„Wollen ehrlichen Fußball und haben keinen Bock auf Kommerz!"

1000-Seelen-Dorf Gülzow mit Fankultur und Antipathie in die Kreisliga

13. Juni 2016, 09:29 Uhr

Mit aufwändigen Choreographien ünterstützen die Mitglieder der "Gülzower Support Elite" ihre Farben. Foto: facebook.com/TSV Gülzow

Während es in einigen Kreisklassen bis zum letzten Spieltag spannend war, konnte sich das Spitzentrio in der Kreisklasse 8 schon frühzeitig mit dem Aufstieg in die Kreisliga beschäftigen. Feststand nämlich, bereits drei Wochen vor Saisonende, dass nicht nur der Zweitplatzierte, sondern auch der beste Drittplatzierte in die Kreisliga hochgehen wird. Da alle drei Teams bereits zu diesem Zeitpunkt fleißig Punkte gesammelt hatten, ging es also lediglich noch um die Meisterschale!

Egal ob als Erster, zweiter oder Dritter - aufgestiegen ist aufgestiegen! Foto: facebook.com/TSV Gülzow

Am Ende konnte sich der VSG Stapelfeld mit einem Punkt mehr durchsetzen, verwies den TSV Gülzow auf Platz zwei und hing dem FTSV Lorbeer-Rothenburgsort III die Bronzemedaille um. „Von der Qualität her hätten wir es verdient gehabt, als Erster aufzusteigen“, betont Gülzow-Coach Oliver Stender. Doch war es schlussendlich dieses eine Spiel, gegen den jetzigen Meister, welches die Stender-Elf verlor (0:1) und sich am Ende mit der Vizemeisterschaft zufrieden geben musste. „Wir hatten in Stapelfeld enorm viel Pech. Die waren nicht besser als wir – nicht ein Stück“, konstatiert Stender. So verlor man das Spitzenspiel am 28. Spieltag, in dem man mit dem Gegner „mehr als auf Augenhöhe war“ durch einen unglücklichen Treffer „direkt in den Winkel“ und sah frühzeitig die Felle davonschwimmen. „Letztendlich fragt am Ende aber eh keiner mehr, ob du als Erster, Zweiter oder Dritter aufgestiegen bist“, so Stender abschließend.

„Keine Lust mehr den Jammerlappen im Fernsehen zuzusehen"

Grün-Weiß-Rot. Diese Farben sind im gesamten "Pintenpark-Stadion" vertreten. Foto: facebook.com/TSV Gülzow

Wo der TSV in der normalen Tabelle nur Zweiter wurde, führt der Klub von der Schloßstraße allerdings das Tableau der „Meisten und Engagiertesten Fans“ mit großem Abstand an! Oft sind es mehr als hundert Zuschauer, die mit Trommeln, Fahnen und Leuchtmitteln den Weg ins 1000-Seelen-Dorf finden. „Angefangen hat das vor gut zwei Jahren, als wir in die Kreisliga aufgestiegen sind“, so der TSV-Coach rückblickend. Damals brachte es Matthias „Monty“ Horst ins Rollen, der die Fankultur bis heute vorantreibt. „Ich stand lange Zeit auf der Nordtribüne beim HSV. Das hat mir aber keinen Spaß mehr gemacht, hier aber schon. Das ist unser Verein“, erzählte „Monty“ der Bergedorfer Zeitung. Vor allem weil man sich „mit dem Verein identifizieren kann“ und man „keinen Bock mehr auf den kommerziellen Fußball“ hatte, habe man kurzerhand eine Antipathie entwickelt.

„Wir alle wollen ehrlichen Fußball sehen und Spaß haben“, stellt auch Stender klar, der begeistert davon ist, dass sich in Gülzow so eine Fanbase entwickelt hat: „Das ist sensationell und man kann es gar nicht hoch genug bewerten“. Denn neben den ganzen Unterstützern des Vereins, ist es auch Stender satt, „den Jammerlappen im Fernsehen zuzusehen, die einen Haufen Geld verdienen, aber rumheulen, wenn sie sieben Spiele in vier Wochen absolvieren müssen“. Deswegen schaut sich der TSV-Trainer teilweise „lieber Eishockey oder Handball an“, da dies „wenigstens noch echte Kerle sind“ – obwohl er seit über 40 Jahren Fußballer durch und durch ist.

„Das was wir hier haben, hat fast niemand!

Die "Gülzower Support Elite" hört man nicht nur, mansieht sie auch! Foto: facebook.com/TSV Gülzow

Und auch wenn der TSV-Coach die Gesänge, Choreographien und Emotionen an der Linie anders war nimmt als seine Spieler auf dem Feld, ist er überzeugt davon, dass die Unterstützung in engen Spielen den Unterschied machen kann: „Ich glaube, dass es den fehlenden Schub geben und das letzte Prozent aus den Spieler herauskitzeln kann.“ So ist es oftmals der Übungsleiter selbst, der sein Team immer wieder daran erinnert, dass das Umfeld in Gülzow – schon gar nicht für einen Kreisligist – normal ist: „Die Spieler sollen daran denken, dass das, was sie hier haben, fast niemand hat und man diesen Jungs etwas zurückgeben muss.“

Ein Top-Torjäger ist wie ein Hauptsponsor

Was die Zukunft anbelangt, hofft Stender nicht nur, dass die Unterstützung weiterhin so phänomenal sein wird, sondern auch, dass man sich in der Kreisliga etablieren kann: „Als Ziel steht der Klassenerhalt an erster Stelle. Das was man vor zwei Jahren nicht gut gemacht hat, müssen wir jetzt besser machen. Und ich hoffe, die Spieler haben daraus gelernt.“ Da man aber in der schwersten Staffel spielen will, schaut Stender mit gemischten Gefühlen auf die kommende Saison und verpflichtete deswegen einen weiteren Stürmer. Zwar konnte man die Tore in der abgeschlossenen Saison auf mehrere Schultern verteilen, was den Vizemeister etwas unberechenbarer machte, doch müsse man die Qualität weiter heben. So zieht es den 27-jährigen Bünyamin Gündüz vom FC Lauenburg in das zehn Kilometer entfernte Dorf. „Ich habe immer gesagt, dass es keinen Sinn macht, wenn du einen oder zwei gute Stürmer hast. Erstens kann der Gegner sich darauf einstellen und zweitens kann der Spieler auch ausfallen. Es ist ähnlich wie mit Sponsoren, da machst du dich komplett abhängig und das ist auf Dauer tödlich!“

Autor: Daniel Meyer