Oberliga

Trotz „unglaublichem“ Demalija: Arlt sieht sportliche „Hinrichtung“ bei Altonaer Scheibenschießen!

11. November 2023, 00:06 Uhr

Der Altonaer Fussball-Club hat einen eindrucksvollen Sieg am Kiesbarg gefeiert und den Kampf um die inoffizielle Herbstmeisterschaft offen gehalten. Foto: Kormanjos

Die Stimmung war prächtig, die Freude riesengroß: „Das war wirklich richtig stark!“, entgegnete ein euphorischer Marcello Meyer unmittelbar nach Spielschluss und dem feucht-fröhlichen Mannschaftskreis auf die Nachfrage, ob er womöglich sogar die beste Saison-Leistung seines AFC gesehen habe (alle Highlights im LIVE-Ticker). „Das hat auch von draußen richtig viel Spaß gemacht, da zuzugucken, weil in jedem Zweikampf viel Feuer drin war und wir super geil nach vorne verteidigt haben. Wir hatten auch so viele Ballgewinne im letzten Drittel, woraus wir eigentlich sogar noch viel zu wenig gemacht haben. Das war ein richtig gutes Spiel – und es ist echt schwierig hier am Kiesbarg. Das musst du erstmal so machen“, so der Co-Trainer von Altona 93, der den krankheitsbedingt abwesenden Chefcoach Andreas Bergmann vertrat.

Rasmus Tobinski (Mi.) zeigte eine gute Leistung als Altonaer Mittelstürmer und brachte sein Team auch in Front. Foto: Kormanjos

Im Endeffekt waren es zwei Protagonisten, die das ziemlich einseitige Spiel vor 385 Zuschauern am Kiesbarg prägten: Auf Altona-Seite glänzte der omnipräsente Gianluca Przondziono mit zwei Vorlagen, einem Tor und einem halben Eigentor. „Man muss einfach sagen, heute war die Mannschaftsleistung super. Aber klar, er hat ein riesen Impact auf unser Spiel, weil er einfach einen richtig geilen ersten Kontakt und ein super Passspiel hat, womit er die Jungs immer wieder einsetzen kann. Aber heute waren wirklich viele Faktoren entscheidend, dass wir als Mannschaft nichts zugelassen und uns so viele Chancen erarbeitet haben“, hob Meyer das gesamte Team hervor.

Und letztlich war da noch ein gewisser Armand Demalija. Der neue Torsteher des FC Süderelbe verhinderte mit unzähligen spektakulären Paraden und unfassbaren Reflexen das, was seinem Trainer in der Analyse als erstes Schlagwort über die Lippen kam – nämlich eine sportliche „Hinrichtung“, so Stefan Arlt. Das ganz besondere Kiesbarg-Flair erstickte Altona 93 am Freitagabend im Keime, so dass es zu 90 derart einseitigen 90 Minuten kam, die Arlt in seiner „Verantwortung mit Sicherheit noch nicht“ erlebt habe. „Weder mit der Ersten noch mit der Zweiten.“ Mit einer einzigen Ausnahme: „In der ersten Saison haben wir hier gegen Dassendorf gespielt. Die haben uns richtig auseinandergenommen.“

"Der Aderlass ist einfach zu groß"

Er wollte gar nicht erst nach „dummen Ausreden“ suchen – doch die Feststellung bleibt: „Der Aderlass ist einfach zu groß. Heute mussten sogar Kranke spielen – und das merkt man dann halt. Uns fehlten immer wieder vier, fünf Meter beim Zugriffsverhalten. Und das ist jetzt nicht gerade typisch für unsere Art und Weise, Fußball zu spielen“, sei seinem Team „das Rennen heute sehr schwergefallen“. Neben den vielen Ausfällen musste ein angeschlagener Maximilian Arlt ebenso von Anfang an ran, wie auch die kränkelnden Ljubisa Panic, Justin Heinbockel und Can Kömürcü. Und so waren die Hausherren schlussendlich mit dem 2:4 allerbestens bedient.

"Heute ist er angekommen!"

Verteidiger Steffen Neelsen (2. v. re.) konnte nach einer Ecke von Gianluca Przondziono das 2:0 für den AFC bejubeln. Hier wird er von Pascal El-Nemr geherzt. Archivfoto: noveski.com

Nicht zuletzt, weil ein Mann zwischen den Pfosten stand, dessen Leistung selbst Meyer adelte: „Unglaublich, wirklich!“ Während Alt hinterher meinte: „Heute ist er angekommen. In der ersten Halbzeit war ich noch nicht so glücklich mit seinem Spiel. Dann haben wir nochmal ein paar deutliche Worte verloren. Und in der zweiten Halbzeit hat man gesehen, was er halten kann. Er weiß, wie man ein Tor verteidigt. Aber wenn man ihn so oft allein lässt, wird es schwierig“, so Arlt über Demalija, der über vier Jahre lang keinen Fußball mehr gespielt, sondern nur trainiert hat. „Der braucht seine zwei, drei Spiele. Aber man hat im Training schon gesehen, dass er Qualität hat.“ Auch deshalb nahm der FCS den 25-Jährigen, der am vergangenen Wochenende sein Debüt feierte, direkt unter Vertrag.

„Während der Corona-Pandemie sollte er eigentlich in der Ukraine in der Ersten Liga spielen - und dann kam der Krieg. Er hat es gerade noch geschafft, dort rauszukommen und ist dann irgendwo in Italien untergekommen. Dadurch fehlten ihm zwei Jahre – wie vielen anderen auch“, berichtete Arlt – und führte aus: „Wir hatten ein riesen Torwart-Problem, weil alle verletzt sind – und haben rumtelefoniert bis zum geht nicht mehr, bis irgendjemand gesagt hat: ‚Da ist jemand, der hat zwar vier Jahre nicht gespielt, aber es könnte was für ihn sein, um wieder Fuß zu fassen.‘ Da wir einen Torwart brauchten und nicht viele andere Alternativen hatten, war er bei uns eine Woche im Probetraining und man hat direkt gesehen: Halten kann der. Die ersten Spiele hat er sich wahrscheinlich auch anders vorgestellt, obwohl wir intern besprochen haben, alles zu tun, um es ihm so einfach wie möglich zu machen.“

"Altona hat zwei Kernkompetenzen, die man nicht wegdiskutieren kann"

Stattdessen wurde Demalija von seinen Vorderleuten immer wieder im Stich gelassen. Per Freistoß servierte Przondziono erst Rasmus Tobinski per Kopf den Führungstreffer für die Gäste auf dem Silbertablett (31.), ehe er mit einem scharfen Eckball auf den ersten Pfosten die perfekte Vorarbeit für Steffen Neelsen leistete (39.)! „Altona hat zwei Kernkompetenzen, die man nicht wegdiskutieren kann: Das sind die Einwürfe und die Freistöße sowie Ecken. Die spielen sie einfach brutal. Die kannst du verteidigen, aber dann musst du sauber nach vorne verteidigen respektive rechtzeitig fallen, dass du nach vorne verteidigen kannst“, haderte Arlt.

Man habe auch „über die Standards, die sie vorne scharf in den halben Raum reinspielen und dann einlaufen, gesprochen“, verriet er – und konstatierte: „Das kannst du auch verteidigen. Es ist auch nicht schwer zu verteidigen. Du musst nur hingehen. Und das konnten wir heute nicht“, hatte er schon unter der Woche die Befürchtungen aufgrund der vielen Ausfälle. „Und dann wird es schwierig, weil wir nun mal von der Physis leben.“

Güraltunkeser lässt Süderelbe mit zwei Freistoß-Toren träumen

Die Spieler des AFC waren wacher, frischer und hatten spätestens jeden zweiten Ball bei sich. Auch fußballerisch setzte der "Dasse"-Verfolger ein Ausrufezeichen. Foto: Kormanjos

Weil Demalija nach Wiederanpfiff zur absoluten Höchstform auflief und nicht nur gegen Veli Sulejmani aus drei Metern glänzend parierte (58.) und einen inzwischen längst deutlich höheren Rückstand gegen stark aufspielende Gäste verhinderte, kam Süderelbe aus dem Nichts zurück. Gleich zweimal. Beide Male per Freistoß. Und sowohl beim ersten als auch beim zweiten ruhenden Ball war es Torjäger Osman Güraltunkeser, der erst davon profitierte, dass sein 18-Meter-Freistoß aus linker Position von Przondziono noch entscheidend abgefälscht wurde (60.), und das Leder dann aus nahezu identischer Position per Vollspann-Klebe durch die löchrige Mauer hindurch in den linken Giebel jagte (80.)!

Meyers glückliches Händchen - "Als Kampfansage würde ich das nicht bezeichnen"

Aber: „Bammel hatte ich eigentlich nicht, weil wir das Spiel im Griff hatten. Aber man weiß ja, wie es manchmal laufen kann. Natürlich kann es dann auch mal in eine andere Richtung kippen, obwohl es der Spielverlauf eigentlich gar nicht hergegeben hat“, erinnerte Meyer an einige Beispiele aus der Vergangenheit. Der AFC aber zeigte darauf stets „eine richtig gute Reaktion“ und hat „dem Gegner relativ schnell wieder den Zahn gezogen“. Auch dank Meyer, der Minou Tsimba-Eggers und Armel Gohoua in die Partie brachte. Keine 240 Sekunden auf dem Platz, da bediente Gohoua seinen Teamkollegen und Tsimba-Eggers schweißte trocken aus 17 Metern ins rechte untere Toreck ein (69.)! Auch nach dem 2:3 gab Altona die passende Antwort: Gohoua tanzte drei Verteidiger schwindelig und Przondziono zeigte seine technische Klasse sowie Schusstechnik – 2:4 (86.)!

Ein spielerischer Auftritt, der auch als Kampfansage zu verstehen ist? „Wir sind ja jetzt nicht erst seit heute da oben mit dabei. Natürlich sind wir hergefahren und wollten gewinnen – das war unser Anspruch. Dass das jetzt auch für die Seele ein so schöner Erfolg war, das kommt positiv obendrauf. Aber als Kampfansage würde ich das jetzt nicht unbedingt bezeichnen“, gab sich Meyer im Anschluss ziemlich bescheiden.

Autor: Dennis Kormanjos