Landesliga Hammonia

Der „Mathys Tel von BU“ holt Tesla runter im Nu!

13. Oktober 2023, 09:53 Uhr

BU-Joker Jeremy Jungkurth (re.) bejubelt seinen Doppelpack beim 4:0-Sieg gegen Tesla. Foto: noveski.com

„Ich weiß nicht, was in der Halbzeit passiert. Aber irgendwie kommen wir nicht mit klarem Kopf raus – das war auch schon in den vergangenen Spielen der Fall“, suchte Gökhan Sel, Cheftrainer des FK Nikola Tesla, nach Erklärungen. Während Michael Koss, Chefcoach beim HSV Barmbek-Uhlenhorst, auf die gleiche Frage entgegnete: „Eigentlich gar nicht so viel, weil ich glaube, dass Geduld manchmal eine Tugend ist, die du haben musst.“ Es waren zwei von Grund auf komplett unterschiedliche Halbzeiten, die sich am Donnerstagabend an der Dieselstraße im Duell der beiden bis dato „Enttäuschten“ der Hammonia-Staffel abspielten – mit dem am Ende deutlich besseren Ende für BU (alle Highlights im LIVE-Ticker)!

Bezeichnend für den Tesla-Auftritt: Nikola Kosanic (nicht im Bild) hatte in der ersten Hälfte freie Schussbahn, legte aber viel zu ungenau für Damian Ilic (Mi.) quer. Foto: noveski.com

„Ehrlicherweise hat es mir vor dem Spiel sogar ein bisschen leidgetan, weil ‚Jerry‘ das schon in den letzten Wochen als Wechseloption immer überragend gemacht hat“, haderte Koss lange mit seiner Entscheidung, ob er Jeremy Jungkurth in die Startelf beordern oder doch wieder als Mann mit großem Impact von der Bank bringen soll. „Wir hatten zu Beginn eine etwas andere Idee und haben auch nur mit einem zentralen Stürmer gespielt“, sprach der BU-Coach auf Kilian Utcke an. „Ein Platz hat gefehlt“, merkte er an – und passte das System zur zweiten Halbzeit an. Mit einem äußerst willigen Jungkurth. „Für mich ist er aktuell so ein bisschen der Mathys Tel von BU. In jedem Spiel, wo er reinkam, hatte er immer einen Effekt.“

"Er ist anders, unkonventionell und schwer zu verteidigen"

Das 2:0: Jeremy Jungkurth (re.) grätscht die perfekte Hereingabe von Kilian Utcke ins Eckige. Foto: noveski.com

Er sei „anders, unkonventionell und schwer zu verteidigen. Ich habe ihm wenig gesagt. Und genau das zeichnet ihn aus, dass er die Dinge – egal, ob er spielt oder nicht – so annimmt. Da ist es einfach nur die logische Konsequenz, dass er sich seine Chancen immer mehr erarbeitet“, und dafür auch belohnt. Denn der Mathys Tel von BU war der „Game Changer“ für sein Team! Keine 240 Sekunden auf dem Platz, da verwertete der pfeilschnelle „Blondschopf“ einen herausragenden Steckpass von Utcke im zweiten Anlauf zum 1:0 (49.)!

Eine Führung, die sich in den ersten 45 Minuten gar nicht abgezeichnet hat. BU stand tief. Sehr tief sogar – und ließ die Gäste kommen. Tesla mit ganz viel Ballbesitz, aber ohne jeglichen Ertrag. „Sicherlich waren wir in der ersten Halbzeit für mein Dafürhalten ein Stück weit zu passiv. Es war aber trotzdem so, dass Tesla aus dem Spiel heraus nicht einmal aufs Tor geschossen hat. Wir waren zu harmlos, weil wir fünf, sechs Meter zu tief gestanden haben. Aber man legt ja auch kein Lineal irgendwo an. Wir hatten schon eine Idee – und diese hat gegen den Ball super funktioniert. Das haben die Jungs inzwischen drauf. Und ich glaube, es ist schwer, gegen uns Tore zu schießen – oder sich allein schon Torchancen zu kreieren“, so Koss, der zudem darum wusste: „Wenn du gute Speed-Spieler und eine gewisse Intelligenz hast, bist du einfach nicht ausrechenbar.“

"Eine misslungene Aktion – und sofort gehen die Köpfe runter"

Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte: Während die Barmbeker den Treffer zum 2:0 bejubeln, schaut Nikola Kosanic völlig konsterniert drein. Foto: noveski.com

Einer dieser Speed-Spieler stellte das Geschehen nach Wiederanpfiff nahezu im Alleingang auf den Kopf. Besonders bitter aus Tesla-Sicht: Dem 0:1 ging ein Ballverlust von Fatih Aytekin im Aufbau gegen den nachsetzenden Jonas Wesemann voraus. „Eine misslungene Aktion – und sofort gehen die Köpfe runter. Wir haben es nicht mehr geschafft, den Kopf wieder hochzunehmen und weiter zu arbeiten“, ärgerte sich Sel, dessen Mannen in der Folge kein Bein mehr auf den Platz bekamen und von den Hausherren überrollt wurden. Utcke brachte die komplette Hintermannschaft mit einem Tempolauf über halblinks ins Schwimmen und Jungkurth grätschte dessen perfekte sowie unheimlich scharfe Hereingabe in die Maschen – 2:0 (60.)!

"Viele Spieler sind im Kopf noch Oberliga-Spieler"

Nach einem Erichsen-Freistoß und einem Patzer von Tesla-Torwart Leon Henk staubt BU-Verteidiger Thore Bedey (Mi.) zum 3:0 ab. Foto: noveski.com

Nun ging es nur noch in eine Richtung. Die vielen namhaften Akteure bei Tesla waren schlichtweg nicht mehr anwesend. „Fußball ist ein rein ergebnisorientierter Sport. Viele Spieler sind im Kopf noch Oberliga-Spieler. Ich bin dabei, genau das aus den Köpfen rauszubekommen. Denn es zählt ausschließlich das Hier und Jetzt. Alles andere ist Vergangenheit. Es interessiert nicht, was früher war. Ich muss alle auf den Boden der Tatsachen runterholen. Sie müssen das hier beweisen. Denn auf dem Papier gewinnst du keine Fußballspiele“, fand Sel sehr deutliche Worte.

Worte, die angesichts dieser zweiten 45 Minuten dringend von Nöten sind und möglichst schnell Gehör finden müssen. Einen völlig harmlosen 18-Meter-Freistoß von Moritz Erichsen direkt auf Keeper Leon Henk ließ dieser nach vorne weg prallen. Thore Bedey sagte artig „Danke“ und staubte zum 3:0 ab (65.), ehe Yannik Kurowski nur Sekunden nach seiner Einwechslung den Endstand herstellte, als er eine Ecke von Raffael Kamalow am zweiten Pfosten mutterseelenallein einschädeln durfte (74.)! Mit dem 4:0 waren die Gäste schlussendlich bestens bedient. Seinen Fauxpas vor dem dritten Gegentor machte Henk mehrfach wieder wett.

Geht's "um die Goldene Ananas" oder schwimmt BU "im Windschatten mit"?

Eine Zuteilung, die einer Offenbarung gleicht: Ohne jegliche Gegenwehr darf der soeben eingewechselte Yannik Kurowski (re.) eine Ecke zum 4:0-Endstand einköpfen.Foto: noveski.com

Trotz der Klatsche machte Sel, der erst seit gut einem Monat im Amt ist, „eine positive Entwicklung“ in den vergangenen Wochen aus. „Auch im Training“, erklärte er – und fügte an: „Auf die erste Halbzeit können wir aufbauen.“ Obwohl man den eigenen Ansprüchen meilenweit hinterherhinkt und die letzten beiden Spiele in der Summe mit 1:8 verloren hat, scheinen die Ansprüche noch immer ganz andere zu sein: „Wir sind gar nicht so weit weg von oben. Diese Liga ist unberechenbar. Wir werden weiter hart arbeiten und haben das Ziel immer noch vor Augen. Sobald ein Erfolgserlebnis kommt, glaube ich daran, dass der Knoten platzen wird“, schielt man noch immer nach oben.

Ganz so weit wollte Koss den Blick nicht nach vorne richten, konstatierte aber: „Wenn man sich seit dem ersten Sieg in Norderstedt mal den Punkteschnitt anguckt, dann liegt der ungefähr bei zwei Punkten pro Spiel – und das ist eigentlich immer das, was wir mindestens als Vorgabe für eine Saison rausgeben“, kommt man an der Dieselstraße so langsam in einen Flow. „Die Liga ist brutal eng. Und ich habe den Jungs gesagt, dass ich daran glaube, dass wir die letzten Spiele der Hinrunde so gestalten können, dass wir nicht als Verlierer vom Platz gehen. Wenn das gelingt, dann stellen wir die Weichen und entscheiden selbst, ob wir am Ende um die ‚Goldene Ananas‘ spielen oder ob wir irgendwann sagen können: Wir wollen nochmal im oberen Mittelfeld angreifen. Und ich rede gar nicht von der Tabellenspitze, sondern vielleicht davon, irgendwo im Windschatten mitzuschwimmen.“

BU feiert Jubiläum

In der Schlussphase bewahrte Leon Henk (re.) die Gäste vor einer deutlich höheren Klatsche. Foto: noveski.com

Bestes Beispiel: Eintracht Lokstedt. „Ich erinnere mich letzte Saison an Lokstedt. Die hatten einen ähnlich schlechten Start und haben dann eine Serie hingelegt, womit sie am Ende nochmal ganz oben angeklopft haben.“ Doch erst einmal steht das Jubiläumsspiel zum 100-jährigen Geburtstag des Vereins am Samstag gegen Altona 93 im Blick- und Mittelpunkt.

Autor: Dennis Kormanjos

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