„Wenn du keine Perspektive mehr siehst, musst du handeln“

Thomas Kurt als Trainer beim TSV Neuland zurückgetreten

08. Februar 2017, 16:50 Uhr

Hat sein Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt: Der bisherige TSV Neuland-Coach Thomas Kurt. Foto: noveski.com

Bei einem neunten Tabellenplatz mit 21 Punkten aus 16 Spielen kann man nicht unbedingt von einer bisher völlig missratenen Saison sprechen oder gar mit dem Abschied des Trainers rechnen. Doch beim TSV Neuland ist genau dies nun passiert: Thomas Kurt hat sich mit sofortiger Wirkung beim Süd-Bezirksligisten verabschiedet. Nachdem der Coach am Montag den Verein darüber in Kenntnis setzte, dass er zurücktritt, wurde gestern die Mannschaft informiert. Gegenüber den FussiFreunden verrät der 56-Jährige seine Beweggründe für den Rücktritt.

Thomas Kurt schenkt sofort den sprichwörtlichen reinen Wein ein. „Es gärte schon seit längerem. Im August hat sich mein Co-Trainer Kai Heimsoth verabschiedet, weil es da Unstimmigkeiten zwischen ihm und Spielern gab. Da fing die Misere an“, sagt der 56-Jährige direkt zu Beginn des Gesprächs mit der FussiFreunde-Redaktion, als die Frage aufkommt, warum der Coach eines Tabellenneunten plötzlich ganz überraschend seinen Posten zur Verfügung gestellt hat und nicht mehr als Trainer des TSV Neuland arbeiten will. „Ich war hier gerne und wäre auch gerne noch länger geblieben,“ sagt Kurt. 

„Mein Gesicht scheint aufgebraucht, die Mannschaft braucht ein neues Gesicht als Trainer“

Kurts Assistenztrainer Kai Heimsoth strich bereits im August die Segel, Foto: noveski.com

Aber: „Wenn du keine Perspektive mehr siehst, musst du handeln“, erklärt Kurt, „ich bin für mich zu der Erkenntnis gekommen: Mein Gesicht scheint aufgebraucht, die Mannschaft braucht ein neues Gesicht als Trainer“, konstatiert Kurt. Was ihn zu diesem Schluss hat kommen lassen? Dazu muss der 56-Jährige etwas weiter ausholen. „Wir haben eigentlich einen guten Kader und gute Spieler. Aber es haben immer wieder Stammspieler gefehlt. Als Trainer musst du dann Lösungen finden. Hin und wieder kriegt mal ein Spieler einen Rappel und will eine Auszeit machen, dann gibt es andere, die Urlaub haben oder die Arbeit geht vor. So haben in unserem kleinen 21-Mann-Kader dann mal sieben oder acht Leute auf einmal gefehlt. Dann sagen auch noch andere kurzfristig ab. Es ist schwierig, den Rest bei Laune zu halten“, erläutert Kurt und fügt an: „Neuland ist ein gallisches Dorf und sicher nicht am Nabel der Welt. Aber alle Spieler, die bei uns sind, wissen auf was sie sich eingelassen haben. Trotzdem hat die Bereitschaft zur Teamfähigkeit gefehlt.“

Soll heißen: „Einige haben keine gesunde Selbsteinschätzung gezeigt, sondern den Egomanen raushängen lassen. Das hat mich gewurmt. Wir hatten bereits eine Aussprache zu dem Thema, aber wenn sich das nicht ändert, fragst du dich als Trainer schon: Warum mache ich das überhaupt?“, so Kurt. Der berühmte Tropfen, der das Fass bei ihm dann zum Überlaufen brachte, sei das vergangene Wochenende gewesen, so der bisherige Übungsleiter. „Wir waren beim Hallenturnier um den Musa-Cup 2017 dabei. Am Tag vorher sind noch Spieler abgesprungen, so dass ich am Turniertag noch zusehen musste, dass ich acht Spieler zusammenbekomme“, berichtet Kurt, „im ersten Spiel gegen den Harburger SC haben wir gegen eine Truppe aus der Kreisklasse eine desolate Leistung gezeigt. Danach bin ich laut geworden. Richtig laut. Einige haben das falsch aufgenommen und die Einsicht fehlte. Danach haben wir uns im zweiten Spiel zusammengerissen.“ Dennoch hätten sich weitere Undiszipliniertheiten eingeschlichen. „Man kommt einfach nicht zu spät, wenn es heißt: Wir treffen uns dann und dann an diesem Ort. Das hat mir nicht gefallen.“

„Ich kann's nicht mehr hören, wenn einer wegen Kunstrasen und drei Euro mehr woanders hin will“

„Die Bereitschaft zur Teamfähigkeit hat gefehlt“, sagt Thomas Kurt. Foto: noveski.com

„Viele Spieler“, so Kurt weiter, „sind nicht dankbar für das, was man als Trainer oder Verein über das Normale – wie das Training – hinaus für sie macht“, befindet Kurt und ergänzt: „Es ist zudem schwierig, neue Spieler zu rekrutieren. Ich kann es nicht mehr hören, wenn einer wegen einem Kunstrasen und drei Euro mehr woanders hin will. Außerdem bin ich in der Halle am Wochenende öfter angesprochen worden, was denn bei uns los wäre und warum viele Spieler öffentlich sagen, dass sie am liebsten sofort weg wollen. Sowas gehört sich für Spieler nicht. Sie sind freiwillig bei uns und ich kann niemanden zwingen, hier zu bleiben, aber keiner hat das Recht öffentlich zu sagen: Hier gefällt es mir nicht. Das schafft Unruhe. Als Spieler muss man nach meinen Verständnis ehrenhalber alles bis zum Saisonende geben.“

All dies ließ Kurt schließlich zu dem Entschluss kommen, dass er nicht mehr der Richtige sei. „Wie heißt es doch immer: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Und wenn ich nunmal als Trainer der Kopf bin, dann muss ich etwas dagegen machen“, verdeutlicht der 56-Jährige, der nun erst einmal eine Pause vom Dasein als Coach einlegen will: „Und die werde ich genießen!“ Gleichwohl aber denkt er nach wie vor auch an seine bisherige Mannschaft: „Das Potenzial in der Truppe ist da. Aber: Einen neunten Platz und 21 Punkte als sicher zu bezeichnen, ist ein Trugschluss. Du kannst auch schnell unten mit drin hängen, wenn die Erfolge ausbleiben“, erklärt Kurt, der zudem verrät: „Der Präsident und der Vorstand waren von meinem Rücktritt geschockt, als ich ihnen die Entscheidung mitgeteilt habe.“ Dem Vernehmen nach will der Verein noch vor dem Wochenende einen Nachfolger für Kurt präsentieren. Präsident Horst Meyer war für eine Bestätigung dieses Gerüchts bisher leider nicht erreichbar.


Jan Knötzsch