Meisterschaft adé? Algan will seine Raketen aus der Werkstatt zurück…

„Es war nicht vorgesehen, dass 19-Jährige das Gewicht einer Meisterschaft stemmen müssen“

26. April 2017, 23:05 Uhr

Niendorfs Leon Meyer (li.) vs. Ricardo Balzis, der das 2:1 für seinen AFC auf dem Fuß hatte. Foto: Heiden

Meisterschaft, Regionalliga-Aufstieg, Pokalsieg: Von einem der drei ehrgeizigen Ziele hat sich Altona 93 am heutigen Abend zu einem Großteil verabschiedet. „Wir wollten dranbleiben und den Rückstand auf Dassendorf verkürzen“, gab Berkan Algan die Marschroute vor – doch „das ist uns nicht gelungen“. Der Trainer des AFC fand nach dem Schlusspfiff und der mageren Punkteteilung gegen den Niendorfer TSV im obligatorischen Spielerkreis deutliche Worte. Der Journalie gegenüber erklärte er hingegen: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll – zumal sich in unserer aktuellen Situation auch noch Jakob Sachs verletzt hat.“

Der ehemalige 93er Kevin Trenel (li.) brachte den NTSV in Führung. Foto: Heiden

Ohne Tobias Grubba, Sven Waldschmidt, Abdullah Yilmaz, Dennis Thiessen, Milaim Buzhala, Braima Baldé, Pablo Kunter sowie Marco Schultz (allesamt verletzt) musste der AFC nahezu mit dem letzten Aufgebot und einer extrem jungen Mannschaft gegen aufmüpfige Sachsenwegler antreten. „Ich versuche ja schon, die Knaben überall hinzustellen, aber die haben verdammt viel Druck. Es war ja nicht vorgesehen, dass 19-jährige Spieler das Gewicht einer Meisterschaft stemmen müssen. Da ist es einfach klar, dass eine Mannschaft wie Dassendorf, die in der Breite älter und erfahrener aufgestellt ist, das souverän ins Ziel schaukelt“, hat Algan die Meisterschaft schon fast zu den Akten gelegt. „Ich hoffe, dass die Jungs schnell zurückkommen, sodass wir den Fans und dem Verein zumindest eines der zwei Ziele – im Grund genommen sind es ja sogar drei Ziele, aber Dassendorf schaukelt das jetzt nach Hause und gut ist – ermöglichen können.“

Ex-Altonaer Trenel trifft für Niendorf

Der Jubel war bei den Gästen nach Trenels Führungstreffer groß. Foto: Heiden

Will man erneut ins Pokal-Endspiel einziehen und dieses Mal nicht in letzter Sekunde „geohrfeigt“ werden, wie Algan den Relegations-Knockout im Vorjahr bezeichnet, muss man nicht nur möglichst aus dem Vollen schöpfen können, sondern auch einen ganz anderen Auftritt hinlegen, als insbesondere in der ersten Halbzeit gegen Niendorf. Vor lediglich 449 Zuschauern auf der AJK setzte eigentlich nur eine Mannschaft Akzente – und das waren die Gäste. Die Belohnung: Nach einer guten halben Stunde landete Felix Dieterichs abgeblockter Schuss rechts im Strafraum bei Kevin Trenel. Und ausgerechnet der ehemalige Altonaer brachte den NTSV mit einem wuchtigen Schuss und Pingpong mit dem Querbalken hochverdient in Front (30.)! „An guten Tagen ist das ein hervorragender Regionalligaspieler“, lobte Algan seinen ehemaligen Schützling, „aber ihm hat leider die Konstanz gefehlt. Und wir haben auf der Position natürlich auch ein paar Raketen verpflichtet – zurzeit sind die aber alle in der Werkstatt.“

"Der Brisevac hat etwas im Fuß, das ist unglaublich!"

Felix Dieterich (li.) und Nick Brisevac im Kampf um den Ball. Foto: Heiden

Dazu gesellt sich wohl auch Routinier Jakob Sachs, der schon nach wenigen Minuten von Leon Timon Meyer derart böse gefoult wurde, dass es für ihn unter schmerzverzerrtem Gesicht nicht weiterging (15.). „Die Achillessehne war komplett blau. Ich hoffe, dass nichts gerissen ist“, bangt Algan um den nächsten Leistungsträger. Während Niendorf-Coach Ali Farhadi, der in dieser englischen Woche ein wenig rotierte und krankheitsbedingt auf Kapitän Özden Kocadal verzichten musste, eine „Wahnsinns-Halbzeit“ von seinen Jungs sah. „Das hat mir richtig Spaß gemacht – die Mannschaft hat das super angenommen.“ Dass seine „Bubis“ den Platz schlussendlich nicht als Sieger verließen, lag einmal mehr an Altonas Nick Brisevac. Der beste Oberliga-Torschütze – eigentlich mehr im Mittelfeld zu Hause – haderte während des gesamten Spielverlaufs mit der Darbietung seiner 93er. Kurz nach Wiederanpfiff legte er sich den Ball allerdings zu einem Freistoß – links an der Außen-, fast auf Höhe der Mittellinie – zurecht. Der unheimlich scharf getretene Ball segelte an Freund und Feind vorbei und fand den Weg ins lange Eck – 1:1 (51.)! „Die Sonne“, monierte Farhadi. „Die stand relativ tief. Aber ich erwarte von meiner Verteidigung, dass sie so etwas trotzdem hinbekommt. Dennoch muss man einfach sagen, dass der Brisevac etwas im Fuß hat, das ist unglaublich. Es war ein absolut schönes Tor, auch wenn da natürlich ein bisschen Glück dazu gehört. Aber so, wie er angelaufen ist, war da schon ein bisschen Wille dabei, den so zu treffen.“

"Es sind acht Raketen, die uns fehlen"

Brisevac' Freistoß zappelt im Netz - Jan Novotny holt den Ball aus den Maschen. Foto: Heiden

Unmittelbar nach dem Ausgleichstreffer hatte der AFC die dreifache Riesenchance, das Spiel auf den Kopf zu stellen. Doch Brisevac schien freistehend etwas zu überrascht und schoss die Kugel Marcel Kindler in die Arme, ehe Finn Lukas Rettstadt an Kindlers Parade scheiterte. Den darauffolgenden Eckball verlängerte Clifford Aniteye auf Ricardo Balzis, der es fertig brachte, die Kugel aus drei Metern an die Unterkante der Latte zu jagen (53.). Trotz Chancen auf beiden Seiten blieb es letztlich beim 1:1, womit die Niendorfer deutlich besser leben konnten. „Mich bedrückt die aktuelle Situation. Ich hoffe noch, dass zumindest drei Mann rechtzeitig zum Pokalspiel zurückkommen, damit wir die jungen Spieler ein bisschen aus der Schusslinie nehmen können. Die müssen im Moment liefern und haben nun mal ihre Probleme. Aus der Not heraus müssen wir so aufstellen. Ich tue ja schon alle Zehner vorne rein – selbst einen Sechser. Bei acht Verletzten wird die Luft immer dünner. Es soll auch kein Gejammer sein, aber das sind nun mal acht Raketen, die uns da fehlen. Und trotzdem ist es schwer, uns zu schlagen“, bilanzierte Algan.

Autor: Dennis Kormanjos

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