Landesliga Hansa

„So etwas habe ich in fast 25 Jahren noch nie erlebt!“

05. November 2023, 15:33 Uhr

Alexander Reckewell konnte seinen Unmut über die lange Nachspielzeit nicht verbergen. Archivfoto: noveski.com

Hinter Alexander Reckewell lag von Freitag auf Samstag eine „sehr, sehr bittere Nacht. Ich habe sehr schlecht geschlafen“, verriet der Trainer des Harburger SC – und erläuterte: „So etwas habe ich in fast 25 Jahren noch nie erlebt“, war er auch am Tag danach noch immer extrem angefasst. Der Grund: Die aus seiner Sicht viel zu lange Nachspielzeit in der Heimpartie gegen den Bramfelder SV. „Natürlich ist hintenraus viel auf dem Platz passiert und es wurde nochmal etwas hektisch. Aber es gibt in keinster Weise eine Berechtigung dafür, zehn Minuten nachspielen zu lassen. Und ich habe die Zeit extra gestoppt. Am Ende waren es 13:32 Minuten. Das glaubt man gar nicht“, war Reckewell komplett bedient.

Sein HSC steuerte dem zweiten Saisonsieg entgegen, lag nach 86 gespielten Minuten mit 2:0 in Front und war sogar in numerischer Überzahl. „Eine Rote Karte, die ganz klar keine ist, weil der Spieler mit dem Ball nach Außen geht und wir noch zwei Verteidiger am Sechzehner hatten“, konstatierte Bramfeld-Coach Carsten Henning nach dem Vergehen von Lorenz Lahmann-Lammert an Motiejus Zibuda. Die Hausherren wähnten das Foulspiel sogar innerhalb des Strafraums. Den fälligen Freistoß aus 17 Metern zirkelte Sascha de la Cuesta um die Mauer herum zur Führung in die Maschen (69.). Gänzlich unhaltbar schien der Versuch aber nicht für BSV-Keeper Eymen Usta.

"Wir dachten: Das war's!"

Sascha de la Cuesta erzielte sein erstes Saisontor für das Hansa-Schlusslicht und bereitete auch das 2:0 mustergültig vor. Dennoch musste man sich mit einem 2:2 begnügen. Archivfoto: noveski.com

Und Harburg legte nach. Wieder war es de la Cuesta, der toll durchsteckte und dem wenige Augenblicke zuvor eingewechselten Andreas Aschendorf das 2:0 auf dem Silbertablett servierte (74.)! „Wir dachten: Das war’s“, gestand Reckewell. Bezeichnend dafür: „Dela (Sascha de la Cuesta, Anm. d. Red.) hat angezeigt, dass wir ihn runternehmen sollen, um etwas Zeit von der Uhr zu nehmen. Das hätten wir niemals gemacht, wenn wir gewusst hätten, dass es zehn Minuten Nachspielzeit geben würde.“ In der 86. Minute war es zunächst Christian Westphal, der nach einer Freistoß-Flanke auf 1:2 verkürzte, ehe Chris Pfeifer den Ball schnell aus dem Tor holen wollte und dabei von Tobias Rüpke einen Tritt abbekam. Rot (86.)!

Als die Nachspielzeit bereits 120 Sekunden alt war, musste auch Aschendorf schon wieder runter. Aufgrund eines Schwalbenversuchs im gegnerischen Sechzehner erhielt er die Ampelkarte – und plötzlich war Bramfeld in Überzahl (90. +2). Auch HSC-Trainer Reckewell wurde mit Gelb-Rot bedacht. Hektik pur! „Du machst ein Riesenspiel. Wir haben das so gut verteidigt und dann kriegen wir einen langen Ball vorne rein, wir kriegen ihn nicht wegverteidigt, der rutscht durch“, und plötzlich war Louis Mandel zur Stelle, der in Minute 99 (!) das 2:2 erzielt! „Am Ende kannst du sogar noch froh sein, nicht noch das 2:3 zu kassieren“, befand Reckewell „Das ist einfach unglaublich bitter, wenn man weiß, was für einen Aufwand man betreibt. Dann versucht man nach dem Spiel, mit den drei Schiedsrichtern ganz sachlich zu reden – und zwei sind nur mit ihrem Handy beschäftigt. Das ist die neue Generation“, echauffierte sich Reckewell.

"Wir haben es in der eigenen Hand gehabt"

Das Fazit von seinem Gegenüber: „Ein verrücktes Spiel“, ehe Henning postwendend anfügte: „Die Nachspielzeit war berechtigt!“ Am Ende sei aber genau „das eingetreten, was ich vor dem Spiel schon fast befürchtet habe: Wir haben uns sehr schwer getan.“ Dabei hätte man „das Spiel schon in den ersten fünf Minuten, wo wir zwei klare Dinger hatten, klarmachen können. Danach waren wir einfach nicht zwingend, weil wir viele Fehler gemacht haben und überhaupt nicht gut drauf waren.“ Etwas bezeichnend: Der eingewechselte Maurice Freudenthal traf aus kürzester Distanz nur den Pfosten. „Da ist es schwieriger, aus sechs Metern den Pfosten, anstatt das 7,32 Meter breite Tor zu treffen.
Wir haben es in der eigenen Hand gehabt und sind selbst schuld“, fühlte sich das Last-Minute-2:2 dennoch nicht wie ein Punktgewinn an.

"Von den ersten vier Minuten haben wir nur eine gespielt"

Andreas Aschendorf (li.) erzielte nach seiner späten Einwechslung zunächst das vermeintlich vorentscheidende 2:0, flog dann aber vom Platz. Archivfoto: noveski.com

„Wir kriegen das 0:2, weil wir uns total naiv anstellen und laufen dann hinterher“, so Henning. „Wir haben es nicht verstanden, ruhig zu bleiben und das Spiel über Außen breit zu ziehen“, sprach er auf die Phase an, als sein Team in Überzahl war. Und zur langen Nachspielzeit: „Zehn hat er angezeigt. 13 Minuten wurden nachgespielt. Von den ersten vier Minuten haben wir nur eine gespielt aufgrund etlicher Unterbrechungen. Deshalb hat er die Zeit draufgepackt.“ Seine Elf sei alles in allem an diesem Abend aber „nicht gut genug gewesen“, um einen sicher geglaubten Sieg einzufahren. „Dementsprechend ist das ein gerechtes Ergebnis, weil wir es selbst nicht verstanden haben, einfacher und zielstrebiger nach vorne zu spielen. Wir müssen gucken, dass wir unsere Fehler minimieren.“

Autor: Dennis Kormanjos