Ein „Fußball-Rentner“ haucht Kosova neues Leben ein

Gastgeber siegen im „Sechs-Punkte“-Spiel gegen HR mit 4:1

08. April 2017, 20:32 Uhr

Davide Pedroso-Bussu war nach seiner Einwechslung zur Pause anschließend an drei Kosova-Toren beteiligt. Foto: noveski.com

Im Abstiegskampf der Oberliga wird es noch einmal enger und mittendrin hat der Klub Kosova neuen Mut geschöpft. Nach einem 4:1-Sieg gegen die SV Halstenbek-Rellingen bleiben die Wilhelmsburger zwar weiterhin Vorletzter des Klassements, doch der Abstand auf das rettende Ufer beträgt nun nur noch fünf Zähler. „Wir haben zwar gewonnen, aber noch nichts erreicht“, mahnt Kosovas Coach Arton Mazrekaj dennoch zur Vorsicht, während sein Widerpart Heiko Barthel drastische Worte für den HR-Auftritt wählte: „Ich weiß nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll, zu kritisieren. Das hatte mit Oberliga-Fußball wenig zu tun.“ Vor allem ein Kosova-Kicker, der eigentlich schon aufgehört hatte, stellte HR vor Probleme... 

Schiedsrichter Ralph Vollmers hatte die zweite Halbzeit noch nicht wieder angepfiffen, da hatte es Arton Mazrekaj auf einmal eilig. Der Coach es Klub Kosova schritt schnellen Fußes geradewegs auf Davide Pedrosu-Bussu zu und redete auf den Stürmer mit der Nummer 22 auf dem rot-schwarzen Trikot ein. Am Ende des kurzen Dialogs mit dem 34-Jährigen gab Mazrekaj Pedrosu-Bussu die Hand, umarmte ihn und klatschte dann aufmunternd.

Frühe Führung spielt HR alles andere als in die Karten

HR-Schlussmann Mirko Oest hielt zwar einen Elfmeter, musste aber vier Mal hinter sich greifen. Foto: KBS-Picture

Es waren keine weiteren fünf Minuten vergangen, als Mazrekaj erneut in die Hände klatschte. Dieses mal allerdings nicht motivierend, sondern anerkennend. Gepaart mit einer Jubelgeste. Was war passiert? Yiner Ronal Arboleda Sanchez, Kosovas kolumbianischer Sturm-Riese, hatte irgendwo aus dem Niemandsland des Feldes aufs Tor geschossen. Ein aus dieser Position eigentlich eher aussichtsloses Unterfangen. Doch der Schuss wurde lang und länger und senkte sich. Mirko Oest, der Keeper der Gäste, streckte sich vergeblich. Das runde Leder klatschte an die Latte und sprang ins Feld. Direkt vor die Füße von Pedroso-Bussu. Der brachte das Spielgerät mit einem seiner ersten Ballkontakte zwar nicht wirklich unter Kontrolle, es reichte aber, um Dennis Ghadimi anzuschießen. Und von HRs Abwehrspieler prallte die Kugel ins Netz. Mazrekajs Co-Trainer Ahmed Kücükler riss vor lauter Verzückung beide Arme nach oben und brüllte ein lautes „Jaaaa“ Richtung Spielfeld (59.)

Der Klub hatte damit soeben vier Minuten nach Wiederbeginn das 2:1 erzielt. Und das, nachdem die Begegnung gegen den direkten Konkurrenten aus dem Keller verheerender nicht hätte beginnen können: Amir Ukhsini foulte noch in der ersten Minute des Spiels völlig unnötig HR-Akteur Tim Jeske im Strafraum – Elfmeter! Marcel Schöttke verlud Dennis Dowideit und HR führte mit 1:0. Was für ein Fehlstart aus Kosova-Sicht. Doch die Gäste machten aus ihrer Führung nichts, sondern überließen das Heft des Handelns dem Klub. Die Wilelmsburger brauchten einige Zeit, um sich zurechtzufinden, doch dann nutzten sie die Passivität des Kontrahenten aus: Agonis Krasniqi ging am gegnerischen Strafraum beherzt zur Sache, spitzelte die Kugel zu Arboleda Sanchez und der schoss zum Ausgleich ein (28.). Drei Zeigerumdrehungen später waren die Hausherren dann kurzzeitig mit Fortuna im Bunde, als Sebastian Krabbes für HR mit einem Seitfallzieher nur den Pfosten traf (31.).

Mazrekaj: „Am Ende des Tages zählt dieser Sieg nichts, wenn man den Weg nicht weitergeht“

Ein Sieger im doppeltem Pech. Mert Kepceoglu scheiterte erst per Strafstoß und sah später die Gelb-Rote Karte. Foto: noveski.com

So blieb es bis zum Seitenwechsel beim 1:1 – und nach der schnellen Führung sollte sich Mazrekajs Einwechslung zur Pause noch weiter rentieren. Es lief die 53. Minute, als Mert Kepceoglu aufs HR-Tor zueilte und dann klug Patrick Smereka bediente, der von Torhüter Oest von den Beinen geholt wurde. Der Protest des Schlussmannes, er habe doch den Ball gespielt, brachte nichts ein. Referee Vollmers blieb bei seiner berechtigten Elfmeter-Entscheidung. Kepceoglu scheiterte mit dem Penalty zwar an Schlussmann Oest, doch den Abpraller drückte Pedroso-Bussu zum 3:1 über die Linie (55.). Ausgerechnet der „Fußball-Rentner“, der erst seit der Winterpause im Kosova-Kader steht, zwei Jahre lang kein Fußball spielte und sich mit Boxen fit hielt. Und um im Jargon genau dieses Sports zu bleiben: Pedroso-Busso verpasste HR noch einen Aufwärtshaken: Florim Osmani profitierte im Mittelfeld von einem schlechten Pass der Halstenbeker, sein Pass fand Pedroso-Bussu und „DPB“ ließ sich nicht lange bitten – 4:1 (75.). Eine Viertelstunde vor dem Abpfiff war die Messe gelesen. Daran änderte auch die „Ampelkarte“ für Kosovas Kepceoglu nichts mehr (80.).

„Das war der erste Sieg unter der Regie von Kai Oder, Ahmed Kücükler und mir. Das ist schön und vor allem auch für die Mannschaft gut, damit sie weiß, dass es klappt“, freute sich Arton Mazrekaj nach der Begegnung, „darauf müssen wir jetzt aufbauen und den positiven Schwung mitnehmen. Auch, was die vier Tor angeht. Ich glaube, so viele Treffer haben wir unter unserer Regie in dieser Saison noch nie erzielt.“ Allerdings, so Mazrekaj weiter, dürfe man den Sieg „nicht überbewerten. Er war wichtig, aber am Ende des Tages zählt dieser Sieg nichts, wenn man den Weg nicht weitergeht. Wir haben zwar gewonnen, aber es ist noch nichts erreicht.“ Mit der Einwechselung von Pedroso-Bussu, bekannte Mazrekaj, „hatten wir natürlich auch Glück. So einen Spieler kannst du als Gegner einfach nicht stoppen, auch wenn er zwei Jahre lang nicht gespielt hat. Das ist ein Spielertyp, mit dem man Erfolg haben kann.“ Klar, dass Kosovas Chef anschließend nur allzu gern bekanntgab, dass der Strum-Oldie „unabhängig von der Ligazugehörigkeit für eine weitere Saison zugesagt hat.“

Barthel: „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen oder aufhören sollte, zu kritisieren“

War mit dem Auftritt seiner Elf überhaupt nicht einverstanden: HR-Trainer Heiko Barthel. Foto: KBS-Picture

Was die Spieler des aktuellen Kaders betrifft „sind noch ein, zwei Gespräche offen“, berichtete Mazrekaj weiter, „zum größten Teil haben wir bisher von unseren jetzigen Spielern Zusagen erhalten.“ Und nicht nur das: Drei Ja-Worte von externen Neuen stehen auch bereits fest. Namen aber will Mazrekaj noch keine nennen, sondern erklärt nur: „Weitere Gespräche mit potenziellen Zugängen stehen in der nächsten Woche an. Es ist sicher, dass der Kader ein neues Gesicht bekommen wird – unabhängig davon, wie die Saison für uns am Ende ausgeht.“ Diesen Umbruch „muss man einfach vollziehen, wenn man sich weiterentwickeln und besser werden will“, so Mazrekaj, der derzeit Trainer, Manager und Präsident in Personalunion ist, „das Wichtigste war für uns, dass wir zunächst in der Trainerfrage Klarheit schaffen, was uns mit der Verpflichtung von Daniel Sager ja gelungen ist.“ Während er, Sager und der künftige Ligamanager Visar Galica die Planungen nun „sukzessive fortsetzen werden“, soll die Mannschaft „nun ordentlich trainieren, Spaß haben und im nächsten Spiel gegen Buxtehude Erfolg haben.“

Während es für Kosova mit dem nächsten „Abstiegs-Endspiel“ beim BSV weitergeht, erwartet HR schon am Mittwoch den Wedeler TSV. Ausgerechnet den Ex-Club von Coach Heiko Barthel also. „Meine Vergangenheit dort ist mir im Moment sowas von egal. Ich habe ganz andere Baustellen: Ich weiß nicht, was ich Mittwoch machen soll. Wenn wir schon gegen Kosova nichts holen, wird das gegen Wedel ganz schwer. Wir haben einen Fehler: Wir denken, dass wir drei Spiele mehr haben as Süderelbe, aber wo wollen wir denn punkten, wenn wir sowas spielen wie das, was wir heute abgeliefert haben?“ Es mache ihn, so Barthel, sprachlos „was für einfache Fehler wir begehen. Vielleicht haben einige gedacht, wir schaukeln das nach der Führung durch wie gegen Buxtehude. Aber Kosova war viel viel besser als Buxtehude. Unsere Leistung hatte wenig mit Oberliga-Fußball zu tun. Dass uns individuell die Klasse fehlt, weiß ich, aber ich habe gedacht, wir hätten wenigstens die elementaren Sachen drauf. Ich weiß gar nicht, wo ich heute anfangen oder aufhören sollte, zu kritisieren.“

Jan Knötzsch