Nach Derby-Schmach: Vicky „lässt Charakter auf dem Platz“, Titze „fehlen die Worte“

Victoria stürzt den Primus - Teutonen-Trainer „not amused“

03. November 2018, 02:18 Uhr

Yannick Siemsen zeigte sowohl in der Defensive als auch vor des Gegners Tor eine starke Leistung und verdiente sich Bestnoten. Foto: KBS-Picture.de

„Ich weiß nicht, wann ich mit den Jungs überhaupt mal 0:4 verloren habe“, rätselte Victoria-Coach Jean-Pierre Richter nach der Derby-Schmach gegen den AFC, befand aber auch gleichzeitig: „Das ist eine Niederlage, die kannst du so gar nicht aufarbeiten – mit vier Gegentoren in 13 Minuten.“ Und weiter: „Ich habe da eklatante Fehler gesehen. Wir hatten aber auch Spieler in der Startelf, die seit Wochen nicht richtig im Rhythmus sind und hinzu kommt, dass Altona es einfach besser gemacht hat“, so Richter, dessen Team im „Drei-Gänge-Menü“ zwar die Hauptspeise vom Teller genommen wurde – doch noch stand der Nachtisch aus.

Luca Ernst kehrte in die Startelf zurück und glänzte als Blitz-Torschütze. Foto: KBS-Picture.de

„Am Mittwoch“, so Richter, habe man noch „über das brutale Ergebnis getrauert“. Aber ab Donnerstag wurde der volle Fokus auf den Primus gelegt – und das mit einer ungewöhnlichen Maßnahme: „Entgegen meiner Motivation, haben wir den Jungs am Donnerstag trainingsfrei gegeben, was nach einer solchen Niederlage nicht unbedingt als Belohnung verstanden werden soll.“ Ein Schachzug, der sich aus Vicky-Sicht auszahlen sollte. „Die Jungs haben das Vertrauen zurückgezahlt, den Charakter auf dem Platz gelassen und mit einer tollen Leistung gezeigt, dass wir Spiele bestimmen können – ganz egal, wer der Gegner ist“, strahlte Richter nach dem 3:1-Sieg gegen den Primus vor Glück (alle Highlights im LIVE-Ticker). Sein Gegenüber, Sören Titze, beantwortete die Frage nach den Gründen für die Niederlage wie folgt: „Das haben wir in der ersten Minute schon verloren, weil wir einfach nicht sofort wach waren und nach 30 Sekunden im gegnerischen Stadion, wohlgemerkt bei eigenem Ballbesitz, ausgekontert werden – das geht nicht und da fehlen mir auch die Worte“, echauffierte er sich.

Nach 31-Sekunden-Blitztor: Vicky kontert Ausgleich mit einstudierter Variante

An Ernsts Seite: Nil von Appen, der das 3:1 markierte. Foto: KBS-Picture.de

Nach dem raschen Ballverlust der Teutonen in der gegnerischen Hälfte kombinierten sich Bibie Njie und Luca Ernst durch die löchrige und weit aufgerückte Gäste-Hintermannschaft. Letztgenannter vollendete zur Blitz-Führung (1.)! Apropos Luca Ernst: Gegen den AFC musste der „Sechser“ zunächst mit einem Platz auf der Bank vorlieb nehmen. Nun stand er in der Startelf und bekam mit Nil von Appen, der einen deutlich defensiveren Part einnahm, einen neuen Mann an die Seite gestellt. Ein taktischer Kniff, der sofort griff. Denn nachdem sich die „Kreuzkirchler“ zurückkämpften und durch Davidson Eden, nach Doppelpass mit Arne Gillich, zum Ausgleich kamen (24.), folgte der postwendende zweite Nackenschlag durch eine einstudierte Variante. Vicky führte den Anstoß kurz aus, Mirco Bergmann mit dem langen Diagonalball, den Klaas Kohpeiß per Kopf verlängerte. Njie überwand Semir Svraka von halbrechts, Yannick Siemsen drosch den Ball über die Linie – 2:1 (25.)! Es folgte der dritte Treffer durch von Appen, der einen indirekten Freistoß aus 14 Metern – nachdem Svraka einen Rückpass von Nikolas Mallwitz mit der Hand aufnahm – im kurzen Eck unterbrachte (31.)!

Titze: „Dass ich nicht gut gelaunt war, das kann man sich vorstellen“

Arbeitete viel und bereitete die ersten beiden Tore vor: Bibie Njie (li.) - hier bei seiner Auswechslung. Foto: Kormanjos

„Eigentlich war die Ausgangslage gut, weil wir aus einer guten Woche kommen, der Gegner gerade 0:4 verloren hat, wir diesen aber stark machen, indem wir nicht wach sind. Wir haben in den ersten 25 Minuten überhaupt nicht gut gegen den Ball gearbeitet. Es war keine Kommunikation da“, kritisierte Titze, der personell reagierte und Michael Meyer für Lorenz Lahmann-Lammert brachte. „Er war das Bauernopfer“, erklärte der Teutonen-Trainer hinterher, dass es auch jeden anderen Spieler hätte treffen können. Doch zunächst einmal änderte sich bis zur Pause nichts am Bild. „Dass ich nicht gerade gut gelaunt war, das kann man sich sicherlich vorstellen. Wie der Tonfall war, das weiß ich manchmal selbst nicht mehr. Aber ich war natürlich ‚not amused’, weil wir es als Mannschaft nicht gut verteidigt haben. Das ärgert mich, weil ich weiß, dass wir es können“, so Titze, dessen Schützlinge nach der Pause viel Ballbesitz hatten, aber kaum zu ernstzunehmenden Abschlüssen kamen. Im Gegenteil. Nach Foul des gänzlich indisponierten Dino Fazlic an Siemsen gab es Strafstoß für Vicky – doch Kohpeiß scheiterte an Svraka (60.). Schlussendlich blieb es beim 3:1 – nur die Gäste beendeten das Duell mit zehn Mann, da Fazlic in der Nachspielzeit noch die Ampelkarte sah (90. +2).

„Teutonia hat gesehen, wie viel Qualität in uns steckt“ - Gutmann spielt trotz Außenbandriss

Vicky-Coach Jean-Pierre Richter (2. v. re.) freute sich über den Heim-Coup. Foto: Kormanjos

„Das Fundament wurde in der ersten Halbzeit gelegt. Die war herausragend – bis auf die Phase nach der Führung, als wir nicht immer Zugriff hatten“, bilanzierte „JPR“ und fügte an: „Man muss die Jungs heute wirklich über 90 Minuten loben, da sie diszipliniert an den Matchplan geglaubt haben. Heute hat das von der ersten bis zur letzten Minute gut ausgesehen und wir konnten die Stärke des Gegners aus dem Spiel nehmen. Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie sich den Respekt zurück erarbeiten wollte und wie viel Qualität in ihr steckt.“ Allein der Ballbesitz bringe „nicht immer nur gute Ergebnisse“, so Richter, „wir hatten davon in der ersten Halbzeit nicht wenig, aber vor allem eine hohe Zielstrebigkeit und wir haben die Fehler des Gegners genutzt und bestraft.“ 


Nach dem Wechsel habe man dem Spiel von Teutonia „standgehalten und ihnen keine klare Torchance mehr gegeben, obwohl sie angelaufen sind, weil wir sehr diszipliniert und gut in den Räumen waren.“ Seine Mannen haben nach der AFC-Klatsche „die Antwort auf dem Platz gegeben. Deshalb freut man sich umso mehr, darf auch stolz sein und Teutonia hat auch gesehen, wie viel Qualität in uns steckt – trotz der fünf, sechs fehlenden Stammkräfte.“ Apropos fehlende Stammkräfte: „Der Tag begann schon nicht gut“, verriet Titze – und ging ins Detail: „Erst meldete sich Jeton Arifi krank, dann kamen Cholevas um 10 Uhr und Pressel um 12 Uhr dazu. Da mussten wir ein bisschen improvisieren. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt, dass dir drei Spieler im Laufe von sechs Stunden wegbrechen.“ Deshalb musste unter anderem Nick Gutmann trotz eines Außenbandrisses (!) 90 Minuten durchspielen. „Wenn die Medizin sagt, das kann man tapen für ein Spiel, dann macht man das. Und wenn man das gesehen hat, dann muss man sagen: Daran lag es nicht.“ Denn Gutmann war noch einer der besseren Teutonen…

Autor: Dennis Kormanjos