Oberliga

Das Hoffen auf "irgendein Trickplay" - doch dann bringt "Memo" die "Geächteten" zum "Heulen"!

06. März 2020, 23:07 Uhr

Mit dem Trikot von Jeremy Wachter, der dem TuS Osdorf den Rest der Saison ausfallen wird, feierte Mehmet Eren (Mi.) zusammen mit den Teamkollegen den Last-Second-Siegtreffer. Foto: Kormanjos

Während Cemil Yavas, Manager des TuS Osdorf, und sein verletzter Torjäger Jeremy Wachter am Spielfeldrand darüber philosophierten und vor allem rätselten, wann ihr Team das letzte Mal 0:0 gespielt hat (Yavas: „Das muss noch in der Landesliga gewesen sein“), bot sich den „Blomkamplern“ in der Nachspielzeit noch einmal die große Chance, eine Nullnummer zu verhindern (alle Highlights im LIVE-Ticker). „Ich kann mich auch nicht daran erinnern“, grübelte Wachter über das letzte torlose Spiel seines TuS, ehe Mehmet Eren von Raffael Kamalow nur durch ein Foulspiel zu bremsen war und die Gastgeber einen Freistoß aus gut und gerne 24 Metern Torentfernung zugesprochen bekamen...

Der Gefoulte legte sich den Ball selbst zurecht und schritt zur Tat. Doch Erens Versuch blieb in der Mauer hängen – so schien es jedenfalls. Denn das Spielgerät wurde aus Hamm-Sicht derart unglücklich abgefälscht, dass es direkt neben dem rechten Pfosten einschlug. Direkt danach pfiff Referee Kevin Rosin die Partie ab – während Eren den Treffer mit seinen Teamkollegen ausgiebig bejubelte. Und zwar mit dem Trikot von Jeremy Wachter (siehe Video!). Was für ein verrücktes Finish vor 120 Zuschauern am Blomkamp! Doch zurück zum derzeit verletzten Goalgetter der Osdorfer. Dieser wird mit einer Schambeinentzündung für den Rest der Saison ausfallen, so die bittere Kunde, die uns Cemil Yavas im Verlaufe des Spiels übermittelte. Ein überaus schmerzhafter Verlust für Osdorf, was auch seine Mannschaftskameraden beim Bejubeln des Last-Second-Treffers überaus deutlich zum Ausdruck brachten und auf den hinter der Bank stehenden Wachter zueilten...

Das Siegtor und der anschließende Jubellauf im Video

Auf die Frage, ob er damit gerechnet habe, dass der Freistoß in der Nachspielzeit noch den entscheidenden Punch bringen könnte, entgegnete TuS-Trainer Philipp Obloch: „Ich hatte vor allem nicht auf dem Schirm, dass es schon die letzte Aktion ist. Deswegen habe ich auch bei dem Tor noch gar nicht so doll gejubelt, weil ich dachte, wir müssen wahrscheinlich noch drei Minuten überstehen.“ Doch dem war nicht so. Die Situation an sich schätzte er als „schwierig“ ein, so Obloch, „weil es eigentlich zu weit weg war, um zu schießen“. Er habe gehofft, dass sich seine Jungs „irgendein Trickplay“ einfallen lassen würden. „Als ich gesehen habe, dass das nichts wird, dachte ich mir nur: Einfach drauf – und hoffen, dass er abgefälscht wird oder abprallt.“ Ersteres war schließlich auch der Fall. „Es muss auch mal so einer runterfallen“, freute sich Obloch über den späten Triumph, den ersten nach zuvor sechs sieglosen Spielen, und darüber, dass er einen Spieler von dem Kaliber eines Mehmet Eren noch von der Bank bringen konnte. "Er war diese Woche einmal nicht beim Training und andererseits will man beim Nachlegen auch noch variabel sein“, schätzt Obloch die Qualitäten („Das ist Fluch und Segen zugleich, da er von Stürmer bis Innenverteidiger alles spielen kann“) des ehemaligen Eidelstedters. „Wir wussten, dass wir damit nochmal einen Impuls setzen können.“

"Wir verlieren den Ball und verursachen einen Freistoß, der einfach reingehen musste"

In der 64. Spielminute betrat Mehmet Eren (Nr. 17) - kam für seinen Bruder Volkan - zusammen mit Tonir Rohrbach (Nr. 23) das Geläuf am Blomkamp. Foto: Kormanjos

Ein Impuls, der den „Geächteten“ am Ende das Genick brach. „Hier geht die bessere Mannschaft heute als Verlierer vom Platz“, konnte es HUFC-Coach Sidnei Marschall im Teamkreis kaum fassen – und meinte wenig später: „Ich könnte fast heulen!“, ehe er anfügte: „So eine Leistung – und dann machst du vorne trotz riesiger Chancen kein Tor. Stattdessen kassieren wir solch einen Gegentreffer“, ärgerte er sich über das Zustandekommen, das aus einem Ballverlust des in die Partie gekommenen Alessandro Schirosi und dem anschließenden Foul von Kamalow resultierte. „Du darfst das Spiel eigentlich nicht verlieren“, bilanzierte Marschall, der den Gegner bei Standards gefährlich sah. „Aber sonst ist eigentlich nichts passiert. Wir kommen gut an oder sogar in die Box, aber schießen kein Tor. Und wir müssen hier ein Tor schießen – dann geht das ganz anders aus“, war er sich unmittelbar nach dem bitteren Ausgang sicher. „In der letzten Minute daddeln wir wieder in unserer Hälfte rum. Man kann es vorher schon pfeifen, weil drei Leute unseren Spieler halten. Aber der Schiri pfeift nicht, wir verlieren den Ball und verursachen einen Freistoß, der natürlich reingehen musste“, hatte er bereits eine böse Vorahnung.

"In der Entwicklung ein sehr wichtiger Schritt - wichtiger als die drei Punkte"

Mehmet Eren (mit dem Trikot mit der Nummer 11 in der Hand) avancierte nach seiner Einwechslung zum Matchwinner. Foto: Kormanjos

Sein Gegenüber fand unterdessen nicht, dass die „bessere Mannschaft als Verlierer vom Platz gegangen“ sei, wie Marschall konstatierte. „Ich finde, es war ein ordentliches und ein diszipliniertes Spiel – eigentlich ein Unentschieden-Spiel“, analysierte Obloch. „Wir mussten ein paar brenzlige Situationen überstehen, hatten aber gerade in der zweiten Halbzeit eine Phase, wo wir echt am Drücker und dominant waren und auch ein gutes Gegenpressing hatten – ohne aber die ganz klaren Chancen gehabt zu haben. Wir haben uns schon extrem schwer getan, zu guten Chancen zu kommen. Insofern war es für mich ein Unentschieden-Spiel, das mal auf die eine und mal auf die andere Seite kippt.“ An jenem Freitagabend kippte es auf die Seite des Tabellenachten, der den Vorsprung auf den Zehnten dadurch wieder auf sechs Punkte ausgebaut hat. „Wir haben in der Halbzeit gesagt, dass es so ein bisschen wie Tauziehen ist und wir immer weiter machen müssen, bis wir das Bändchen gerade so auf unsere Seite rüber gezerrt haben. Das hat irgendwie geklappt. Dass es hintenraus mit dem abgefälschten Freistoß glücklich ist, ist keine Frage. Aber es ist für uns in der Entwicklung ein sehr wichtiger Schritt – wichtiger als die drei Punkte. Denn wir haben endlich mal zu Null gespielt, den ersten Zu-Null-Heimsieg gefeiert und haben es auch über weite Strecken sehr diszipliniert und konzentriert weggearbeitet“, so Obloch. Wenngleich man auch gesehen habe, „dass wir in einigen Phasen ein bisschen zögerlich waren im Fußballspielen. Dieser Sieg hilft uns, wieder etwas mutiger zu spielen.“

"Das war die beste Woche in diesem Jahr"

So erleichtert der TuS-Trainer war, so niedergeschlagen war Marschall hinterher: „Das ist richtig bitter, weil wir diese Woche wirklich brutal trainiert haben. Das war die beste Woche in diesem Jahr. Und ich war mir sicher, dass wir uns hier gut präsentieren und auf jeden Fall auch etwas mitnehmen – doch dann kassierst du so ein Tor. Trotzdem werfe ich der Mannschaft überhaupt nichts vor, außer, dass wir es nicht clever zu Ende gespielt haben. Mit einem Punkt wäre ich noch einigermaßen zufrieden gewesen – auch wenn ich drei wollte. Aber mit null Punkten nach Hause zu fahren, das ist richtig bitter“, wird der Hamm-Coach die 90 Minuten – und insbesondere die eine Szene in der Nachspielzeit sicher noch einige Male in seinen Träumen durchleben müssen...

Autor: Dennis Kormanjos