Sich schämen für die Kreisliga?

„Meyers Sicht der Dinge“ / von Björn Meyer

24. Oktober 2013, 19:24 Uhr

Foto: KBS-Picture.de

Welcher Spieler, Trainer oder sonstige Funktionär aus der Kreisliga oder gar der Kreisklasse kennt das nicht: Kaum spricht man über seine Ligazugehörigkeit, hat man die Lacher auf seiner Seite. „Die Kreisklasse eine Liga, die nirgendwo den besten Ruf hat, ob ich mit Schiedsrichtern spreche oder mit Fußball-Freunden, die höher spielen: alle sagen mir: „Komm da weg!“, berichtet Moritz Harraß (20), der selbst als Kicker in der Kreisklasse unterwegs ist und auch als Schiedsrichter für den VfL 93 gut herum kommt.

Aber muss man sich wirklich dafür schämen, in den untersten Spielklassen unterwegs zu sein? „Auf gar keinen Fall! – Auch in der Kreisklasse findet man das eine oder andere Talent auf dem Platz. In der Kreisklasse spielen Teams, die jetzt z.B. nicht das große Potenzial wie ein Landesligist haben, aber auf ihrem Niveau an guten Tagen auch gegen ein Team mithalten oder sogar gewinnen können, deren Ziel die Kreisliga oder höher ist. „Alles eine Frage der Einstellung, Trainingsbeteiligung, Motivation und Stimmung untereinander im Verein“, räumt Dennis Hartwig, Verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des TSV 08 Eppendorf-Groß-Borstel gleich mit dem ersten Vorurteil, dem angeblich schlechten Fußball auf.

Zugegeben, hier werden die Kritiker aber in vielen Fällen bestätigt, kommen die meisten Spiele in den Ligen acht und neun in Sachen Technik eher etwas hölzern daher, wobei auch hier Ausnahmen, wie Hartwig bereits erklärte, die Regel bestätigen. Nur handelt es sich bei den betreffenden Akteuren selten um welche, die dazu auch die für das perfekte Gesamtpaket nötige Laufstärke und taktische Schulung mitbringen. So lassen sich oftmals einige gute einzelne Instrumente finden, doch in einem harmonisches Orchester ist ein gemeinsames Notenblatt erforderlich, welches allerdings durch weniger kompetente Trainer manchmal eher einem kritzeligen Notizzettel ähnelt, so die bösen Zungen. „Ich glaube, je höher die Liga desto besser die Trainer – vor allem weil sie sich in höheren Ligen Gedanken machen MÜSSEN“, erklärt Daniel Frey, Defensivspieler der zweiten Mannschaft des VfL 93 und wird hierbei von Alexander Stuber (FC St. Pauli III) unterstützt: „Ein gutes Spielsystem braucht es in der Kreisliga nicht, dort reicht oft der lange Hafer.“ „Und schließlich steigen Trainer, die gute Arbeit leisten, zwangsläufig in die höheren Ligen auf“, so Frey weiter.

„Der hatte schon Gelb! Immer der 10er!“

Die Kreisklasse als Sprungbrett für höhere Aufgaben? So agierte auch Pierre Knorr (TuS Osdorf) in jüngsten Jahren einst in den allertiefsten Niederungen des Amateurfußballs und ist mittlerweile jedem Landesligakenner ein Begriff. Ein interessantes Projekt startete derweil der SC Sternschanze und übernahm quasi einen kompletten A-Jugendkader als dritte Herren in der Kreisklasse 7, wo Kapitän John Hilpert (17) und Co die gesamte Härte des Herrenbereichs kennenlernen, was Alexander Stuber jedoch für nicht ungefährlich hält „Die Zweikämpfe werden, je höher es geht, intensiver. Aber desto weiter es runter geht, desto mehr wird stumpf gekloppt“, warnt der gebürtige Soltauer. Beschriebenes Verhalten ruft dann gerne mal Aussagen hervor, die Dennis Hartwig im Kreisklassealltag nur allzu oft hört: „Kollege, findest Du das etwa witzig, wie Du in die Zweikämpfe gehst, ich muss morgen schließlich wieder zur Arbeit!“ Auch das Publikum schaltet sich natürlich immer mit ein: „Der hatte schon Gelb! Immer der 10er!“ Dabei ist es gleichgültig, ob der Spieler vorher überhaupt schon ein Foul begangen hat und verwarnt wurde oder nicht.

Wirklich fremd sind diese O-Töne aber auch in der Oberliga nicht. Das macht es den Spielleitern indes auch nicht gerade einfacher, das Regelwerk bei teilweise unschönen Anstoßzeiten auf schlechten Plätzen ungestört umzusetzen, haben manche laut Stuber noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. „Ab der Bezirksliga haben die Schiedsrichter einen größeren Radius als ihr Bierdeckel vom Vortag“, geht der Führungsspieler des Bezirksligaaufsteigers von der Feldstraße hart mit den Schiedsrichtern ins Gericht.

Untere Spieklassen als Wundertüten

„Wenigstens“, addiert Moritz Harraß, „wird ab der Kreisliga im Gespann gepfiffen – das gibt schon etwas mehr her als ein einzelner Schiedsrichter.“
Seit dieser Saison gelten zumindest, was das gemeinsame Einlaufen vor dem Spiel betrifft, gleiche Regeln für alle. Ob man dies nun, wie neulich bei der Zweiten des VfL Pinneberg in der Landesliga vor 60 Zuschauern tut oder vor 30 bei der Dritten des SC Union 03 macht für die meisten kaum einen echten Unterschied.

Auch in Sachen Spannung hinken Kreisliga und -klasse keinesfalls zurück, wenngleich sie sich in der Regel durch eine ordentliche Leistungsspanne auszeichnen. Harraß: „Meist dominieren eine Handvoll Mannschaften die Liga, der Großteil der Mannschaften kämpft im grauen Mittelfeld um die goldene Ananas und den Abstieg machen vier bis fünf deutlich abgeschlagene Mannschaften unter sich aus. Die Teams ab der Bezirksliga sind hingegen schon deutlich dichter beieinander – hier kann eigentlich jeder jeden schlagen!“ Auf der anderen Seite ist der Überraschungseffekt in den beiden tiefsten Klassen oftmals sehr hoch. Nicht nur, weil sie weniger im Fokus von Berichterstattungen stehen, sondern auch, weil sich dort nicht selten auch mal Mannschaften während der Saison vom Spielbetrieb abmelden, was häufig für tabellarisches Chaos und spielfreie Wochenenden sorgt. „Man weiß einfach nie, was einen erwartet“, sieht Harraß die Ligen acht und neun als Wundertüten.
Bei allem Trainingsstress, Leistungsdruck und teilweise kleinen Bezahlungen seitens der Vereine sollte jedoch eines im Vordergrund stehen: Die Freude am Fußball und vor allem am Mannschaftssport!