Von wegen Männersport!

„Meyers Sicht der Dinge“ / von Björn Meyer

27. November 2013, 07:26 Uhr

Foto: KBS-Picture.de

Wir schreiben das Jahr 2013 an der Sternschanze: Während sich die 1.Frauen des SC Sternschanze und die des Norderstedter FC für das direkt bevorstehende Frauen-Landesligapunktspiel gewissenhaft warm machen, lästert ein älterer Herr: „Die sollen sich mal lieber um ihren Haushalt kümmern, anstatt hier ihre Paralympics auszutragen!“. Eine dreiste Aussage, die von einigen „Fußballtraditionalisten“ tatsächlich locker unterschrieben wird.

Eine Bestandsaufnahme Hamburger Mädchenfußballs - von Björn Meyer.

Zu den Unterzeichnern dieses Statements zähle ich mich auf jeden Fall nicht – besonders deswegen, weil ich mich damit indirekt selber beleidigen würde, wurde ich Ende Juli bei den U15-Mädchen des SC Sternschanze angeheuert. Mit einer gewissen Skepsis in die Angelegenheit hineingegangen, kann ich jetzt von mir behaupten, mich voll und ganz mit der Sache identifiziert zu haben. Und das, obwohl so manches für einen Quereinsteiger aus dem Herrenbereich schlicht befremdlich erscheint. Als Liebhaber von grätschenden Hartplatzhelden muss man seine Ideale freilich umstellen, wobei ich mich frage, ob ich mich wirklich daran gewöhnen will, dass man zum Beispiel im Oktoberregen mit drei Spielerinnen auf dem Trainingsplatz seht, während die restlichen 14 Spielerinnen im Musikunterricht, beim Hip-Hop Tanzen oder auf dem Golfplatz weilen, wenngleich eine sinkende Trainingsresonanz in den kälteren Monaten ja allgemein weit verbreitet ist.

Dennoch lassen sich unterschiedliche Einstellungsauffassungen zwischen den beiden Geschlechtern nicht wegdiskutieren, wie Kristina Kreyer, Trainerin der weiblichen U12-Auswahl des HFV gesteht: „Die meisten Jungs haben einen ausgeprägteren Wettbewerbsgedanken“, stellt die Frauen-Verbandsligaspielerin fest, nicht ohne dabei auf die mannigfaltigen Unterschiede des Mädchen- und Jungenfußballs hinzuweisen, welche bereits im Alltag beginnen. „Jungs haben in der Regel in ihrer Freizeit viel mehr Fußballkontakte, spielen Fußball auf dem Schulhof, während sich die Spielerinnen aus reinen Mädchenmannschaften außerhalb des Vereinstrainings eher nicht mit Fußball beschäftigen“, so Kreyer.

Den Gegenentwurf dazu stellt Manon Funke, für „meine“ Truppe unterwegs, dar. „Es gibt vieles, was ich an dieser Sportart wirklich gerne mag, aber das allerwichtigste ist: Man kann sie überall mit jedem und mit allem spielen.“ Da wird auch das heimische Mobiliar in aller Regelmäßigkeit mit dem Softball gefährdet und der eigene Vater zum Techniktrainer. Ohne dumme Sprüche und Vorurteile kann die Vollblutkickerin in der Bildungsanstalt derweil nicht gegen das Runde treten. „Die meisten Mädchen in meinem schulischen Umfeld fanden, dass nur Jungs Fußball spielen können und wer Fußball spielen kann, ist dann eben ein Junge.“ Immerhin konnte der Sportunterricht schlussendlich auch die Kritikerinnen für den Fußballsport begeistern, denn „Fußballspielen“ ist schließlich laut Lina Charlotte Gaßner (nicht nur Kreyers rechte Hand beim HFV, sondern auch meine „Chefin“ bei den SCS-Mädels) „einfach das geilste, was es gibt! Vor allem gegen Jungs“, addiert Funke und erklärt: „Mädchen haben gegen Jungs nichts zu verlieren, wollen aber beweisen, dass sie besser sind und spielen dadurch auch besser.“ Kurzum: Sie entwickeln einen stärkeren Wettbewerbssinn, entgegen eventueller Nachteile in Körperlichkeit und Spieldynamik. Eine komplette Abschaffung des Mädchenbereichs im Auftrag der Inklusion ist für Kristina Kreyer, auch Übungsleiterin der männlichen U14-Landesliga-Kapelle des SC Nienstedten, jedoch keine Option: „Das wäre mir zu radikal. Man sollte den Mädchen- und Jungsbereich gar nicht versuchen zu vermischen, dafür sind die Unterschiede zu groß. Es gibt allerdings auch einige, wenige Mädchen, die auch mit sehr guten Jungs mithalten können und die den Wettbewerb mit genau diesen brauchen, um sich noch besser zu entwickeln. Diese Mädchen können in ihrem eigenen Verein bereits bei den Jungs mitkicken; ein Zweitspielrecht auch für andere Vereine wäre aber hilfreich, um die Möglichkeit zu bieten, ein Team zu finden, welches möglichst genau demselben Spielniveau entspricht. Das ist manchmal im Heimverein nicht möglich“, entwirft Kreyer eine mögliche Lösung, die unter den jungen Herren der Schöpfung indes weitgehende Zustimmung findet: „Ich habe kein Problem damit, gegen oder mit Mädchen zu spielen. Schließlich ist der Sport ja immer noch derselbe“, erklärt Maximilian Stadelmann (15), in Diensten der U16-Verbandsliga des SV Lurup. Berührungsängste hat er dabei nicht. „Ich führe jeden Zweikampf mit derselben Härte – egal, ob Junge oder Mädchen. Geschenke gibt es von mir beim Fußball nicht!“

Einen Beweis für die steigende Toleranz und Förderung des weiblichen Fußballs stellt auch ganz klar die steigende Anzahl von Vereinen, die Mädchenfußball anbieten, dar. „Das Angebot, gerade auch im F-Mädchenbereich, ist immer breiter gefächert.“ Ein Umstand, der ergo auch für mehr Qualität in diesem Bereich sorgt. Wie groß dieser Qualitätssprung ausfällt, liegt nicht zuletzt am Engagement der TrainerInnen und der gesellschaftlichen Akzeptanz, denn solange man als Spielerin mit Aussagen, wie der des älteren Herren zu Beginn des Textes zu kämpfen hat, sind wir noch ein gutes Stückchen von der sportlichen Gleichberechtigung entfernt…