AFC jetzt an der Spitze: „Brise“ wirbelt Vicky durcheinander

Altonas Nick Brisevac beim 5:1-Erfolg gegen den SC Victoria an vier Treffern beteiligt

05. März 2017, 19:11 Uhr

Erfolgsgaranten: Nick Brisevac (vo.) war an vier von fünf Treffern beteiligt, Dennis Thiessen traf zum 5:0-Zwischenstand. Foto: KBS-Picture

Die 1349 Zuschauer, die das Derby zwischen Altona 93 und dem SC Victoria verfolgten, rieben sich nach 45 Minuten verwundert die Augen: Gleich fünf Treffer hatte der AFC zu diesem Zeitpunkt bereits erzielt und sich förmlich in einen Rausch gespielt. Und Vicky? Die Mannen von Coach Jasko Bajramovic fanden bis zur Pause quasi nicht statt. Immerhin: Nach dem Seitenwechsel glückte den Gästen der Ehrentreffer zum 1:5. Doch da war es längst zu spät, weil der SCV vor allem einen Altonaer Akteur gar nicht in den Griff bekommen hatte, der maßgeblich daran beteiligt war, dass der AFC in der Oberliga jetzt vom Platz an der Sonne grüßt...

Berkan Algan wollte nichts riskieren. Der Coach von Altona 93 schritt die paar Meter ab, die ihn und Nick Brisevac trennten, und legte dem 24-Jährigen, der gerade der Presse Rede und Antwort stand, die Trainingsjacke über die Schultern. Schließlich sollte der Kapitän, der sich in den 90 Minuten zuvor wieder einmal als einer der entscheidenden Faktoren für die Mannschaft von der Adolf-Jäger-Kampfbahn erwiesen hatte, sich in der frischen Luft auf dem Rasen nichts wegholen. Zuvor hatte der Mann mit der Nummer zehn auf dem Rücken – Spitzname: „Brise“ – maßgeblich dafür gesorgt, dass die Offensive der Algan-Schützlinge alles andere als ein „laues Lüftchen“ blieb. Denn „Brise“ und Co wirbelten die Gäste von der Hoheluft mächtig durcheinander – zumindest in den ersten 45 Minuten.

Bajramovic: „Wir waren schläfrig, haben individuelle Fehler gemacht und Zweikämpfe verloren“

Das Foul vor dem Elfmeter zum 1:0: Vickys Mirco Bergmann (re.) hat Elizier Correira Ca zu Fall gebracht. Foto: KBS-Picture

In denen nahm das Spektakel schon früh seinen Lauf. Nach fünf Minuten konnte Vickys Keeper Florian Jensen einen Schuss von Dennis Thiessen, der abgefälscht wurde, noch zur Ecke klären. Doch zwei weitere Zeigerumdrehungen später war er machtlos: Nachdem Mirco Bergmann in der „Box“ Elizier Correira Ca zu Fall gebracht hatte, deutete Schiri Markus von Glischinski (SC Eilbek), der sich als ein richtig guter Spielleiter entpuppen sollte, ohne zu Zögern auf den Elfmeterpunkt. Brisevac verlud Jensen beim anschließenden Duell und der AFC führte. Vicky hatte sich vom ersten Einschlag noch nicht einmal richtig erholt, da stand es bereits 2:0. Brisevac spielte diesmal einen wunderbaren Diagonalball, Jakob Sachs nahm die Kugel am rechten Sechzehner-Eck an, zog dann ab und der Ball landete unhaltbar im Netz (15.). Nur neun Minuten später hieß es erneut „Brise, bitte übernehmen“: Diesmal zirkelte der Blondschopf einen Freistoß links oben in die Maschen – 3:0. 

Und weil dem AFC das Toreschießen an diesem Tag gegen die bis dahin äußert schwachen Victorianer ganz besonders Spaß zu machen schien, legten sie noch vor dem Seitenwechsel gleich doppelt nach: Freistoß Brisevac, der Ball prallt vom Kopf eines Vicky-Spielers ins Toraus. Ecke. Auch die tritt Brisevac. Und zwar genau auf den Kopf von Abdullah Yilamz, der zum 4:0 einnickt (41.). Nur eine Minute später war der große Moment dann zur Abwechselung Dennis Thiessen vorbehalten: Altonas Nummer 31 kam an den Ball, führte die Kugel am Fuß, bis er in den Strafraum eindrang, schlug dann ein, zwei Haken, um seine Gegenspieler aussteigen zu lassen und überwand schließlich auch noch Torhüter Jensen. Spätestens jetzt roch es nach einem richtigen Debakel für die Gäste. „Wir sind offenbar erst um 15 Uhr aus dem Winterschlaf erwacht (Anstoß war um 14 Uhr, Anm. d. Red.). Wir waren schläfrig, haben individuelle Fehler gemacht und wichtige Zweikämpfe verloren. Und dann nimmt so ein Spiel seinen Lauf“, sollte sich SCV-Coach Jasko Bajramovic später ärgern, „die Mannschaft hat in der ersten Halbzeit die Vorgaben nicht umgesetzt. Das ist bitter.“

Algan: „Die Meisterschaft ist ein Marathon. Wir orientieren und nicht an Anderen“

Beim Freistoß von Nick Brisevac zum 3:0 flog Vicky-Keeper Florian Jensen vergebens durch die Luft. Foto: KBS-Picture

Die Köpfe seiner Jungs, so Bajramovic weiter, „sind runtergegangen. Wir hatten uns das anders vorgestellt.“ So aber konnte der Vicky-Übungsleiter im ersten Durchgang nur die AFC-Treffer loben („Ein Traumtor von Jakob Sachs und ein toller Freistoß zum 3:0)“ und fand erst für den eigenen Auftritt nach der Pause auf der Pressekonferenz halbwegs wohlwollendere Worte: „Ich ziehe aus der zweiten Halbzeit das positive Fazit, dass wir ein anderes Gesicht gezeigt haben. Wir sind nicht mit dem Ziel in die zweite Hälfte gegangen, dass wir das 0:5 noch umbiegen, aber wir wollten mutiger sein und besser in die Zweikämpfe kommen. Ich habe wichtige Erkenntnisse gewonnen, was Spieler, Spiel und Taktik auf unserer Seite angeht.“ Und einen Treffer für seine Farben durfte der Coach auch noch notieren: Felix Schuhmann traf nach einem Foul an Nick Scharkowski per Elfmeter zum 1:5 (78.). „Vielleicht hätten wir einen Tick früher den Anschluss machen können“, befand Bajramovic.

Der AFC hatte derweil sein Pulver verschossen, obwohl der Flugkopfball des eingewechselten Milaim Buzhala „einen sehenswerten Treffer“ wert gewesen wäre, wie Berkan Algan befand. „Wir haben ein sehr gutes Spiel gemacht. Das betrifft beide Halbzeiten. In der ersten ist uns die Chancenverwertung gelungen, in der zweiten weniger. In der Summe hatten wir aber viele richtig gute Chancen. Es hat Spaß gemacht“, erklärte der Altonaer Trainer, der das Spiel „per sofort“ abhaken wollte. Weil die nächste Aufgabe bereits wartet. Am Freitag beim FC Süderelbe. „Das wird schwer, weil die gerade einen positiven Wandel erleben. Wir müssen Gewehr bei Fuß stehen. Die Meisterschaft ist ein Marathon. Wir orientieren und nicht an anderen Dingen und Mannschaften. Wir wollen einfach jeden Tag einen Schritt besser werden.“

Brisevac: „So eine Halbzeit spielt man nicht alle Tage“

Ein Ex-Victorianer obenauf: Jakob Sachs und seine AFC-Mitspieler jubeln ausgelassen. Foto: KBS-Picture

Wo diese Schritte hinführen könnten, ist klar: in die Regionalliga, zumindest aber erstmal in die Aufstiegsrunde. Denn: für die wird der AFC melden. „So ist das uns gegenüber geäußert worden“, gab Nick Brisevac jedenfalls nach dem Spiel zu Protokoll. Und auch Vicky-Coach Bajramovic dachte schon mal an die nähere AFC-Zukunft. „Altona hat alle Chancen. Ich werde das beobachten. Ich finde es super wichtig. Die entsprechenden Vereine aus Hamburg müssen einfach den schnellstmöglichen Weg in die Regionalliga anvisieren. Es darf nicht der Anspruch sein, dass die Oberliga die höchste Klasse ist und keiner in die Regionalliga will.“ Bei dem Mann, der ihn und sein Team zuvor ordentlich durchgewirbelt hatte, trifft Bajramovic mit seinen Äußerungen auf Gegenliebe. „Wir sind einen Tick besser und reifer als im vergangenen Jahr. Wir wollen gerne Erster werden. Das ist das Ziel, wenn man so lange oben dabei ist. In der Meisterschaft zählt Qualität, in der Aufstiegsrunde kommt es, wenn wir es dahin schaffen, auf die Tagesform an.“

Für die ist es natürlich gut, wenn man so jemanden wie Brisevac in seinen Reihen hat. „Nick kann beim HSV oder bei St. Pauli im Kader auftauchen. Das habe ich schon beim ersten Training gesehen. Ich habe Andreas Klobedanz angerufen, der gerade auf der Aida war, und ihm gesagt; Hier ist einer, der sich verirrt hat. Dann haben wir große Ketten geholt und Nick festgehalten. Der Junge war nicht umsonst mit 17 Jahren bei Bayer Leverkusen unter Jupp Heynckes im Probetraining. Und das, was er jetzt zeigt, ist noch nicht das Ende seiner Fähigkeiten“;, sang Berkan Algan ein derartig großes Loblied, so dass sich Manager Klobedanz sogar genötigt sah, grinsend zu intervenieren: „Wir wollen ihn mal nicht hier wegreden...“

Und der Gelobte selbst? „Natürlich läuft es bei mir gut. Ich habe dieses Mal zwei Tore gemacht und zwei vorberietet. Aber: Die Mannschaft hat das komplett super gemacht. Wenn keiner den Elfmeter rausholt, dann kann ich ihn auch nicht reinmachen“, erklärte Brisevac, „wir können auf jeden Fall zufrieden sein. Offensiv war das eine starke Leistung in der ersten Hälfte. Schade, dass wir danach nachgelassen haben. Ich glaube aber, das ist menschlich. Dem einen oder anderen hat die letzte Galligkeit gefehlt. So eine Halbzeit spielt man allerdings auch nicht alle Tage und es war klar, dass sich Vicky fängt und hier nicht komplett mit 0:10 untergehen will.“

Jan Knötzsch