Teutonias Angriff auf die Großmächte in Hamburg

Biederer Kampf war gestern – moderner Fußball ist heute

20. September 2016, 09:32 Uhr

Seit acht Jahren in Amt und Würden: Vorstandschef Diddo Ramm sieht die „gestiegene Wahrnehmung“, bezeichnet die Liga-Mannschaft aber nur „als Spitze der Pyramide“ des Gesamtvereins. Im Hintergrund: Sportchef Bert Ehm. Foto: noveski.com

Allein schon die Geschichte rund um die Gründung des FC Teutonia von 1905 e.V. Altona-Ottensen ist im Vergleich zu vielen anderen Clubs in der Hansestadt einzigartig. Denn im Jahr 1905 – wie im Vereinsnamen verankert – waren es zehn Personen, die den Club in einer Stehbierhalle zum Leben erweckten. Seither hat der gesamte Club eine rasante Entwicklung durchgemacht. Zwischenzeitlich spielten die Kicker von der Kreuzkirsche sogar in der höchsten Spielklasse. Jetzt möchte man wieder dort angreifen, wo man angefangen hat!

Der Verein mit Tradition

Von 1921 bis 1924 sowie von 1926 bis 1928 war Teutonia 05 erstklassig. Während des Zweiten Weltkrieges bildete man mit dem Nachbarverein Ottensen 07 eine Kriegsspielgemeinschaft (KSG). Es folgten Jahre in der zweit- und dritthöchsten Spielklasse, ehe der Verein bis in die 90er Jahre in der Unterklassigkeit verschwand. Erst als Holger Zippel 1989 zu seinem Stammverein zurückkehrte, ging es wieder bergauf: innerhalb von vier Jahren schafften die 05er den Sprung von der Kreis- bis in die Landesliga und etablierten sich – mit kurzer Unterbrechung – dort.

Den Kindern eine Perspektive bieten

Einst beim HSV und in der holländischen Eredivisie bei Willem II im Einsatz – nun an der Kreuzkirche zu Hause: Gerrit Pressel. Foto: noveski.com

Eines liegt dem Verein ganz besonders am Herzen: der FC Teutonia 05 legt großen Wert auf seine Jugendarbeit für Kinder mit Migrationshintergrund. Nicht umsonst hatte man lange das Image des „Arbeitervereins“, der seine Heimspiele am Sonntagvormittag um 10:45 Uhr auf der für Gegner unangenehmen roten Asche an der Kreuzkirche austrägt. Zumindest einer dieser Punkte ist nach wie vor aktuell: an der Austragungszeit der Heimspiele hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert – doch aus dem roten ist inzwischen ein grüner Teppich geworden. Und das Klischee des mit eisernen Mitteln um jeden Zähler kämpfenden Clubs – oder aber das der „grauen Maus“ – scheint auch der Geschichte anzugehören.

Zurück zu alter Stärke

Einer der elegantesten Spieler Hamburgs und wie Stefan Winkel auch Futsal-Nationalspieler: Michael Meyer (r.). Foto: noveski.com

Seit dieser Saison ist aus dem „Mittelmaß-Team“ ein äußerst ambitionierter Landesligist geworden. Mit Großsponsoren im Hintergrund und zahlreichen Neuverpflichtungen von Spielern, die allesamt bereits höherklassig ihre Sporen verdient haben, ist Teutonia 05 zu der „Übermannschaft“der Landesliga Hammonia mutiert. Stefan Winkel (u.a. FC St. Pauli II, HSV II, Altona 93, TSV Havelse), Jeton Arifi (FC St. Pauli, SC Verl, SV Elversberg) und Gerrit Pressel (HSV, Willem II, Holstein Kiel, E. Norderstedt) sind nur drei Beispiele von Akteuren, die bereits Profi-Erfahrung gesammelt haben. Hinzu kommen zahlreiche „Größen“ aus der Hamburger Amateurfußballszene wie „Edel-Techniker“ Michael Meyer, „Abräumer“ Hannes Niemeyer oder aber die Torjäger Aytac Erman und Pascal Pietsch. Mit Winkel und Meyer spielen sogar zwei Futsal-Nationalspieler bei den „Schwarz-Weißen“, worauf die Verantwortlichen besonders stolz sind. Die Experten sind sich alle einig: Teutonia 05 kann sich in dieser Saison nur selbst schlagen!

Der Trainer mahnt – und will seine „Stars“ bei Laune halten

Die feine Klinge schlägt auch Jeton Arifi gerne. Der mittlerweile 31-Jährige gehörte zweieinhalb Jahre lang dem Profi-Kader des FC St. Pauli an. Foto: noveski.com

Nichts anderes lässt der Start ins neue Spieljahr auch vermuten: die Gegner wurden reihenweise abgefertigt – und das, obwohl man den Eindruck nicht loswerden wollte, dass Teutonia 05 mit seinen Kontrahenten spielte. Oftmals reichten einige richtig starke Minuten aus, um schnell für klare Verhältnisse zu sorgen und dann wieder einen Gang zurückzuschalten. „Die Mannschaft denkt, dass es so geht und es ist schwer, ihr beizubringen, dass das nicht immer der Fall ist. Denn irgendwann fällt man damit auf die Nase. Die Landesliga ist nicht schlecht!“, mahnt Chefcoach Florian Gossow, auf den allerhand Arbeit zukommen wird. Zwar gibt es nicht wenige Unkenrufe, die besagen, dass eine Mannschaft wie der FC Teutonia 05 auch ohne Trainer Meister in der Landesliga werden würde, doch so viele „Stars“ unter einen Hut zu bekommen, scheint auch an der Kreuzkirche eine große Herausforderung zu sein. Das zeigte sich bereits in den ersten Saisonspielen – und veranlasste auch Gossow nach dem 4:2-Erfolg bei TuRa Harksheide zu folgendem Statement: „Es ist in jedem Spiel aufs Neue sehr schwierig. Man muss viele Einzelgespräche führen, es den Jungs erklären und hoffen, dass sie bei Laune bleiben. Wir haben erst den zweiten Spieltag, da geht das noch. Aber mal schauen, was die Zeit so mit sich bringt.“

„Legende“ Ehm möchte „etwas Großes aufbauen“

Stefan Winkel schoss den SC Poppenbüttel letzte Saison zur Meisterschaft, war in der Jugend auch für den HSV aktiv und ist frisch gebackener Futsal-Nationalspieler. Foto: noveski.com

An der Tönsfeldtstraße ist eine neue Zeitrechnung eingeläutet. Biederer Kampf war gestern – moderner Hochgeschwindigkeits-Fußball ist heute. Trotz dessen: Nicht nur innerhalb der Mannschaft hat es im Sommer einen radikalen Umbruch gegeben, auch im Team ums Team gab es weitreichende Veränderungen. „Mein Freund André Jütting, der lange im Vorstand von Altona tätig war und dort aus verschiedenen Gründen ausgeschieden ist, wurde angesprochen, ob er sich vorstellen kann, hier etwas aufzubauen. Das sollte er nicht alleine machen, sondern mit mir zusammen“, verrät uns Hamburgs Trainer-Legende Bert Ehm, der nun den Posten des Sportchefs bekleidet. „Daraufhin hat uns das Konsortium, das hinter diesem Verein steckt, angesprochen. Wir haben uns zusammengesetzt und waren beide sofort begeistert von den Leuten, die hier aktiv sind, und wirklich glaubwürdig vermitteln, dass sie hier etwas entstehen lassen wollen. Es ist nicht nur so dahin gesagt, sondern da steckt wirklich etwas dahinter.“ Als Trainer holte Ehm mit Florian Gossow einen alten Bekannten, mit dem er bereits beim FC Elmshorn ein Tandem bildete, an die „Kreuze“. Zusammen möchte man „etwas Großes entstehen“ lassen.

Finanzielle Mittel

Auch die finanziellen Mittel sind mittlerweile vorhanden. Ein Großsponsor aus der Schiffsreederei hat sich dem Verein angenommen und möchte diesen mittelfristig in die Regionalliga führen. Allerdings betont Ehm auch: „Es ist nicht nur eine Person, die dahinter steckt. Es sind ganze 50 Firmen, die zwar von einer Person strukturiert werden, aber das große Ganze mit unterstützen und im Hintergrund aktiv sind.“ Dass der neue Sponsor eine „große Rolle spielt“, weiß aber auch Ehm, der im Oktober seinen 70. Geburtstag feiert. „Natürlich ist uns das bewusst. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Sponsoren, ist er auch menschlich eine absolute Eins. Er ist fast immer da, bekennt sich klar zur Mannschaft und hilft, wo man nur helfen kann. “

„Wir werden es schaffen!“

Vergangene Saison 33 Buden für Wedel, nun bereits mit zwölf Treffern in acht Einsätzen: Aytac Erman (M.). Foto: noveski.com

Es scheint fast so, als könnte der „große Nachbar“ Altona 93 in der näheren Zukunft mächtig Konkurrenz aus Ottensen bekommen.Teutonia 05 soll zu einer neuen Großmacht werden. „Natürlich versuchen wir, Erfolg zu haben und gucken, soweit man gucken kann – und das ist nur auf diese Saison. Da wollen wir unser Ziel erreichen, das da heißt: Aufstieg in die Oberliga. Und es sieht aktuell ja auch ganz gut aus, dass wir es schaffen können. Was danach kommt, muss man abwarten“, tritt Ehm noch ein wenig auf die Euphoriebremse. Nichtsdestotrotz hat der Aufstieg in Hamburgs Fußball-Belleetage oberste Priorität. „Natürlich versuchen wir das! Es wäre ja Quatsch, wenn wir was anderes behaupten würden – das wäre unglaubwürdig.“ Sollte der erste Schritt gemacht sein, folgt – vielleicht schon im kommenden Jahr – der nächste. „Ich habe ein gutes Gefühl, dass der Verein dazu in der Lage ist, auch in der Oberliga ein Wörtchen mitzusprechen.“Trotz seiner unzähligen Erfolge, errungenen Meisterschaften und Pokalsiege ist Ehm noch lange nicht müde und möchte am liebsten an seine glorreichen Zeiten beim SC Victoria anknüpfen. „Ich bin schon sehr ehrgeizig und will, dass wir unser Ziel erreichen. Es gab ja einige Vereine, mit denen ich damals ähnliche Ziele verfolgt habe und wir haben es geschafft. Also werden wir es hier auch schaffen!“

„Mit einer Santa Maria aufs Meer rausgesegelt“

Ein gewohntes Bild in dieser Saison. Teutonia 05 gewann bisher alle acht Saisonspiele. Foto: noveski.com

Dass viele Beobachter aufgrund der hohen Dichte und vorhandenen Qualität im Kader auch eine Menge Streitpotenzial sehen, kann Ramm nicht nachvollziehen: „Wir haben einige neue Familienmitglieder, die sich erst an die neue Wohnung gewöhnen müssen“, drückt er sich ein wenig literarisch aus, um dann anzufügen: „In diesem Punkt habe ich nun wirklich überhaupt keine Bedenken. Charakterlich sind das alles erstklassige Jungs – die natürlich alle schon Erfolge gefeiert haben und dementsprechend erfolgshungrig sind, woran auch wir uns als Verein erstmal gewöhnen müssen. Aber ich bin wirklich beeindruckt von diesen gestandenen Personen, die wir in der Form noch nicht an der Kreuzkirche hatten.“ Drei Attribute sollen bei den Teutonen im Vordergrund stehen: „Lernen, motivieren und Spaß haben. Wenn das gegeben ist, stellt sich der Erfolg auch ein.“Befürchtungen, dass der Sponsoring-Pool irgendwann die Reißleine zieht, gibt es keine. „Das wird nicht passieren! Wenn man gewisse Beispiele aus der Vergangenheit genauer betrachtet, dann muss man sagen, dass das ganze Fundament bröckelig war. Wir haben eine Zweite Herren, die in der Bezirksliga spielt und dort als Aufsteiger eine gute Rolle einnimmt.“ Ramms bildlicher Vergleich für die (finanziellen) Möglichkeiten, die dem (Noch-)Landesligisten nun zur Verfügung stehen: „Wir haben uns eine kleine Santa Maria gekauft und sind aufs Meer rausgesegelt.“ Ob man am Ende auch heile ankommt, wird sich in den kommenden Wochen, Monaten – vielleicht ja sogar Jahren zeigen…