Von einzigartigem Flair und Cevapcici

Hamburgs Traditionsplätze – Adolf-Jäger-Kampfbahn / von Dirk Becker

31. Januar 2013, 12:49 Uhr

Der marode Charme der AJK ist bereits im Eingangsbereich erkennbar.

Fußballplätze gibt es wie Sand am Meer in Hamburg. Doch wer genauer hinschaut, erkennt sie, die Perlen unter den Sportanlagen. Dass die Adolf-Jäger-Kampfbahn von Altona 93 eine von jenen Stätten ist, wo man die Tradition und das Flair quasi einatmen kann, ist bekannt. Doch was macht den Zauber genau aus? Die FussiFreunde begaben sich auf Spurensuche.

Die Reise beginnt, wie es in dieser Zeit fast schon Usus ist, mit einem Blick ins Online-Nachschlagewerk Wikipedia. Und siehe da: während die meisten Anlagen Hamburgs keine Berücksichtigung in der einschlägigen Enzyklopädie finden, ist zur AJK ein Eintrag vorhanden. „Das Stadion wurde 1909 erstellt und zählt zu den ältesten Sportstätten Deutschlands. 1944 wurde es nach dem deutschen Nationalspieler Adolf Jäger benannt, welcher von 1907 bis 1927 als Sturmführer bei Altona 93 spielte“, heißt es in den einleitenden Worten. In der Griegstraße in Ottensen befindet sich die Anlage, die Fußballanhänger nicht zuletzt für ihren maroden Charme lieben.

Onur Bektas stammt aus der AFC-Jugend und wechselte vor dieser Saison von der Oberligaelf der 93er zum Schleswig-Holsteinischen Klub FC Itzehoe. Gefragt, was den Zauber des Platzes ausmache, sagt der 22-Jährige: „Ganz klar die Zuschauer! An der AJK ist immer etwas los, dazu kommt diese Enge, alle sind ganz dicht dran. Für Altona muss das allerdings nicht immer nur positiv sein, denn jeder im Umfeld verlangt Siege, und wenn es mal nicht so läuft, dann können Heimspiele für die Mannschaft auch mal unangenehm sein!“

8000 Zuschauer fast das Stadion, in dem auch die American Footballer der HSV Hamburg Blue Devils ihrem Sport nachgehen, gegenwärtig. Ausverkauft war ein Heimspiele von Altona 93 schon lange nicht mehr, auch nicht, als kürzlich die Bundesligamannschaft des Hamburger SV für eine Freundschaftspartie Stippvisite machte. Und dennoch: von den Besucherzahlen her ist Altona in der Oberliga Hamburg das Nonplusultra. In der Adolf-Jäger-Kampfbahn aufzulaufen, ist für jeden Kicker etwas Besonderes. So auch für Itzehoes Christopher Dobirr, der in Hamburg für den VfL Pinneberg und den Niendorfer TSV am Ball war. „Die Adolf-Jäger-Kampfbahn ist ein reines Fußballstadion, sie zeigt die ganze Faszination des Amateurfußballs. Man riecht bereits in den Katakomben die Geschichte und die Tradition. Des Weiteren ist es ein tolles Publikum, das einfach nur Bock hat, Fußball zu schauen. Ich habe in der letzten Serie mit Pinneberg mein erstes und einziges Pflichtspiel dort bestritten, das war immer ein Ziel von mir, dort noch einmal aufzulaufen – dann haben wir noch einen Sieg eingefahren“, erzählt der 32-Jährige.

„Einfach nur mitreißend“

Beinahe wäre das Stadion in der Vergangenheit sogar zu Länderspielehren gekommen. Als die Nationalelf der Färöer Inseln 1990 einen Ausweichplatz für die Begegnung gegen Österreich suchte, brachte das Bezirksamt Altona aufgrund der gemeinsamen dänischen Vergangenheit die Adolf-Jäger-Kampfbahn ins Spiel. Letztlich entschied sich der Färöische Fußballverband jedoch lieber für einen Austragungsort in Schweden.

Doch so oder so: bewegende Momente hat die der Adolf-Jäger-Kampfbahn zur Genüge erlebt. Joe Noveski, selbständiger Sportfotograf und Redakteur liefert eine ganz persönliche Anekdote. Mitte der 1980er ging der heute 40-Jährige als Jungpionier einmal die Woche in eine jugoslawische Schule. Sprache lernen, Grammatik und Heimatkunde standen auf dem Lehrplan. Zu besonderen Anlässen wurde die Adolf-Jäger-Kampfbahn angemietet. „Ich kann nur für mich sagen, dass es etwas ganz Besonderes war, dort auf dem Spielfeld mit meiner Klasse aufzutreten und einen einstudierten, musikalischen Vortrag abzuhalten. Sommerliches Wetter, vom Grill wehte der Duft herrlich brutzelnder Cevapcici und von der altehrwürdigen Tribüne holten wir uns den verdienten Applaus zu unserer Darbietung ab“, erinnert sich Noveski, dem es als aktiver Fußballer verwehrt blieb, einmal in der AJK aufzulaufen.

„1981 habe ich bei TuS Alstertal mit dem Fußballspielen angefangen. In der Jugend hatten wir auch gegen Altona 93 gespielt, jedoch nie im Stadion. Geträumt habe ich als kleiner Junge immer davon, realisiert habe ich es erst mit Beginn meiner Selbständigkeit als Journalist und Sportfotograf von noveski.com. Vom Spielfeldrand das Actionfoto für meine Auftraggeber zu schießen, wenn um einen herum beispielsweise das 91 – 92 – 93 angestimmt wird, ist einfach nur mitreißend.“

Faszination AJK. Wie wird sie eigentlich von offizieller Vereinsseite wahrgenommen? „Ehrlicher Fußball in einem der ältesten Stadien Deutschlands, das noch ursprüngliches Flair versprüht“, umreißt Andy Sude, Pressesprecher von Altona 93, die Anziehung der Anlage, die unbestreitbar in die Jahre gekommen ist. Gesetzt den Fall, der AFC würde den Aufstieg in die Regionalliga Nord schaffen, wäre ein Umzug unvermeidbar. Die Toleranzen und Auflagen der Behörden würden augenscheinlich wenig Spielraum für Ausnahmen darstellen, sagt Sude. Bereits in der in der Saison 2008/09 trug Altona seine Regionalligaheimspiele aufgrund der Statuten des Verbandes nicht an der Griegstraße aus, sondern musste ins Stadion Hoheluft ausweichen. In den vergangen Jahren gab es wiederholt Diskussionen um einen Neubau, der den modernen Anforderungen des ambitionierten Spielbetriebs gerecht werden würde. Die große Frage wäre dann, wie man das einzigartigen AJK- Flair erhalten könnte.

„Erst wenn sinnvolle Alternativen vorliegen, wird man sich zu dieser Frage mit der Abteilung ‚Fußball Fans‘ und allen anderen interessierten Mitgliedern zusammensetzen. Seite an Seite werden dann ernsthafte Alternativen diskutiert und mit einer eindeutigen Mehrheit in den Mitgliederversammlungen beschlossen. Nur ein breiter Konsens unter den Mitgliedern ist dabei charmeerhaltend. Allerdings ist diese sinnvolle Alternative zu dem jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben“, konstatiert Sude.

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