Oberliga

Halstenbeker Hexenwerk sorgt für TuS-Erkenntnis: „Damit haben wir Sorge getragen, dass die Meisterschaft entschieden ist!“

13. April 2024, 17:58 Uhr

Jubelnde Halstenbeker und am Boden kauernde Dassendorfer. Die Gäste feiern den Kunstschuss von Marcel Jobmann (Mi., leicht verdeckt) zum 4:2. Foto: Bode

Von purer Enttäuschung zu sprechen, würde dem Gesichtsausdruck von Thomas Seeliger zufolge nicht im Ansatz genügen. Der Cheftrainer der TuS Dassendorf rang nach dem zum Teil erschütternden (Defensiv-)Auftritt seiner Mannen (alle Highlights im LIVE-Ticker) um die richtigen Worte für das sportliche Desaster. „Wenn du vielleicht nicht so gut reinkommt, aber trotzdem in Führung gehst und dann innerhalb einer so kurzen Zeit und auf diese Art und Weise die Gegentore selbst reinhaust, dann musst du dich nicht wundern, wenn du am Ende mit leeren Händen dastehst“, haderte Seeliger – und fügte an: „Bei allem Respekt vor Halstenbek-Rellingen – aber: Du bringst das Spiel in die richtige Richtung und dann kann ich es einfach nicht nachvollziehen, dass du es wiederholt in dieser Saison mit ausschließlich hausgemachten Dingern aus der Hand gibst.“ Oder noch deutlicher formuliert: „Ich kann es einfach nicht glauben, wie und in welcher Art und Weise wir Gegentore bekommen. Wir haben so eine hohe Qualität im Kader. Aber diese Aussetzer, die wir auch heute hatten, die sind wirklich unfassbar!“

Schon vor dem Rückstand hatte Tim von Aspern (re.) die große Chance zur Halstenbeker Führung, traf den Ball aber nicht voll. Foto: Bode

Die Gäste aus Halstenbek reisten zwar mit der Bilanz von drei Siegen in Serie und 15:0 Toren im Gepäck mit viel Selbstvertrauen an, mussten aber auf ihre komplette, torgefährliche Sturmreihe um Omar Nabizada, Björn Dohrn und Jannik Arnold verzichten. „Wir haben die letzten Spiele zwar zu Null gespielt, aber vorne waren wir eben auch mega effektiv. Da war die Frage, wie wir heute für Entlastung sorgen können“, gestand HR-Coach Heiko Barthel. Doch damit nicht genug. Maksym Zanko, der dafür in die Bresche sprang, lag am Freitag noch mit Fieber im Bett. Beim Warmmachen sollte er sein Go geben, ob er für einen Einsatz reicht. Barthel: „Zum Glück ist mein ukrainisch so schlecht, dass ich ihn vielleicht falsch verstanden habe“, ließ Barthel seinen Offensivakteur sogar 98 (!) Minuten lang durchspielen.

"So kannst du keine Spiele gewinnen"

Und nicht nur der wieselflinke Zanko offenbarte schonungslos, wie sehr das defensive Gebilde der TuS inzwischen in die Jahre gekommen ist. Auf Nachfrage, wie er das Rückzugsverhalten und die Defensivarbeit seiner Schützlinge gesehen habe, entgegnete Seeliger nur: „Ich glaube, das regeln wir besser intern. Denn ich will jetzt auch nicht draufhauen. Das macht nämlich keinen Sinn. Aber wir beobachten das – und das nicht erst seit heute. So kannst du am Ende einfach keine Spiele gewinnen“, betonte er, dass „wir alle in einem Boot sitzen“ und es „immer um das Kollektiv“ gehe. „Und leider haben wir heute als Kollektiv nicht diese Wege gemacht, die wir vielleicht brauchen, um so ein Spiel am Ende nochmal zu drehen. Das ist wirklich enttäuschend!“

Marcel Jobmann (li.) bestrafte einen kapitalen Aussetzer von Dassendorf-Keeper Sebastian Kalk zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich. Foto: Bode

Was Seeliger eingangs bereits ansprach, dass sein Team nur schleppend ins Spiel kam, verdeutlichten die beiden vermeintlichen Wachrüttler von Tim von Aspern (6.) und eben Zanko (16.). Dass Okan Kurt den ersten vernünftigen Angriff des Titelaspiranten über Martin Harnik gleich zur Führung zu verwerten wusste (17.), sollte endlich die bis dato fehlende Sicherheit geben. Stattdessen nahm das Unheil in ungeahnter Slapstick-Manier seinen Lauf. „Ich glaube, Dassendorf war heute in den entscheidenden Räumen nicht genau genug, zu unsauber und hat Fehler gemacht, die sie auf Kunstrasen nicht machen, weil da das Bällchen läuft und die dich dann zerpflücken können“, so Barthel.

Dassendorfer "Unglück" und Slapstick pur

Binnen 180 Sekunden drehte HR das Ergebnis und das Geschehen nicht nur auf den Kopf, sondern bestrafte drei kapitale Böcke der TuS gnadenlos. Zunächst schenkte Keeper Sebastian Kalk dem nachsetzenden Marcel Jobmann den Ausgleich (20.), ehe der äußerst unglückliche „Dasse“-Schlussmann nach einem Rückpass von Marvin Büyüksakarya den pressenden Marvin Schramm anschoss und das Runde ins Eckige kullerte (21.)! „Wir machen die Tore, weil wir uns nicht hinten reingestellt und etwas mit dem Linienbus ermauert, sondern den Torwart angelaufen haben. Dass dann so ein ‚Unglück’ aus deren Sicht passiert und innerhalb von einer Minute zweimal so ein Tor fällt, das ist dann diesem Lauf, den wir aktuell haben, geschuldet. Da brauchen wir gar nicht rumzueiern“, konstatierte Barthel

Der Übungsleiter der Halstenbeker durfte nur kurz darauf erneut jubeln, als von Aspern eine perfekt getimte Flanke aus dem rechten Halbfeld schlug und Patrick Meyer das unterstrich, was an diesem Nachmittag ziemlich eklatant aus TuS-Sicht war: Selbst in Überzahlsituationen schien man hoffnungslos unterlegen. Denn Meyer „schädelte“ die Hereingabe am zweiten Pfosten im Sinkflug in die Maschen – 1:3 (23.)! „Das ist unser Spiel mit Flanken aus dem Halbfeld und der richtigen Boxbesetzung. Dass er sich da im Eins-gegen-Drei durchsetzt und den Ball neben den Pfosten setzt – da gehört dann auch etwas Glück dazu“, haben sich die Barthel-Boys eben jenes Glück aber auch erarbeitet.

Jobmann trifft fast von der Mittellinie

Patrick Meyer (Mi.) dreht nach seinem Flugkopfballtreffer zum 3:1 für den Außenseiter freudestrahlend und jubelnd ab. Foto: Bode

Zwar verkürzte Kurczynski nach starker Einzelaktion von Mattia Maggio auf 2:3 (33.) – aber die Dassendorfer Pannenshow war längst noch nicht beendet. Ohne jede Not und völlig unverständlich ging Kerim Carolus im Vorwärtsdrang im Mittelkreis ins Dribbling – und verlor fast schon folgerichtig das Leder gegen Jobmann, der nach dem Spiel in Richtung seiner Mannschaftskollegen mehrfach betonte: „Der Torwart stand die ganze Zeit so weit vor seinem Tor“, und so versuchte er fast von Höhe der Mittellinie den Kunstschuss, der sich über Kalk hinweg ins Netz senkte – Wahnsinn (36.)! Vier Gegentore in einer Halbzeit und das sogar innerhalb von 16 Zeigerumdrehungen – so etwas wir es am Wendelweg schon lange nicht mehr gegeben haben!

"Kuczy" weckt Hoffnung - aber: "Haben das Spiel in der ersten Halbzeit verloren"

Die Hoffnung von Dassendorf-Sponsor Michael Funk zu Beginn der zweiten 45 Minuten: „Die haben jetzt die Seuchenseite!“, sprach er auf die schier unglaublichen Gegentreffer an. Und in der Tat. Als Kurczynski in einen strammen Schuss von Rinik Carolus noch den Schlappen reinhielt und der Ball im Tor der Gäste einschlug (56.), witterte Dassendorf wieder Morgenluft. Allerdings blieb die ganz große Drangphase aus. Vielmehr wackelte das Konstrukt so arg, dass ein weiterer Konter einen erneuten Zwei-Tore-Vorsprung des Aufsteigers hätte herstellen können. Bezeichnend: Als Harnik in der achten (!) Minute der Nachspielzeit noch einen Freistoß direkt an der Strafraumgrenze herausholte, jagte Kurt das Spielgerät nicht nur meilenweit über den Kasten, sondern auch über den Fangzaun. Schluss!

„Auch wenn es die Jungs nochmal versucht haben und die Chancen auch da waren, zumindest noch den Ausgleich zu machen, haben wir das Spiel in der ersten Halbzeit verloren. Wir haben heute einfach nicht konzentriert genug gespielt“, brachte es Seeliger auf den Punkt.

Der Fußballgott sorgt für Halstenbeker "Hexenwerk"

HR-Coach Heiko Barthel konnte sein Glück nach dem vierten Sieg in Serie und dem Überraschungs-Coup am Wendelweg kaum fassen. Foto: Bode

Und das gegen einen Kontrahenten, der gerade voll im Flow ist, aber die dritte englische Woche in Folge absolvieren musste. „Wir sind nachher komplett auf dem Zahnfleisch gegangen und ich wusste gar nicht mehr, was wir machen sollen. Das war ein reines Improvisieren – aber es hat gehalten. Das ist dem geschuldet, dass wir uns in einen Lauf reingearbeitet haben und der Fußballgott sagt: ‚Ich geb‘ euch das Spiel heute auch noch, bevor ihr wieder im normalen Alltag zurück seid.‘ Denn wir machen ja kein Hexenwerk“, zog Barthel die Lacher auf seine Seite. „Wir machen das, was wir können – und das machen wir momentan gut. Wir reden das auch nicht klein, aber es wäre ja völlig bescheuert, zu sagen: Wir sind jetzt größer, als wir wirklich sind. Wir freuen uns und sind mega stolz auf uns.“

Letzteres konnte Barthel auch sein. Aus einem herausragenden Gefüge ragte mit Henrik Petersen, der Harnik an die Kette nahm und mit diversen überragenden Tacklings komplett aus dem Spiel nahm, ein Mann, den vor der Saison kaum jemand auf dem Zettel hatte, heraus. „Er ist 33 Jahre jung. Als er zugesagt hat, ging es um die Landesliga – und um nichts anderes. Das ist der Spieler, der noch keine Sekunde verpasst hat und eine absolute Bank ist. Es gibt Situationen, wo man – und das ist jetzt auf ganz hohem Niveau gesprochen – sieht, warum er nicht schon zehn Jahre Oberliga auf dem Buckel hat. Aber wie er das im Verbund mit den anderen Jungs da hinten wegarbeitet, mit seinem Auge, seinem Stellungsspiel und der Zweikampfstärke und gegen so eine Sturmreihe solch eine Zweikampfbilanz, die sicher im hohen zweistelligen Bereich liegt, hat – da kann ich nur sagen: Chapeau“, zog Barthel den ominösen Hut.

"Brauchen nicht mehr über die Meisterschaft reden"

Doppeltorschütze Marcel Jobmann (li.) ist einen Deut vor Henrik Dettmann am Ball. Foto: Bode

Und Dassendorf? Vergangene Woche nutzte man noch den Patzer von Altona 93 (0:2 gegen den ETSV Hamburg) und rückte wieder bis auf ein Pünktchen an den Meisterschaftskontrahenten heran. Nun hat man dem AFC – am Sonntag beim abstiegsgefährdeten SV Rugenbergen im Einsatz – voll in die Karten gespielt und sicherlich für den einen oder anderen Schmunzler an der „AJK“ gesorgt. Und auch Seeliger hat das Thema (vorerst) abgehakt: „Wir brauchen nicht mehr über die Meisterschaft reden. Damit haben wir Sorge getragen, dass das Ding entschieden ist!“

Die Highlights werden präsentiert von Cheggl Sports:

Autor: Dennis Kormanjos