Regionalliga Nord

Stach sticht, Marmoush trifft doppelt: „EN“ verliert erst drei Unglücksraben und dann die Partie, macht aber „ein Riesenspiel“

23. Februar 2020, 18:18 Uhr

Die Enttäuschung war bei den Norderstedtern Juri Marxen (vo.) und Johann von Knebel (am Boden) nach dem Spiel groß. Foto: KBS-Picture.de

Es lief die 70. Minute. Der FC Eintracht Norderstedt führte in seinem Regionalliga Nord-Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg II (Hier geht’s zum Liveticker) mit 2:0, als der Ball zu Nathaniel Amamoo kam. Norderstedts Nummer elf hatte freie Schussbahn, visierte das Ziel an und zog ab. Der Ball zischte knapp am langen Pfosten vorbei – die Chance, den Sack vielleicht endgültig zuzumachen, war dahin. Nur fünf Minuten später schlugen die „Wölfe“ dann zum ersten Mal zu – es sollte der Anfang vom Ende für die seit der 39. Minute in Unterzahl spielenden Hausherren sein. Am Ende legte die Zweitvertretung des Bundesligisten noch drei weitere Treffer nach und nahm bei ihrem 4:2-Sieg vor 470 Zuschauern im Edmund-Plambeck-Stadion alle drei Punkte mit, von denen „EN“ zumindest eine ganze Zeit lang träumen durfte

„Ich grätsche und ziehe dann zurück. Aber dabei treffe ich ihn. Die Karte ist keine Fehlentscheidung“, sagte Hamajak Bojadgian. Er war der Unglücksrabe, den es kurz vor dem Seitenwechsel erwischte. Bereits verwarnt, sah der Eintracht-Abwehrmann nach seinem zweiten Foul die „Ampelkarte“ und bescherte seiner Mannschaft so den schweren Job, gegen das Spitzenteam der Liga bei strömendem Dauerregen auf einem toll präparierten Rasenplatz rund 50 Minuten zu zehnt zu agieren. Apropos Unglücksrabe: Dieser Titel traf auch noch auf zwei andere Norderstedter zu. Rico Bork nämlich musste nach einem rüden Zweikampf schon nach 38 Minuten verletzt runter. „Er hat sich eine Gehirnerschütterung zugezogen“, erklärte Eintracht-Coach Jens Martens später und bemängelte, dass Wolfsburgs Julian Justvan für das Foul nach 32 Minuten keine Karte sah: „Da fehlt mir ein bisschen die Verhältnismäßigkeit, wenn er ihn so abräumt und ohne Verwarnung bleibt, während wir für die ersten Fouls direkt Gelb kriegen.“ Unglücksrabe Nummer drei war Evans Nyarko, der nach 59 Minuten ebenfalls verletzt raus musste.

Martens: „„Man hat gesehen, dass wir eine ganz ordentliche Mannschaft geworden sind“

Der Knackpunkt: Schiedsrichter Alexander Roppelt (li.) stellt Norderstedts Hamajak Bojadgian (verdeckt) vom Platz. Foto: KBS-Picture.de

„Er sagt, er sei mit dem Knie kurz weggeknickt, aber es sei nicht so schlimm. Morgen wird es da eine Untersuchung geben. Wir hoffen, dass es nichts Schlimmeres ist. Schlimme Verletzungen haben wir genug“, konstatierte Martens nach dem Ende der Begegnung auf der Pressekonferenz, zu deren Beginn er feststellte: „Wir sitzen alle traurig in der Kabine – beziehungsweise ich jetzt hier, weil die Mannschaft ein Riesenspiel abgeliefert hat. Wir sind durch eine Standardsituation in Führung gegangen und haben es danach gegen eine Mannschaft, gegen die wir im Hinspiel noch haushoch unterlegen waren, ganz ordentlich gemacht.“ Das sah auf dem Feld dann so aus: Im Anschluss an Yannick Nuxolls Treffer per Kopf nach einer Bork-Ecke (10.), erhöhte Nils Brüning nach der Pause dann auf 2:0, nachdem er von Amamoo bedient worden war (54.). „Wir haben die Führung mit in die Pause genonnem und sogar das 2:0 gemacht, aber im Nachhinein ist der Platzverweis dann der Knackpunkt. Wir haben 50 Minuten in Unterzahl spielen müssen. Dass das gegen eine so spiel- und laufstarke Mannschaft schwierig wird, ist klar. Dennoch haben sich die Jungs reingehauen. Wir sind stolz, wie die Mannschaft Paroli geboten hat. Das war ein riesiger Unterschied im Vergleich zum Hinspiel und zeigt, dass wir im Team und individuell vorangekommen sind“, resümierte Martens. Aus seiner Sicht sei es „schade, dass wir nicht noch das 3:3 machen. Das wäre das i-Tüpfelchen gewesen. So müssen wir mit der Niederlage leben. Ich habe den Jungs gesagt, dass sie ihre Traurigkeit mitnehmen können, aber zuhause darüber nachdenken dürfen, dass sie ein gutes Spiel gemacht haben.“

Ziehl: „Die Mannschaft hat den Willen gezeigt, das Spiel zu drehen“

Da jubelten die Hausherren noch: Torschütze Nils brüning (li.) und Johann von Knebel nach dem Treffer zum 2:0. Foto: KBS-Picture.de

„Man hat gesehen, dass wir eine ganz ordentliche Mannschaft geworden sind“, stellte Martens fest – und erhielt dabei verbal auch die Zustimmung von Rüdiger Ziehl. „Wir haben in den ersten 20 Minuten zu viel Respekt gehabt und zu wenig Mut bei eigenem Ballbesitz gezeigt. Da hat uns Norderstedt den Schneid abgekauft und ist durch die Standardsituation verdient mit 1:0 in Führung gegangen“, analysierte der Coach der VfL-Reserve. „Wir haben es zu kompliziert gemacht und zu behäbig gespielt. Erst ab der 25. Minute hatten wir mehr Zug drin, kassieren aber dennoch das 0:2. In der Überzahl nach der Gelb-Roten Karte haben wir in der zweiten Halbzeit zunächst zu umständlich gespielt und konnten den Vorteil nicht ausnutzen. Erst zum Ende hin hatten wir mit einer Umstellung viel mehr Zugriff und haben einfacher gespielt“, befand der Trainer der Gäste, „mit der Überzahlsituation auf unserer Seite war es logisch, dass wir firscher waren, mehr Power hatten, nochmal zulegen und das Spiel drehen konnten.“ Und genau war zuvor auf dem Rasen des Edmund-Plambeck-Stadions eben auch geschehen: Erst traf Yannick Möker zum 1:2-Anschluss (75.), dann senkte sich ein „Sonntagsschuss“ von Omar Marmoush über „EN“-Schlussmann Lars Huxsohl („Es zeugt von Qualität, dass er den Ball so trifft“) zum 2:2 ins Netz. „Ich glaube nicht, dass Lars den halten kann“, befand Martens auf der Pressekonferenz. Sei's drum. Nun war Wolfsburg II zurück im Rennen – und stach durch Anton Stach zum 3:2 zu, dem Marmoush mit seinem zweiten Treffer an diesem Tag den 4:2-Endstand folgen ließ. „Das war ein Sieg für die Moral. Die Mannschaft hat den Willen gezeigt, das Spiel zu drehen. Wir sind stolz über den Ensatz, mit dem sie das gemacht hat“, freute sich VfL II-Übungsleiter Ziehl abschließend.

Jan Knötzsch