„Cartoon-Club“ Hamburg Hurricanes startet durch – mit Ex-Profi als Trainer

„Wollen unsere Präsenz als Kultfußballclub weiter ausbauen“

06. Januar 2017, 12:00 Uhr

Die Mannschaft der Hamburg Hurricanes. Foto: Ana Maria Arévalo

In der Kreisklasse B3 sorgt seit dieser Saison eine neue Mannschaft für Aufsehen: die Hamburg Hurricanes mischen das Feld ordentlich auf und im Tableau ganz oben mit. Doch hinter dem Team, das seine Heimspiele auf der roten Asche an der Wellingsbütteler Landstraße austrägt, steckt eine überaus interessante Geschichte – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wir haben uns mal etwas näher mit dem „Multi-Kulti-Club“ beschäftigt und Vorstandschef Luke Webster, Trainer Guillaume Hounsome sowie den PR-Beauftragten Hamid Farahmand zum Gespräch gebeten.

Foto: Ana Maria Arévalo

FussiFreunde: Luke, erkläre uns mal kurz, wie und wann der Verein entstanden ist und wessen Idee das war?
Webster:
 „Mitte 2011 zog es mich beruflich nach Hamburg – ohne überhaupt nur ein Wort Deutsch zu sprechen. Es schien unmöglich einen Fußball-Club zu finden, wo ich die Freude am Sport ausleben kann, wo ich persönlich reinpasse und wo ich Freunde finden konnte – und das ohne direkt abhängig zu sein von meinen nicht vorhandenen Deutschkenntnissen. Denn eines wusste ich: Deutsch lernen braucht Zeit. Damit kam mir die Idee, auf „Toytown Germany“ (eine englischsprachige Community-Website für Deutschland; Anm d. Red.) zu posten und nach anderen ‚Auswanderern‘ zu suchen, die mit mir Fußball spielen würden. So wurden die Hurricanes geboren. Von da an spielten wir fast jedes Wochenende ‚just for fun‘ im Stadtpark, ehe wir uns nach zwei Jahren gemeinsamer Zeit dazu entschlossen, einen inoffiziellen Club zu formen und mit der Saison 2013/2014 der Freizeitliga beizutreten. Das war ein großartiger neuer Schritt.“


FussiFreunde: Wie kam man auf den Vereinsnamen „Hamburg Hurricanes“ – hat das eine bestimmter Bedeutung?
Webster
: „Die Idee entsprang einem Cartoon aus Mitte der 1990er Jahre. ‚The Hurricanes‘ war ein Team von internationalen Spielern aus der ganzen Welt.“

FussiFreunde: Was macht diesen Club so außergewöhnlich und was ist das Besondere an den Hurricanes?
Webster: 
„Die Hurricanes sind ein Club aus vielen Nationen – aktuell stammen unsere Spieler aus 23 verschiedenen Nationalitäten von allen fünf Kontinenten – Sprachen, Kulturen und Religionen. Wir heißen jeden willkommen –egal mit welchem Hintergrund oder welcher Herkunft. Die einzige Anforderung die wir stellen, ist ein gewisses Level an Englischkenntnissen, da Englisch unsere Club-Sprache darstellt. Nicht zu vergessen eine große Liebe für den Sport und die Leidenschaft und Disziplin besser zu werden. Auch dank unseres Fußballtrainers Guillaume Hounsome konnten wir in den letzen zwei Jahren jeweils in der Freizeitliga aufsteigen, so dass aus den positiven Resultaten heraus letztendlich der Gedanken reifte, einen offiziellen Verein mit all den Verantwortlichkeiten und Pflichten zu gründen.“ 

FussiFreunde: Wenn man mal einen Blick auf euern Kader wirft, dann fällt auf, dass dort – wie bereits von Dir erwähnt – sehr viele Engländer, aber auch andere Nationalitäten vertreten sind. Wie kommt es, das diese Jungs in Hamburg gelandet sind – wahrscheinlich nicht nur für den Fußball, oder?
Webster:
„Ja, das ist richtig. Unsere Mannschaft vertritt sehr viele Nationalitäten. Die meisten unserer Spieler sind nach Deutschland gekommen, um zu studieren, aufgrund eines Jobs oder aber auch für die große Liebe. ?Was uns verbindet, ist die Tatsache, dass wir alle zunächst lange nach einer Umgebung und Gemeinschaft, in der wir unsere persönliche Leidenschaft für Fußball ausleben und uns unter Gleichgesinnten austauschen können, gesucht haben. Es ist nicht immer einfach, direkt neue Freunde in einer neuen Stadt zu finden, insbesondere bei sprachlichen und kulturellen Barrieren. Die Hurricanes stellen seinen ausländischen Mitgliedern ein unmittelbares ‚Unterstützungsnetzwerk‘ zur Verfügung; beginnend bei der Wohnungssuche, lokale Dienstleistungen und sogar Arbeitsplätze zu finden.“

Foto: Ana Maria Arévalo

FussiFreunde: Was zeichnet den Verein aus und wofür steht er?

Webster: „Wir glauben daran, mit Gegenpressing und Ballbesitz ein Spiel zu gestalten, den Angriff direkt und schnell auf den Boden auszuüben, jedoch aber gleichzeitig stets den Respekt vor unseren Gegnern und den Schiedsrichtern zu bewahren. Wir alle glauben stark an die Gleichberechtigung, stehen gegen Rassismus, Homophobie und alle Formen der Diskriminierung im Fußball. Mit dieser Einstellung versuchen wir, Gelder für wohltätige Zwecke zu sammeln, wann immer es möglich ist. Zum Beispiel nimmt unser Team aktuell am ‚Movember‘ teil.“

FussiFreunde: Hamid, holen wir Dich mal mit ins Boot. Mit welchen Zielen ist man das „Projekt“ angegangen – ist der Aufstieg im ersten Jahr Pflicht?
Farahmand: 
„Es geht nicht nur um Erfolg, der auf dem Platz gemessen wird. Wir sind ehrgeizig und glauben, dass wir ein talentiertes Team haben, das auf dieser Ebene konkurrieren kann. Gleichzeitig verfolgen wir die Beibehaltung eines zweiten Teams für die Freizeitliga – für all diejenigen, die nur manchmal spielen wollen oder können. Unser oberstes Ziel ist demnach, dass unser Verein im Ganzen und in all seinen Bereichen wachsen kann. Wir wollen unseren Mitgliedern das bestmögliche Umfeld bieten, um ihnen auf Amateurebene eine professionelle Erfahrung durch Merchandising, Homepage und Marketing zu bescheren. Darüber hinaus ist es unser Ziel, unsere Einrichtungen zu verbessern, in besseres Equipment zu investieren und unsere Präsenz als Kultfußballclub in Hamburg weiter auszubauen.“

FussiFreunde: Wie sehen denn die Zukunftsperspektiven aus und wo siehst Du die Hamburg Hurricanes in fünf Jahren???
Farahmand:
„In fünf Jahren wollen wir eine integrierte und beständige Heimat erschaffen haben, mit dem Zugang zu erstklassigen Spielmöglichgleichen und einem einmaligen Fußball-Erlebnis für Mitglieder und Hurricanes-Fans – und das auch gern für verschiedene Abteilungen wie Jugend-, Damen- sowie auch Alte-Herren-Teams, die alle mit rosa-schwarzen Trikots die Farben unserer Hurricanes tragen und in ihren Herzen die Werte unseres Clubs verfolgen.“

FussiFreunde: Wird der Verein auch in England oder anderen Ländern wahrgenommen?
Farahmand:
„Selbstverständlich! Durch unsere stetig wachsende Fangemeinde, über Freunde und Familienmitglieder in den jeweiligen Herkunftsländern, verbreiteten sich stetig die News und aktuellen Ergebnisse unserer beiden Teams. Darüber hinaus bestreiten wir Freundschaftsspiele gegen ausländische Mannschaften, die Hamburg besuchen. Durch unsere Wintertrainingslager, beispielsweise in Dänemark, kommen wir immer wieder mit anderen Teams in Kontakt.“

Foto: Ana Maria Arévalo

FussiFreunde: Guillaume, Du bist Cheftrainer der Hurricanes. Wie findet ihr neue Spieler und wie landen diese bei euch? 

Hounsome: „Neue Spieler finden uns hauptsächlich über unsere Homepage und Facebook. Diese Seiten dienen hierbei als Kommunikationsmedien. Natürlich dürfen auch neu hinzugezogene Arbeitskollegen oder Kommilitonen von Hurricanes-Mitgliedern an ausgewählten Tagen zur Probe mittrainieren. Wichtig für uns ist es, dass alle Mitglieder die Philosophie des Vereins, aber auch die taktische Ausrichtung unseres Spiels verstehen und das Miteinander harmoniert.“

FussiFreunde: Wie bist Du ganz persönlich in Hamburg und bei den Hurricanes gelandet, wie sieht Deine fußballerische Vita aus und was ist das Geheimnis eures aktuellen Erfolgs? Mehrere Fragen auf einen Schlag…
Hounsome:
 „Ich bin in Frankreich geboren und habe insgesamt zehn Jahre für AJ Auxerre gespielt. Das Wissen und die Trainingsinhalte erlernte ich bereits in der Jugendakademie von Auxerre. Kurz vor Beginn einer Profikarriere in Frankreich erlitt ich jedoch einen Kreuzbandriss, der all meine Hoffnungen und Wünsche mit einem Schlag begrub. Ich konnte mich leider nie so ganz von der Verletzung erholen, spielte zwar noch Regionalliga, allerdings zerplatzte der Traum nach einer erneuten schweren Verletzung endgültig. Jegliches Fußballspielen ist seither nicht mehr möglich. Jahre später nach Abschluss meiner Universität und einigen Jahren in Dänemark, zog ich nach Hamburg, und hörte von einem neuen Fußballverein in Hamburg, der aus vielen ‚Ex-Pats‘ (Auswanderern; Anm. d. Red.) besteht. Da selbst zu spielen für mich nicht mehr in Frage kam, sah ich meinen Platz an der Seitenlinie, um meinen neuen Freunden die Ordnung im Spiel und eine taktische Ausrichtung mitzugeben. Das war 2014 und nach zweimaligem Aufstieg innerhalb der Freizeitliga – letztes Jahr sogar 17 Siege in 17 Spielen – sind wir heute Dritter der Kreisklasse.  Meine taktische Ausrichtung: Hohes und intensives Pressing und aus dem resultierenden Ballbesitz den Gegner vom eigenen Tor weghalten.“

FussiFreunde: Wie kam diese große Fanbase zustande – und wie ist die auf euch aufmerksam geworden?
Farahmand:
 „Unsere Fanbase, die von Tag zu Tag wächst, trifft sich vorrangig auf unserer Facebookseite. Die ersten ‚Likes‘ erhielten wir von Freunden und Familien. Mittlerweile sind diese jedoch nicht mehr zuzuordnen. Durch wöchentliche, emotionale Spielberichte erhält jeder Fan die Möglichkeit, am Geschehen des letzten Spieltages teilzunehmen. Wir sehen es für uns als essentiell an, die Familien in der Heimat, aber auch die Fans hier in Hamburg an dem Erfolg teilhaben zu lassen und stetig zu informieren. Darüber hinaus versuchen wir durch Fanartikel wie Hurricanes-Tassen, T-Shirts, Sticker, Handschuhe oder Caps das Image und den Verein in die Welt hinauszutragen. Insbesondere zu Weihnachten, wenn viele Teammitglieder nach Hause fliegen, ist der Bedarf an Fanartikeln sehr groß.“

Interview: Dennis Kormanjos