Landesliga Hansa

„Die haben den Platz wahrscheinlich noch ein bisschen vom Schnee befreit, damit wir die Kohlen finden, dass der Zug nochmal Schwung kriegt!“

10. Dezember 2022, 01:13 Uhr

Ein ganz besonderer "Gruß" des ETSV Hamburg an den Bramfelder SV: Nach dem Sieg schaufelten die Eisenbahner "die nötigen Kohlen frei", um den BSV zu besiegen. Foto: noveski.com

Es sei „das leichteste Spiel des Jahres“, urteilte Jassi Huremovic noch am Freitagnachmittag - und sprach damit auf die erheblichen Personalprobleme seines ETSV Hamburg an. Diese seien so groß, dass er in „keinen Konflikt“ komme, was die Startaufstellung vor dem Spiel beim Bramfelder SV betrifft (alle Highlights im LIVE-Ticker). „Die Mannschaft stellt sich von ganz alleine auf.“ Und dennoch befand Huremovic: „Es ist unverantwortlich, unter diesen Witterungsbedingungen ein Landesligaspiel auszutragen!“ Der Unmut beim Trainer und Manager der Eisenbahner war so groß, dass sogar ein Nichtantritt seiner Mannen im Raum stand. Ein Ende der inzwischen 14 Monaten andauernden Ungeschlagen-Serie, was Huremovic in Kauf nahm, um die Gesundheit seiner (noch verbliebenen) Spieler zu schützen.

Der unter der Woche angeschlagene Mark Brudler bejubelt seinen Kopfball-Führungstreffer - während die Rettungstat von Cedric Stoppel (re.) zu spät gewesen sein soll. Foto: noveski.com

Aber: Der ETSV Hamburg trat an - nachdem Schiedsrichter Alexander Teuscher (SC Eilbek) bei der Platzbegehung grünes Licht gab. Den ganzen Tag über „schaufelten“ die Bramfelder den Schnee und das Eis vom Platz. Auch die Spieler packten mit an. Dennoch: Die Bedingungen waren sicherlich grenzwertig. Nichtsdestotrotz: Die Equipe von der Ellernreihe wollte ihr letztes Heimspiel des Jahres 2022 gegen das „Überteam“ der Liga unbedingt stattfinden lassen. Doch schlussendlich war die Ernüchterung - nach guter Anfangsphase - riesengroß.

Als noch zehn Minuten auf der Uhr waren, versicherte Huremovic gegenüber dem soeben ausgewechselten Klaas Kohpeiß: „Ich hätte ein 0:3 und einen Nichtantritt in Kauf genommen!“ Anschließend erklärte er: „Ich habe mit einem Funktionär des Hamburger Fußball-Verbandes gesprochen. Der hat mich darum gebeten, dass wir antreten. Aber ich wollte nicht daran Schuld sein, dass auch nur einer meiner Spieler die Weihnachtsfeiertage im Krankenhaus oder mit einer Verletzung verbringt. Das war wirklich grenzwertig“, richtete er noch einen mit einem Augenzwinkern gemeinten Gruß an Referee Teuscher: „Er war der Erste, der hingefallen ist.“

"Man ist uns nicht entgegengekommen, das Spiel auf Januar zu verlegen"

Veli Sulejmani (Mi.) staubt nach einem Ilic-Schuss und zu kurzer Abwehr von Ex-ETSV-Fänger Eymen Usta zum 2:0 für die Eisenbahner ab. Foto: noveski.com

Zudem verriet Huremovic, dass man dem Gegner gegenüber „ganz offen kommuniziert“ habe, „dass wir einen Personalmangel haben. Man ist uns aber nicht entgegengekommen, das Spiel auf Januar zu verlegen, was machbar gewesen wäre“, gesellten sich zu den unzähligen verletzten und kranken Spielern auch noch der Gelb-Rot-gesperrte Keeper Elian Clasen sowie der Gelb-gesperrte Kusi Kwame hinzu. „Aber man muss auch ganz ehrlich sagen, dass von Bramfelder Seite gegenüber dem Schiedsrichter ganz offen gesagt wurde, dass Fußballspielen auf dem Platz nicht möglich sein wird. Auch nach dem Spiel sind die Verantwortlichen zu uns gekommen und haben gesagt, dass wir verdient gewonnen haben.“

Friede, Freude Eierkuchen also? Nicht unbedingt! „Ich habe ehrlicherweise viel mehr von Bramfeld erwartet. Ich könnte jetzt gemein sein - und sagen: Die können weder richtig Fußball spielen noch den Platz vernünftig sauber machen. Das möchte ich aber nicht! Ich bedanke mich dennoch, dass sie versucht haben, den Platz sauber zu machen. Das hat denen aber nicht viel gebracht. Ich kann nur den Hut vor meiner Mannschaft ziehen“, hat der BSV „uns so sehr motiviert, wie andere Teams sonst gegen uns motiviert sind“, dem großen Aufstiegsfavoriten ein Bein zu stellen. Außerdem titelten die Bramfelder in ihrer Spielvorschau über die Social Media-Kanäle: „Der Zug hat (weiterhin) keine Bremse, jedoch hat das Spiel gezeigt, auch auf vollen Kohlen fährt der ETSV zum Jahresende offensichtlich nicht mehr“, sprach man auf das am Ende glückliche 4:4 gegen den SC V/W Billstedt an.

"Wenn die uns schlagen wollen, müssen die sich schon etwas anderes einfallen lassen"

Damian Ilic (li.) war an allen drei Toren seiner Eisenbahner direkt beteiligt. Hier jagt er das Spielgerät zum 3:0 in den Knick. Foto: noveski.com

Huremovic’ Konter: „Einen besonderen Gruß an Bramfeld: Sie haben den Platz wahrscheinlich noch ein bisschen vom Schnee befreit, damit wir die Kohlen finden, damit der Zug nochmal Schwung kriegt. Wirklich ein Dankeschön dafür!“ Und weiter: „Es gibt einen schönen Spruch, den ich schon zu Hamm-Zeiten häufiger mal verwendet habe - aber heute trifft der wirklich zu: ‚Es liegt nicht an der Badehose, wenn du nicht schwimmen kannst.’ Und wenn die uns schlagen wollen, dann müssen die sich schon etwas anderes einfallen lassen. Ich war erstmal angefressen aufgrund der Tatsache, wie der Platz aussieht und auch darüber, dass der Schiedsrichter die Entscheidung getroffen hat, dass wir uns warmmachen sollen. Aber die Regularien sind nun mal so, dass das der Schiedsrichter entscheidet.“

Genau darauf berief sich auch BSV-Coach Carsten Henning, der mit seinem Team zum Abschluss des Jahres natürlich spielen wollte: „Das war unser letztes Heimspiel des Jahres. Es war bereits alles geplant und angerichtet. Die Jungs haben alles dafür getan, dass wir spielen können und letztendlich lag es ja auch nicht nur in unserer Hand. Wir haben alles dafür getan, dass das Spiel stattfinden kann - und im Endeffekt hat der Schiedsrichter entschieden, dass gespielt werden kann.“

Henning hadert mit vergebener Führungsschance - und dem "unglücklichen" 0:1

Damian Ilic (li.) und Matthias Cholevas bejubeln das Tor zum 3:0-Endstand. Foto: noveski.com

Kommen wir mal zum Sportlichen: „Die erste Halbzeit war ausgeglichen. Mit etwas mehr Glück können wir 1:0 in Führung gehen“, sah Henning zwei durchaus gute Chancen durch Maurice Freudenthal (3., 13.) und einen weiteren Hochkaräter von Miles Tafese, der Samuel Graudenz, der noch die Fingerspitzen an den Ball bekam, zwar bezwang - aber Matthias Cholevas kratzte die Kugel vermeintlich noch gerade rechtzeitig von der Linie (23.). „Es ist natürlich etwas unglücklich, wenn das 0:1 daraus resultiert, dass wir gefühlt sieben Ecken nacheinander zulassen. Ob der dann drin war, kann ich nicht beurteilen. Die Spieler sagen alle: Nein. Aber es ist natürlich ärgerlich, wenn man so in Rückstand gerät, weil man in der ersten Halbzeit eine klarere Situation hatte, wo der Spieler schon im Netz hängt“, konstatierte Henning.

"Messi und Ronaldo" bringen BSV ins Wanken

Auch Veli Sulejmani (li.) und Damian Ilic (re.) hatten allen Grund zur Freude. "Messi und Ronaldo", scherzte Sulejmani anschließend. Foto: noveski.com

Was er damit meinte? Nach der dritten Ecke in Serie war es Mark Brudler, der den ruhenden Ball von Damian Ilic völlig freistehend in Richtung Tor köpfte. Die Rettungstat von Cedric Stoppel auf der Linie soll zu spät gekommen sein (59.)! Der ETSV führte - und belohnte sich in jener Phase für eine wahre Druckperiode. Bramfeld verlor nach gut 35 Minuten völlig den Faden - während der Primus die Hausherren nun oft in der eigenen Hälfte einschnürte und sich für eine „geile Viertelstunde“, wie Matthias Märtens, der sich das Traineramt beim ETSV mit Huremovic teilt, an der Seitenlinie anmerkte, belohnte.

„Messi und Ronaldo“, wie Veli Sulejmani sich und Damian Ilic nach Schlusspfiff mit einem Schmunzeln bezeichnete, hatten dem BSV endgültig den Garaus gemacht. Erst staubte Suljemani nach einem Ilic-Schuss, den der Ex-ETSV-Fänger Eymen Usta nach vorne abwehrte, zum 2:0 ab (69.), ehe Ilic den Ball nach einer Bauchablage von Sulejmani aus 15 Metern in den linken Giebel jagte (71.)! „Ich bin glücklich, wie überragend meine Mannschaft das heute gemacht hat. Die Jungs haben auf dem Platz teilweise Spielzüge gezeigt - das war der Hammer! Da hat mir der Gegner schon fast leid getan“, bilanzierte Huremovic.

"Auf so einem Platz entscheiden nun mal kleine Fehler"

ETSV-Coach Jassi Huremovic verlor im Mannschaftskreis noch einige ganz besondere Worte und feierte den Sieg an der Ellernreihe. Foto: noveski.com

Währenddessen gab Henning zu Protokoll: „Wir haben uns für die zweite Halbzeit viel vorgenommen. Das erste Gegentor ist ärgerlich und unglücklich - aber danach fallen die Tore zu einfach. Auch aufgrund der Platzverhältnisse. Auf so einem Platz entscheiden nun mal auch kleine Fehler. Und davon haben wir heute ein, zwei zu viel gemacht“, lautete das Fazit vom Bramfelder Übungsleiter, der sich abschließend aber doch versöhnlich zeigte: „Insgesamt haben wir ein super Halbjahr mit 14 neuen Spielern gespielt. Das muss erstmal funktionieren und so zusammenfinden. Gerade die letzten Wochen waren hervorragend von den Jungs. Jeder Einzelne hat auch heute vollen Einsatz gezeigt“, sprach er auf das Schnee schippen seiner Schützlinge an.

Autor: Dennis Kormanjos

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