Elfer verschuldet, Siegtor gemacht: Bojadgians eigene „Entschuldigung“!

„Piepel“ wütet: „Das waren zwei Schritte zurück. So steigt man ab!“

11. März 2017, 20:52 Uhr

Hamajak Bojadgian (Mi.) bedankt sich nach seinem Kopfballtreffer zum 2:1 bei Vorbereiter Philipp Koch (li.). Foto: KBS-Picture.de

Was Joachim Philipkowski von der Leistung seiner Mannschaft hielt, machte der erfahrene Coach seinen Jungs unmittelbar nach dem Schlusspfiff im Teamkreis – in ungewohnt lautstarker Manier – überaus deutlich. „Ich war heute ein bisschen direkter zu meiner Mannschaft“, so der Coach der sankt paulianischen U23, der auf der Pressekonferenz nach der Derby-Pleite gegen Eintracht Norderstedt allerdings noch viel direkter wurde: „Wenn ich hier auf den Zettel gucke, dann sind da neuneinhalb Spieler, die im Profi-Kader stehen oder zumindest oben mittrainieren. Wenn ich dann dieses Spiel betrachte, dann fehlten mir Griffigkeit, Aggressivität und Leidenschaft, um in solch einem Spiel mal auf sich aufmerksam zu machen. Insgesamt war das für mich zu wenig!“

Deran Toksöz (Mi.) vollendet zum 1:0! Foto: KBS-Picture.de

Während „Piepel“ mit der Darbietung seiner Schützlinge haderte, war Norderstedts Hamajak Bojadgian einer der glücklichsten Menschen im Stadion Hoheluft. Der Innenverteidiger verschuldete zunächst einen Strafstoß (Heyne: „Ich hätte ich nicht gedacht, dass er solch einen Fehler macht“), erzielte dann aber den „Game-Winner“ und machte seinen Fehler wieder gut, wie er hinterher selbst zu Protokoll gab. Eine „Die Jungs waren mir nicht böse und haben mir auch nicht den Kopf abgerissen. So gesehen war das Tor eine Art Entschuldigung an die Mannschaft.“ Keineswegs als Entschuldigung an den Ex-Verein gedacht, war der Norderstedter Führungstreffer von Deran Toksöz, der von Januar 2010 bis Sommer 2011 bei den „Kiezkickern“ unter Vertrag stand. Nach einer einstudierten Freistoßvariante legte Drinkuth die Hereingabe von Koch per Kopf für Toksöz ab, der eiskalt vollendete (10.)!

Bojadgian bestraft Brodersens Ausflug

Zwei St. Paulianer verpassen, auch Joel Keller (3. v. re.) und Keeper Sven Brodersen kommen gegen Bojadgian zu spät. 2:1! Foto: KBS-Picture.de

Norderstedt war in der Anfangsphase Herr im gegnerischen Haus und profitierte auch von den zahlreichen Unzulänglichkeiten und eklatanten Abspielfehlern im braun-weißen Spielaufbau. Doch dann: Parks langer Diagonalball wurde von Litka, von dem später noch die Rede sein wird, aus 22 Metern ans Lattenkreuz gejagt (29.). Nach einer guten halben Stunde das erste Signal, dass die „boys in brown“ doch an diesem Spiel teilnehmen möchten. Und kurze Zeit später folgte jene Szene, die Bojadgian in Zugzwang versetzte. Im Rücken marschierte Neudecker am Innenverteidiger vorbei und wurde von dessen Tritt zu Boden befördert. Den fälligen Strafstoß verwandelte Kapitän Jan-Marc Schneider äußerst sicher zum 1:1 (34.)! Es war die stärkste Phase der „Kiezkicker“ vor der Pause. Doch der „Serientäter“ aus Norderstedt – zuletzt 19 von 21 möglichen Punkten eingeheimst – schlug nach der Pause zurück. Und zwar in Person von Hamajak Bojadgian. Wieder war es „Captain“ Philipp Koch, der mit seinem Eckstoß den oftmals absolut unsicher wirkenden Svend Brodersen am Ball vorbei segeln sah, was Bojadgian nutzte und zum 2:1 für die Garstedter einnickte (57.)!

Litka macht "Kamikaze auf dem Platz" - Empen vergibt Ausgleich

In jener Szene packt Litka (li.) die Grätsche von hinten gegen Toksöz aus. Gelb-Rot! Foto: KBS-Picture.de

Eine Stunde war vorüber, als ein Punkterfolg für die Philipkowski-Elf in immer weitere Ferne rückte: Der bereits gelbverwarnte Maurice Litka senste Toksöz an der Außenlinie von hinten um und handelte sich einen extrem dummen Platzverweis ein, für den auch sein Übungsleiter klare Worte über hatte: „Ich habe eine Gelbe Karte, ärgere mich über mein Spiel und mache dann Kamikaze auf dem Platz! Wenn man eine Gelbe Karte hat, dann darf man da nicht hingehen. So etwas passiert nur jungen Spielern. Dann ist es für uns natürlich schwer gegen eine Norderstedter Mannschaft, die voller Erfahrung strotzt und Selbstvertrauen hat.“ In der Folge verpasste es der eingewechselte David Karg Lara, eine starke Bojadgian-Vorlage aus zwei Metern im sankt paulianschen Tor unterzubringen und somit für eine Vorentscheidung zu sorgen (75.). Stattdessen „müssen wir in Unterzahl das 2:2 machen“, befand Philipkowski – und hatte mit dieser Einschätzung recht. Nico Empen wurde von Sirlord Conteh freigespielt, verfehlte aber aus etwas spitzem Winkel das verwaiste Gehäuse (85.)! „Es fehlten Entschlossenheit und Überzeugung“, erkannte Philipkowski richtig.

"Welcher Rasen?!" Ramponierter Platz sorgt für Aufregung

David Karg Lara (li.) versiebt die Hundertprozentige zur Entscheidung. Foto: KBS-Picture.de

In der Nachspielzeit sorgte „Joker“ Dane Kummerfeld für den endgültigen Knockout der „Kiezkickerchen“, als er in einer Kontersituation über Kangmin Choi das Zuspiel von Zekjiri aus halblinker Position routiniert ins lange Eck manövrierte (90. +2)! EN-Coach Dirk Heyne bilanzierte: „Spielerisch war es für die Mannschaft auf diesem Platz sicher nicht einfach. Dennoch haben es die Jungs in der zweiten Halbzeit viel besser gemacht, in Ballbesitz zu bleiben, was wir gegen Ende der ersten Halbzeit haben vermissen lassen. Wir haben versucht, die Bälle früher zu spielen, waren etwas genauer und haben trotz des Platzes weiter flach gespielt.“ Apropos Platz an der Hoheluft: Philipkowski reagierte nicht zu Unrecht mit weit aufgerissen Augen auf die Frage, wie er die Qualität des Rasens beurteilen würde, mit einem: „Welcher Rasen?!“ Vielmehr erinnerte das Geläuf an eine völlig demolierte Kuhwiese. Auch Matchwinner Bojadgian konstatierte: „Katastrophal! Nach zehn Minuten war der komplett kaputt. Fußball spielen war hier nicht möglich. Vielleicht sollten die hier mal unseren Platzwart beschäftigen“, scherzte der 20-Jährige, der „nach sieben ungeschlagenen Spielen glücklich und zufrieden“ war und das aktuelle Erfolgsrezept so erklärte: „Ich denke, die neuen Impulse des Trainers und dass wir jetzt auch viel attraktiveren Fußball spielen – auch wenn das heute auf diesem Platz nicht der Fall war. Wenn’s läuft, dann läuft’s einfach – und dann klappen auch die Dinge, die vorher nicht gelungen sind.“

"Mit 28 Punkten bist du abgestiegen. Ich erwarte eine Reaktion!"

Dane Kummerfeld (li.) eiskalt. 3:1 EN! Foto: KBS-Picture.de

Sein Trainer machte indes einen Aufwärtstrend bei seinem Innenverteidiger und „Kopfballungeheuer“ aus: „Hamo ist ein sehr junger Spieler und hat eine richtig gute Endphase bis zum Winter gehabt. Dann hatte er einen kleineren Eingriff am Knie. In dieser Zeit hat der Verein den Vertrag um drei Jahre verlängert. Danach hat er sich ein bisschen zurückgelehnt. Da war ich mit ihm nicht ganz zufrieden, weil ich ihn ja aus der A-Jugend kenne und auch um seine Stärken und Schwächen weiß. Deshalb war er zuletzt erstmal draußen, hat seine Chance heute aber genutzt“, so Heyne, der Bojadgian für den gesperrten Jeremy Karikari in der Startelf aufbot. „Dass er natürlich im Zusammenspiel mit Philipp Koch, der die Bälle auch auf den Punkt bringt, eine besondere Kopfballstärke hat, haben wir ja schon ein paar Mal gesehen.“

Die abschließenden Worte gehörten Joachim Philipkowski, der kurz bevor er den Pressevertretern sagte, dass er nun wieder „bessere Laune“ habe, noch einmal versuchte, sein Team mit kritischen Worten wachzurütteln: „Jeder Einzelne müsste eigentlich den Anspruch haben, den nächsten Schritt zu machen. Aber so war das nicht ein, sondern es waren gleich zwei Schritte zurück! Die Mannschaft ist zwar sehr jung, hat aber zu wenig investiert. Es tut mir weh, wenn ich dann fünf von meinen Jungs gar nicht in den Kader nehmen kann. Heute war ich mit keinem Spieler zufrieden. Auch Ewald war da und hat alles gesehen. Ich erwarte von gewissen Spielern eine Reaktion!“ Zu guter Letzt betonte „Piepel“: „Mit 28 Punkten bist du abgestiegen! Wenn wir meinen, dass wir drin bleiben, weil wir in 23 Spielen 17 Mal guten Fußball gespielt und uns gut präsentiert haben, dann sage ich: Nein, das ist nicht der Fall!“

Autor: Dennis Kormanjos