Oberliga

„Es ist sehr bedauerlich, wenn nach Abpfiff alle über den Schiedsrichter sprechen“

18. Februar 2023, 19:53 Uhr

Oliver Doege (Mi.) wird von Marcel Rump bedrängt. Am Ende gab's eine Punkteteilung im Derby zwischen Curslack und Dassendorf (2:2). Foto: Kormanjos

Ein letzter Ballgewinn, ein allerletzter Angriff zum vermeintlichen „Lucky Punch“ - doch dann ertönte auf einmal der Schlusspfiff von Schiedsrichter Paul Dühring (SVNA)! Als Witalij Wilhelm einen Fehlpass von Kerim Carolus abfing und der SV Curslack-Neuengamme mit einem fünf Mann starken Schwarm auf zwei Dassendorfer und das Tor von Christian Gruhne zustürmte, folgte der wahre Sturm - unmittelbar nach dem Ertönen der Pfeife des Unparteiischen (alle Highlights im LIVE-Ticker). Der SVCN war komplett außer sich, völlig in Rage und nahm Dühring in die Mangel. Wenige Augenblicke später „gifteten“ sich sogar ein gänzlich aufgebrachter Torsten Henke (Sportlicher Leiter SVCN) und Schiri-Assistent Ralph „Drago“ Vollmers an, lagen sich aber einige Zeit danach schon wieder in den Armen.

Eyke Kleine (Mi.) versucht, den Ball nach vorne weiterzuleiten. Foto: Kormanjos

„Es ist sehr bedauerlich, wenn nach Abpfiff alle über den Schiedsrichter sprechen. Das sollte eigentlich nicht so sein“, eröffnete Henke die anschließende Pressekonferenz. Der Konter von TuS-Trainer Peter Martens: „Es gibt eigentlich auch genug zu erzählen, ohne dass man über den Schiedsrichter spricht. Vielleicht sollte man sich auch nicht daran festhalten. Es waren ja genug andere Gelegenheiten da, ein Tor zu schießen. Das ist womöglich ein bisschen zu kurz gedacht. Aber das ist nicht meine Baustelle.“

So ungehalten die tief im Abstiegskampf befindlichen Hausherren auch waren, so gewählt drückte sich Spielertrainer Marcello Meyer zu eben jener Szene aus. Dabei hätte er wahrlich allen Grund gehabt, deutliche Kritik zu üben. Zwar empfand er den Abpfiff zu jenem Zeitpunkt als „maximal unglücklich“, fügte aber postwendend an: „In der ersten Halbzeit haben wir uns das selbst zuzuschreiben. Da müssen wir einfach ein Tor machen. Ich tue mich auch immer schwer damit, irgendwas auf den Schiedsrichter zu schieben. Aber das sieht natürlich doof aus. Er kann die Situation ganz charmant lösen, wenn er den ersten Kontakt von Wilhelm abpfeift. Das hat er nicht gemacht. Ich weiß auch nicht, warum er das so interpretiert hat. Er hatte auch zwei-, dreimal davor die Möglichkeit gehabt, das Spiel abzupfeifen. Das hat er auch nicht gemacht. Deshalb muss man ihn fragen, warum er das so gemacht hat, wie er es gemacht hat. Aber ich bezweifle auch, dass es nur an der einen Situation gelegen hat, dass wir das Spiel nicht gewonnen haben.“

Curslack dominiert "Dasse" und versiebt Hochkaräter

Stjepan Brkic (Mi.), der den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer erzielte, treibt den Ball nach vorne. Foto: Kormanjos

Aber der Reihe nach: Mitte der ersten Halbzeit platzte Peter Martens endgültig der Kragen. Der Trainer der TuS Dassendorf forderte seine Mannschaft lautstark zu mehr Ordnung auf. Zu eben jenem Zeitpunkt hätte der Tabellenvorletzte aus Curslack im Derby gegen die „Wendelwegler“ schon 2:0 führen können, wenn nicht gar müssen. Die TuS agierte konfus - und war hinten offen wie ein Scheunentor. Zweimal sah Florian Rogge seine Mitspieler starten und schickte erst Moritz Kühn (20.), dann Marcel Rump (22.) auf die Reise. Erster übersah den mitgelaufenen Arnold Lechler und schoss am langen Eck vorbei, ehe Rump völlig freistehend kläglich vergab.

Bereits nach 240 Sekunden deutete sich der unglaublich schwache Auftritt der TuS in den ersten 45 Minuten an, als Maximilian Ahlschwede den Ball vertändelte und Hendrik Bombek in einer Überzahlsitation viel zu überhastet und ungenau abschloss. Die erste wirklich nennenswerte Aktion des Titelkandidaten ließ bis zur Nachspielzeit auf sich warten, als Leon Giese das erste Mal in Aktion treten musste und einen Kopfball von Martin Harnik aus dem Eck kratzte (45. +2). „Mehr Stimmung jetzt“, forderte Mattia Maggio kurz nach Wiederanpfiff - und der Gast kam in der Tat ganz anders aus der Kabine raus.

Meyer appelliert - und Wilhelm beschwört den "Geist von Dresden"

Martin Harnik (li.) erzielte beide Dassendorfer Tore, leitete mit einem Fehler aber auch den Anschlusstreffer des SVCN ein. Foto: Kormanjos

Erst krönte Harnik eine perfekte Hereingabe von Len Aike Strömer zur Führung (56.), ehe er einen durchaus kuriosen Handelfmeter - Bombek soll das Leder nach einer Ecke und einer Kopfballabwehr von Lechler an die Hand gesprungen sein - sicher zum 2:0 für den haushohen Favoriten verwandelte (65.)! Nun schien alles seinen erwarteten Gang zu gehen. Aber: Dem war mitnichten so! Wilhelm erinnerte sich an die Videosequenzen von Spielertrainer Meyer im Vorfeld, der Ausschnitte von Profi-Partien zeigte, wo die Favoritenrolle klar verteilt und der „Underdog“ vermeintlich chancenlos war. „Dynamo Dresden! Dynamo Dresden!“, hallte es über den Platz. Was Wilhelm damit meinte: Die Sachsen drehten in der Saison 2011/12 im DFB-Pokal ein verloren geglaubtes Spiel gegen den damaligen Vize-Meister Bayer 04 Leverkusen nach 0:3-Rückstand und siegten nach Verlängerung mit 4:3.

Der Geist von Dresden am Gramkowweg! Mit einem Ballverlst lud Harnik den SVCN zum Anschluss ein. Stjepan Brkic vollendete eine Kombination über Rogge und Lechler (68.), ehe Lechler ein perfektes Zuspiel von Wilhelm nahezu ohne Gegenwehr trocken in die Maschen jagte - 2:2 (74.)! Als Lechler sechs Minuten vor Ultimo für Spielertrainer Meyer Platz machte, gab er diesem mit auf den Weg: „Jetzt darfst du deine Videoanalyse veredeln!“ Und beinahe wäre es auch dazu gekommen.

"Man hat jedem Spieler angemerkt, dass er das Ding nicht verloren geben wollte"

Witalij Wilhelm (re.) ist eng an Oliver Doege dran. Am Ende initiierte der Curslack-Captain beinahe noch den "Lucky Punch", ehe der überraschende Abpfiff von Referee Dühring ertönte. Foto: Kormanjos

„Wir haben eine sehr gute erste Halbzeit gespielt. Ich habe zur Mannschaft gesagt, dass das eine 2+ war. Wir sind sehr gut angelaufen, waren aggressiv in den Zweikämpfen und wussten, wenn wir Dassendorf ins Spiel kommen lassen, dann wird es ganz schwierig. Dementsprechend haben wir versucht, früh zu stören, hoch raufzuschieben und hatten einen klaren Plan, der eigentlich auch aufgehen muss“, sprach Meyer auf die vergebenen Großchancen an, machte seiner Mannschaft aber auch ein „großes Kompliment für die tolle Moral“, aber auch dafür, dass sie „genau das umgesetzt hat, was wir uns vorgenommen haben. In unserer Situation lassen sich andere Mannschaften vielleicht abschießen. Wir wollten uns niemals aufgeben. Und man hat heute jedem Spieler angemerkt, dass er gebrannt hat und das Ding nicht verloren geben wollte. Am Ende hat sich das dann auch im Ergebnis widergespiegelt. Wer weiß, wofür der Punkt am Ende noch gut ist.“

"Wie uns so etwas passieren kann, ist mir völlig unerklärlich!"

Spielertrainer Marcello Meyer (Mi.) machte seine Mannen vor dem Spiel heiß und rettete das 2:2 in der Schlussphase über die Zeit. Foto: Kormanjos

So groß der Unmut über die letzte Aktion bei den „Gramkowweglern“ auch war, so verärgert zeigte sich auch Martens über die Darbietung seiner Elf: „Eine maximal enttäuschende Leistung von uns in der ersten Halbzeit! Das hatte nicht im Hauch etwas damit zu tun, welchen Anspruch wir haben. Normalerweise hätten wir in Rückstand liegen müssen.“ Dass dem nicht so war, „lag nicht an unserer Verteidigungsleistung, sondern an der Abschlussschwäche des Gegners“, so Martens. 


„Ironischerweise“ habe eben jener Kontrahent, „als wir gut im Spiel waren, 2:0 geführt und die Dinge so langsam in den Griff bekommen haben, genau in der Phase seine Tore geschossen“. Unter gütiger Mithilfe der TuS: Beim 1:2 habe man Curslack „35, 40 Meter vor dem eigenen Tor eine goldene Vorlage präsentiert“, haderte Martens - und schimpfte: „Wie uns so etwas passieren kann, ist mir völlig unerklärlich!“ Insgesamt sei es „ein maximal enttäuschende Wochenende für uns! Denn grundsätzlich haben wir den Anspruch, das Ganze souveräner zu gestalten, ein 2:0 nicht so aus der Hand zu geben und schon gar nicht so eine erste Halbzeit abzuliefern.“

Autor: Dennis Kormanjos