Thiessens Kunstschuss stellt alles auf den Kopf!

Starker TuS Osdorf erleidet Schock in Schlussminute

14. August 2016, 17:22 Uhr

Die Erleichterung kannte keine Grenzen mehr. Dennis Thiessen bejubelt seinen kunstvollen Siegtreffer in der Schlussminute, der dem AFC den Kopf aus der Schlinge zieht. Foto: noveski.com

Eine ganze Stunde lang lief das Spiel am Altonaer Fussball-Club nahezu komplett vorbei. Aufsteiger TuS Osdorf war das aggressivere, bissigere und deutlich griffigere Team, führte hochverdient durch einen 25-Meter-Hammer von Felix Schlumbohm und hatte Chancen auf das womöglich vorentscheidende 2:0. Doch dann: mit einem der allerersten gelungenen Angriffe im gesamten Spiel gelang Marco Schultz - musste wenig später verletzungsbedingt raus und sogar mit dem Krankenwagen abgeholt werden - nach feinem Querpass von Nick Brisevac der umjubelte Ausgleich (60.)! Bitter für die starken Wiehle-Schützlinge, die mit dem Schlusspfiff sogar noch den endgültigen Nackenschlag verpasst bekamen, als Dennis Thiessen, dem bis dato kaum eine Aktion gelang, TuS-Keeper Möhring mit einem traumhaften Heber aus dem Fußgelenk überloppte!

„Das war so ein bisschen wie das Wetter: wolkig und erdrückend. Mit dem 0:1 kam dann auch noch der Regen“, fasste AFC-Coach Berkan Algan die 90 Minuten sinnbildlich zusammen und analysierte treffend: „Die Jungs gehen mit einem blauen Auge ins Bett – und das hat Osdorf uns verpasst!“ Eine Stunde lang wirkte der AFC schlichtweg unkonzentriert und nicht bei der Sache, leistete sich Unzulänglichkeiten en masse und agierte ohne jeglichen Spielwitz oder Ideen. „In der ersten Halbzeit können wir auch drei Tore machen, haben im Abschluss aber die allerletzte Konsequenz vermissen lassen. Ansonsten haben wir eine richtig starke erste Hälfte gespielt – und meiner Meinung nach auch eine richtig gute zweite. Aber es ist halt schwer, wenn du in so einem Spiel gegen zwölf Mann bestehen musst...“, befand Piet Wiehle. Was er damit konkret meinte? Nach dem frühen Führungstreffer durch Felix Schlumbohm, der eine d’Agata-Ablage aus 25 Metern wuchtig im rechten unteren Toreck einschlagen ließ (13.) und mit diesem Traumtor den „Underdog“ auf die Siegerstraße brachte, ereignete sich unmittelbar nach Wiederanpfiff folgende Szene: nach einem Trapp-Eckball von rechts stieg Dennis Schmidt am zweiten Pfosten zum Kopfball hoch und traf die weit in die Höhe gestreckten Arme von Altonas Eliezer Correia Ca (49.). Referee Stephan Timm (SC Egenbüttel) ließ jedoch weiterspielen!

„Im Zweifel wurde alles gegen uns entschieden“

Das vermeintliche Handspiel von Eliezer Correia Ca (M.), das Osdorf-Coach Wiehle in Aufruhr versetzte. Foto: noveski.com

Zweite Szene: vor dem Ausgleichstreffer von Marco Schultz soll Sven Müller regelwidrig zu Boden befördert sein. „Im Zweifel wurde alles gegen uns entschieden. Die Krönung war das klare Handspiel, das einen Elfmeter für uns nach sich hätte ziehen müssen. Im Gegenzug wird Sven Müller gefoult und es fällt das 1:1. Das muss man erstmal verarbeiten. Aber nichtsdestotrotz haben wir eine gute Präsenz an den Tag gelegt“, erwiderte Wiehle, dessen Equipe in den ersten 45 Minuten nicht nur williger und aggressiver, sondern auch deutlich griffiger war als der Gegner. Mit dem 0:1 waren die Algan-Bengel noch bestens bedient. Beispiele: Patrick Herbrand steckte für Melvin Bonewald durch, der von halbrechts das lange Eck verfehlte (15.). Dann leistete sich Jan Novotny gleich zwei kapitale Aussetzer, als er sich zunächst vom starken Jeremy Wachter – wurde von Schlumbohm geschickt – verladen ließ, ehe er genau in die Füße von Eddy-Morton Enderle passte. Nachdem Wachter daraufhin im ersten Anlauf aus halblinker Position freistehend an Tobias Grubba scheiterte (19.), war der Keeper auch beim zweiten Anlauf, als der „Linksfuß“ das kurze Eck anvisierte, Sieger (28.). Torchancen des AFC in Abschnitt eins: null.

Marco Schultz (M.) musste verletzt vom Platz getragen werden. Foto: noveski.com

Der zweite Durchgang begann mit dem Aufreger um das vermeintliche Handspiel von Correia Ca und nahm seinen Lauf mit dem glücklichen 1:1 durch Schultz nach Brisevac-Zuspiel (60.)! Der Torschütze, der wenige Sekunden darauf sogar die komplette Wende auf dem Fuß hatte, mit seinem Querpass jedoch eine starke Rettungsaktion von Müller provozierte (61.), konnte sich jedoch nicht lange darüber freuen, musste wenig später verletzt vom Platz getragen werden. Mit dem Schlusspfiff traf sogar der Krankenwagen ein. „Das Schlimmste am heutigen Nachmittag ist die Verletzung von Marco Schultz. Ich hoffe so sehr, dass es nichts Ernstes ist. Der Junge kam gerade in seinen Rhythmus. Aber es sieht nicht gut aus“, befürchtet Algan einen längeren Ausfall und wagte eine Fernprognose. „Es sieht nach einem doppelten oder dreifachen Bänderriss aus, wenn nicht gar nach einem Knöchelbruch.“ Hoffen wir mal, dass es sich nicht bewahrheitet und wünschen dem Angreifer eine rasche Genesung!

Mit dem Ausgleichstor wachte 93 aus seiner Trance auf. Aniteye flankte von links, Stolzenburg legte am zweiten Pfosten ab – und Thiessen schoss nur um Zentimeter am langen Eck vorbei (63.). Die Gäste ließen sich aber nicht entmutigen und setzten weiter gefährliche Nadelstiche. Enderle probierte es aus größerer Entfernung mit einem gefährlichen Heber, der nur knapp über Grubbas Gehäuse segelte (66.). Dann: Novotny behielt dieses Mal anch einer Freistoß-Flanke die Übersicht – doch Correia Ca wurde im allerletzten Moment am Einschuss gehindert. Der TuS verteidigte und kämpfte gewohnt leidenschaftlich, hatte eine weitere Möglichkeit, als Herbrand aus dem rechten Halbfeld flankte, aber Freund und Feind verpassten. Eine turbulente Schlussphase brach an. Brisevac von rechts scharf vors Tor, Thiessen rutschte hauchdünn vorbei, ehe Rettstadt aus 20 Metern sein Ziel ebenfalls nicht allzu weit verfehlte. Was folgte, war der geniale Moment des Dennis Thiessen, der das Spielgerät mit einem ganz großen Schuss Genialität zum 2:1 in die Maschen hob – Müllers Rettungsversuch auf der Linie misslang (90.)! Ein ganz bitteres Ende für einen starken Liga-Neuling, der ohne den kurzfristig ausgefallenen Kapitän Bennet Krause, Top-Torjäger Antonio Ude und Torben Krause antrat, der mindestens einen Punkt verdient gehabt hätte.

„Reise auf einen anderen Planeten und zurück war anstregend“

Der Geniestreich des Dennis Thiessen (M.), der sowohl den heranrauschenden Patrick Herbrand (r.) als auch TuS-Keeper Christoph Möhring keine Abwehrchance ließ. Foto: noveski.com

„Wir waren heute auf einem anderen Planeten“, konstatierte Algan und fügte erklärend an: „Aber die jung haben die richtigen Raketen gefunden, um auf die Erde zurückzukommen. Wir waren am Anfang nicht da, aber die Mannschaft hat das gespürt. In den letzten 20 Minuten waren wir allerdings sehr dominant. Aber Osdorf hat das richtig gut gemacht und versucht, deren Mittel durchzupressen.“ Trotz des eher dürftigen Auftretens war der Glaube beim AFC-Coach noch da: „Ich habe zu ‚Klobe‘ (Manager Andreas Klobedanz, Anm. d. Red.) gesagt: ‚Wir gewinnen noch.‘ Er meinte daraufhin: ‚Ich weiß nicht.‘ Es war so ein Spiel, in dem eine Einzelaktion entscheidet – denn die Reise auf einen anderen Planeten und wieder zurück war zu anstrengend. Da musste ein gescheiter Moment her.“ Und diesen hatte „Edel-Techniker“ Dennis Thiessen. „Der Jungs ist so intelligent, dass er sein Spiel gut reflektieren kann. Wenn wir 5:0 gewonnen hätten, würde er mit einem großen Lächeln nach Hause gehen, weil er das Spiel liebt. Aber so gehen wir nun alle mit einem blauen Auge ins Bett.“ Sein Gegenüber bilanzierte: „Respekt vor meiner Truppe! Es tut mir für die Jungs weh, dass sie jetzt mit leeren Händen dastehen. Denn in der ersten Halbzeit haben wir Altona die Grenzen aufgezeigt!“