesen sei. EN-Coach Dirk Heyne selbst schmetterte dies aber ab: „Wir müssen nicht darüber diskutieren, ob das Tor aus dem Abseits heraus gefallen ist. Im Endeffekt ist unsere Leistung entscheidend und wir haben heute nicht die Leistung gezeigt, die wir zum Beispiel im letzten Heimspiel gebracht haben.“

Auch deshalb kam es etwas überraschend, dass Norderstedt gerade mal vier Zeigerumdrehungen nach dem Rückstand zum 1:1-Ausgleich traf. Linus Meyer schoss einen Eckstoß direkt vor das Tor. Der hohe Ball flog zunächst an Freund und Feind vorbei, bis Marcus Coffie am zweiten Pfosten zum Flugkopfball ansetzte und das Leder auf Hüfthöhe aus vier Metern ins Gehäuse köpfte. Dass sich die Sankt Paulianer dadurch aber wenig beeindrucken ließen, zeigten sie direkt im nächsten Angriff, als sich Seung-Won Lee nach einer Flanke in die Luft legte und einen ansehnlichen Seitfallzieher auspackte. Der Ball flog jedoch über das Quergebälk. Dennoch zeichnete es sich aufgrund der überlegenen Spielweise ab, dass die Philipkowski-Elf den nächsten Treffer für sich verbuchen könnte. Und das war dann sogar noch kurz vor der Pause der Fall. Aber da der Treffer von Kalla nicht zählte, weil er sich zuvor im Abseits befand, ging es mit dem zwischenzeitlichen Unentschieden in die Katakomben. 

Heyne: „Die Mängelliste ist bei uns heute groß“

Eintrachts Jan-Philipp Rose brachte den Gegner mit seinem Eigentor wieder auf die Siegerstraße. Archivfoto: KBS-Picture.de

„Wir haben auch in der zweiten Halbzeit weiter Fußball gespielt und sind dann verdient mit 2:1 in Führung gegangen“, umriss Philipkowski das, was nach dem Seitenwechsel passierte. Seine Truppe machte genau da weiter, wo sie vor der Pause aufhörte. Bereits nach 27 Sekunden hatte Lee das nächste Tor auf dem Fuß, doch Lars Huxsohl konnte den Schuss noch abwehren. Auch Marcell Sobotta bekam die eine oder andere Gelegenheit, das Runde ins Eckige zu schießen. Aber nachdem er in der 61. Minute auch noch in bester Position über den Ball trat, erledigte Eintrachts Jan-Philipp Rose die Arbeit der Gäste mit einem Eigentor selbst. Aus dem linken Halbfeld schlug Joel Keller zuvor einen weiten Freistoß an die rechte Torauslinie. Dort stand Brian Koglin parat, beförderte die Pille sofort scharf zurück in die Gefahrenzone beförderte, wo Rose den Ball am ersten Pfosten so unglücklich abfälschte, dass er an Huxsohl vorbei ins eigene Gehäuse flog. 

Kurz darauf nahm EN-Coach Heyne einen Wechsel vor. Für Vico Meien kam Jan Lüneburg. Mit dem frischen Offensivakteur schien es so, als würde sich das Angriffsspiel der Norderstedter zum ersten Mal richtig beleben. Lüneburg sorgte mit ein paar guten Pässen in die Tiefe wenigstens für ein bisschen Gefahr. Jedoch hatte auch das keine Auswirkung auf das überlegene und abgeklärte Spiel der Gäste, gegen die am heutigen Tage einfach kein Kraut gewachsen zu sein schien. Jedenfalls fand die Eintracht zu keinem Zeitpunkt noch so ins Spiel, dass sie wirklich hätte etwas ausrichten können. Heyne: „Die Mängelliste ist bei uns heute groß. Es sind wenige Spieler an ihre normale Leistung rangekommen. Vielleicht hatte vor dem Spiel die Stimmung nicht die richtige Spannung. Scheinbar war es wohl eher zu entspannt.“ 

Philipkowski: „Ein Kompliment an meine junge Mannschaft“

EN-Coach Dirk Heyne war mit der Leistung seines Teams überhaupt nicht zufrieden. Archivfoto: KBS-Picture.de

Das konnte man vom Sankt paulianischen Nachwuchs jedenfalls nicht behaupten. Die Philipkowski-Schützlinge gingen weiter sehr konzentriert zu Werke. Zwar wurden durch Kalla und Sobotta noch echte Großchancen vergeben, aber dennoch spielten sie so stark auf, dass keinerlei Gefahr mehr aufkam. Den endgültigen Deckel setzten die „Boys in Brown“ dann mit der letzten Aktion des Spiels drauf. Ein sauberes und blitzschnelles Umschaltspiel leitete Kalla mit einem langen Pass auf Choi ein, der in den Strafraum durchstartete und mit einem Querpass den mitgelaufenen Irwin Pfeiffer bediente. Schlussmann Huxsohl überlegte zu lange und ging dem Ball zu spät entgegen. Pfeiffer blieb cool und schob zum 3:1-Endstand für die Gäste ein (90.+4). Für die Siegermannschaft hatte der Trainer nach dem Spiel lobende Worte parat. Philipkowski: „Ich bin natürlich sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie meine Jungs aufgetreten sind und wie sie Fußball gespielt haben. Über 90 Minuten gesehen, haben wir ganz klar einen verdienten Sieg geholt. Ein Kompliment an meine junge Mannschaft.“ Eintracht-Coach Heyne blieb unterdessen nichts anderes übrig, als dem beizupflichten: „Es ist auf alle Fälle ein absolut verdienter Sieg für sie.“ Und während sich der Trainer auf der einen Seite noch weiter darüber echauffierte, dass „überhaupt kein Zug zum Tor vorhanden war und fast nichts Gefährliches aus den Angriffen entstanden ist“, freute man sich auf der anderen Seite nicht nur über den Sieg, sondern auch über ein neues Kapitel in der Vereinshistorie, da es der Zweitvertretung des FC St. Pauli bisher noch nie gelang, nach 17 Spieltagen 28 Punkte auf dem Konto zu haben.  

Autor: Mathias Merk