Ein Fehlgriff mit Folgen: Doppeltorschützen-Duell endet Remis

Drinkuth und Knöll sorgen für 2:2 zwischen „EN“ und HSV II

30. Juli 2017, 20:22 Uhr

Tatsuya Ito (vo.), der den Elfmeter zum 1:1 herausgeholt hatte, beglückwünscht Törles Knöll zu dessen Treffer zum 2:2-Endstand. Foto: KBS-Piture

Es sah eigentlich alles danach aus, als ob im Hamburger Regionalliga Nord-Derby zwischen dem FC Eintracht Norderstedt und dem Hamburger SV II der Sieger schon gefunden war: Doch dann folgte die 80 Minute und mit ihr ein Griff, der daneben ging. Urplötzlich stand es nicht mehr 2:1 für die Hausherren, sondern 2:2. Mit diesem Ergebnis sollten die beiden Mannschaften letztlich auch auseinandergehen und zwei Trainer, die nicht unbedingt mit allem zufrieden waren, sowie einen erstaunlich ehrlichen Unglücksraben hinterlassen...

Johannes Höcker gab sich nach dem Spiel selbstkritisch. „Der Ball kommt – mit der Picke geschossen – aus der kurzen Distanz aufs Tor. Ich komme mit der Hand zwar hin, aber er geht rein“, umschrieb der Schlussmann von Eintracht Norderstedt jenen Moment, der sich zehn Minuten vor dem Abpfiff von Schiedsrichter Tim Skorczyk (Salzgitter) ereignet hatte und gab dann zu: „Den muss ich halten. Wenn er ins Eck gegangen wäre, wäre das etwas anderes gewesen. Aber so sage ich ganz eindeutig: Den muss ich haben.“

Titz: „Das 0:1 hat uns richtig aus der Bahn geworfen“

HSV II-Coach Christian Titz sah vor allem nach dem 0:1 einige Defizite im Spiel seiner Mannschaft. Foto: KBS-Picture

Hatte Höcker aber nicht – und so ging der Schuss, den Törles Knöll in jener 80. Minute zentral im Sechzehner abgegeben hatte unten links ins Netz und es stand 2:2. Der Schlusspunkt vor den 1025 Zuschauern im Edmund-Plambek-Stadion. Und zugleich auch der Schlusspunkt im Duell zwischen Knöll und Felix Drinkuth. Denn: Sowohl der HSV-Stürmer als auch der Eintracht-Offensivmann trafen jeweils zwei Mal ins Schwarze. Den Anfang machte Drinkuth, der die Hausherren nach 28 Minuten mit 1:0 in Führung brachte. Nachdem ihm Yayar Kunath den Ball aufgelegt hatte, zog Drinkuth kurz vor dem rechten Strafraumeck aus 20 Metern einfach mal ab und ließ Morten Behrens keine Abwehrchance. Zuvor hatten Knöll (8.) und Patrick Storb (19.) für die „Zweite“ des HSV und Deran Toksöz für Norderstedt vergeben. Letzterem warf sich bei seinem Versuch Henrik Giese erfolgreich in den Schuss (22.). Noch vor dem Pausenpfiff aber sollten die „Rothöschen“ ausgleichen. Und daran hatte ein Mann Anteil, der gerade frisch aufs Feld gekommen war.

Noch nicht einmal eine Minute nach seiner Einwechselung wurde Tatsuya Ito, der den angeschlagenen Christian Stark ablöste und fortan für weitaus mehr Betrieb sorgte, im Norderstedter Strafraum von Jordan Brown zu Fall gebracht und es gab Elfmeter. „Ich habe den Ball gespielt“, erklärte Brown im Anschluss an die Begegnung und auch „EN“-Trainer Dirk Heyne war sich auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sicher: „Aus meiner Sicht war das kein Elfmeter, Jordan hat den Ball gespielt. Das muss der Schiedsrichterassistent auch sehen.“ Doch die Entscheidung war gefallen. So lief Knöll zum „Penalty“ an und versenkte die Kugel flach im von ihm aus gesehen linken Eck des Norderstedter Tores. Weil anschließend Giese seinen Schuss nicht im Gehäuse des Gegners unterbringen konnte (44.), ging es mit dem 1:1 in die Pause.

Drinkuth: „Das 2:2 schmerzt, weil wir uns einen Sieg vorgenommen hatten“

Norderstedts Doppeltorschütze Felix Drinkuth bejubelt einen seiner beiden Treffer. Foto: KBS-Picture

Die HSV-Zweitvertretung kam gut aus der Kabine, wurde dann aber kalt erwischt: Sebastian Haut produzierte einen Fehlpass, der bei Drinkuth landete. Norderstedts Nummer 17 fackelte nicht lange und überwand Behrens zur erneuten Führung für die Heyne-Schützlinge (50.). Die hätten zwei Minuten später in Person des bis dahin blassen Jan Lüneburg auf 3:1 erhöhen können, ließen die Gelegenheit aber ungenutzt. Auch Marin Mandic, der per Kopf vergab (65.) und Dane Kummerfeld, der aus spitzem Winkel an Behrens scheiterte (73.), verpassten es, den berühmten Sack vorzeitig zuzumachen. Und so kam es wie es kommen musste: Es folgte die besagte 80. Minute, in der Höckers Fehlgriff mit Folgen den zweiten Treffer von Törles Knöll ermöglichte. „Ich habe zwei Chancen und mache zwei Tore, so gesehen ist das für mich persönlich ein Auftakt nach Maß“, erklärte der 19-Jährige nach Spielschluss, „aber hätte Tatsuya Ito den Elfmeter nicht herausgeholt und Bibie Nije mir den Ball vor dem zweiten Treffer nicht aufgelegt, dann hätte ich keine zwei Dinger gemacht. Als Stürmer ist man immer vom Team abhängig.“

In selbigem, so Knöll, habe man gemerkt, dass „für einige die Regionalliga Neuland ist und sie Angst gehabt haben, Bälle anzunehmen und in die Zweikämpfe zu kommen. Wir waren vom Trainer gut eingestellt und haben uns gut gefühlt, aber es fehlte die letzte Bissigkeit in den Zweikämpfen. Deswegen haben wir auch zwei blöde Gegentore bekommen.“ Schlimm aber sei das 2:2-Remis nicht: „Nächste Woche gewinnen wir wieder“, kündigte Knöll vollmundig an – und tat damit Ähnliches wie Felix Drinkuth. Auch Eintrachts Doppeltorschütze kündigte an, dass die Noderstedter am Mittwoch im Spiel gegen Hannover 96 „direkt gut weitermachen“ wollen und analysierte. „Wir waren nicht unkonzentriert oder zu wenig fit oder aber der HSV II fitter als wir. Mit ein bisschen Glück gewinnen wir. Natürlich geht dem 2:2 ein Torwartfehler voraus. Das schmerzt schon, weil wir uns vorgenommen hatten, mit einem Sieg in die Saison zu starten, aber wir können mit dem Punkt leben, weil wir wussten, dass der HSV II stark ist“, sagte Drinkuth, der sich als „Zehner“ auf dem Platz wohl fühlte, wie er konstatierte: „Ich habe diese Rolle schon in der Vorbereitung übernommen. Es macht mir Spaß, an Toren beteiligt zu sein. Dass es zwei Mal klappt, ist schön, aber da habe ich nicht mit gerechnet.“

Heyne: „Es ist verständlich, dass wir enttäuscht sind“

„Es ist verständlich, dass wir enttäuscht sind. Wir haben ja schließlich zwei Mal geführt“, ärgerte sich Eintracht-Trainer Dirk Heyne. Foto: KBS-Picture

Als die beiden Doppeltorschützen und auch Unglücksrabe Höcker längst in den Kabinen waren, ließen eine Etage höher im Presseraum die beiden Trainer die Partie Revue passieren. „Bis zum Gegentor haben wir ganz gut ausgesehen und das Spiel kontrolliert, auch wenn ich mir das anders vorgestellt habe und wir unsere beiden Achter nicht zwischen die Linien der Norderstedter bekommen haben“, gab HSV II-Üungsleiter Christian Titz zu Protokoll und ergänzte: „Nach dem 0:1 haben wir die Kontrolle verloren. Im Anschluss an die Pause beginnen wir gut, aber geraten dann durch einen Fehlpass wieder ins Hintertreffen. Allerdings sind wir ruhig geblieben, machen das 2:2 und hätten vielleicht sogar noch das 3:2 nachlegen können. Unterm Strich bin ich aber nicht so zufrieden, weil wir nicht das gespielt haben, was wir uns vorgestellt haben. Das 0:1 hat uns richtig aus der Bahn geworfen, da waren wir für zehn bis 15 Minuten nicht mehr da.“

Auch sein Gegenüber konnte eine etwas gedrückte Stimmung nicht verhehlen. „Es ist verständlich, dass wir enttäuscht sind. Wir haben ja schließlich zwei Mal geführt“, sagte Dirk Heyne, „die Gegentreffer sind jeweils zu einem Zeitpunkt gefallen, wo sie überraschend waren. Wir haben eigentlich ein gutes Spiel gemacht, die Passwege gut zugemacht, damit der HSV II sein schnelles Spiel nach vorne nicht umsetzen konnte. In der ersten Halbzeit war es ein verteiltes Spiel, nach der zweiten hätten wir den Sieg verdient gehabt.“ Letzteres machte Heyne an den Chancen von Lüneburg und Mandic fest, wusste aber auch: „Wir hätten noch ein drittes Gegentor kriegen können. Ich habe die ganze zeit gebetet und gesagt: Yayar (Kunath, Anm. d. Red.) spekulier' nicht so viel, sondern unterstütz' Jordan (Brown, Anm. d, Red.) gegen den 17er (gemeint ist Tatsuya Ito, Anm d. Red.).“ Dieser Ito sei „ein Wahnsinns-Spieler, der ist kaum zu bremsen“, führte Heyne aus und grinste in Richtung seines Trainerkollegen Christian Titz: „Wenn ihr den nicht mehr wollt, dann nehmen wir den gerne...“

Jan Knötzsch