Schluss nach 90 Minuten – aber nicht regulär: Abbruch am Berner Heerweg

Schiedsrichtergespann fühlte sich durch angeblichen Flaschenwurf bedroht

17. Dezember 2016, 19:41 Uhr

Brach das Spiel in der 90. Minute ab: Schiedsrichter Dominik Kopmann (re.). Foto: deal

Alles schien klar: Im Duell zwischen dem SC Condor II und Dersimspor stand es 1:2, es lief die letzte Minute. Dann folgte der finale Pfiff von Referee Dominik Kopmann. Dachten zumindest alle Anwesenden. Doch der Unparteiische von Eintracht Norderstedt hatte in diesem Moment nicht etwa ganz normal die Begegnung abgepfiffen, sondern das Nachholspiel auf dem Kunstrasen am Berner Heerweg abgebrochen. Weil neben seinem Assistenten eine Flasche gelandet war, die angeblich von den Zuschauerrängen geworfen wurde...

Es war bereits weit nach 17 Uhr. Das unrühmliche Ende der Partie lag schon eine ganze Zeit zurück, als sie nach und nach alle wieder aus dem Vereinsheim des SC Condor herauskamen. Erst Prince Boateng Styhn, der Kapitän von Dersimspor. Dann Dersims Vorstandmitglied Yücel Al, Trainer Sven Siebert, Ligamanager Cüneyt Erbil und schließlich Condor II-Coach Robin Hüttig und Dennis König, eigentlich Spieler der „Raubvögel“-Reserve, diesmal allerdings nur Zuschauer. Sie hatten alles versucht, um den Unparteiischen noch einmal umzustimmen. Doch Dominik Kopmann blieb bei seiner Entscheidung: Das Spiel zwischen Condor II und Dersim endete nicht regulär nach 90 Minuten, sondern durch einen Spielabbruch in eben jener letzten Minute der Partie, die heute Nachmittag nachgeholt wurde, nachdem der Hamburger Fußball-Verband sie neu angesetzt hatte, weil im ersten Spiel Referee Christian Okun einen Regelverstoß beging. Der damalige Unparteiische hatte die Partie durch einen Pfiff unterbrochen, dann aber ein Tor, das nach diesem Pfiff fiel, doch gegeben. Das HFV-Sportgericht hatte schließlich auf Neuansetzung entschieden.

König: „Ich habe die Flasche nicht absichtlich auf den Assistenten geworfen“

Dersimspors Spieler um Kapitän Prince Boateng Styhn (Zweiter v. li.) verstehen nach dem Abbruch die Welt nicht mehr. Foto: deal

Damit stand nun also auch beim zweiten Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten in dieser Saison der Schiedsrichter im Mittelpunkt. Was passiert war, hörte sich aus Sicht des Schiedsrichtergespanns gegenüber den Vertretern beider Vereine wie folgt an: In der 90. Minute sei neben einem der beiden Schiedsrichter-Assistenten eine Flasche gelandet, die nach ihm geworfen worden sein soll. Das Gespann fühlte sich dadurch bedroht – und Kopmann zog daraus die Konsequenz, das Match abzubrechen. Er und seine beiden Assistenten verschwanden in Richtung Kabine. „Ich hab sie einen kurzen Moment begleitet, die sind so schnell gelaufen, als ob sie wirklich Angst vor einer Bedrohung hatten“, erklärte Condor II-Coach Robin Hüttig später. Dabei war eigentlich – da waren sich beide Seiten einig – kaum etwas passiert, schon gar nicht absichtlich oder gar etwas wirklich Bedrohliches.

Doch der Reihe nach: Fakt ist, dass in der Tat eine Flasche neben dem Schiedsrichter-Assistenten landete, der auf der Seite stand, an der sich hinter dem Spielfeld Zuschauer befanden. Nur: Absichtlich in Richtung des Assistenten geworfen wurde sie nicht, schilderte nach dem Abbruch mit Dennis König derjenige, der auf einmal im Mittelpunkt stand: „Ich habe mich aufgeregt, weil wir in der 90. Minute die Chance zum 2:2 haben, es aber nicht machen. Dabei habe ich auf das Geländer geschlagen, wo eine leere Plastikflasche auf dem Mülleimer stand. Die ist dann in Richtung Spielfeld gefallen“, sagte König, „dass ich bei in dem Moment, wo wir das 2:2 vergeben, nicht völlig emotionslos bleibe, ist klar. Aber ich habe die Flasche nicht auf den Assistenten geworfen.“ Er habe, so berichtete König weiter, sofort zugegeben, dass er der Auslöser war, durch den die Flasche dort landete, wo sie landete, aber eben explizit noch einmal geschildert, wie das Ganze zustande kam.

Dersim-Manager Erbil kündigt Aussage zugunsten Condors an

Was ist denn jetzt los? Condor II-Offensivkraft Patrick Gordon kann den Abbruch nicht nachvollziehen. Foto: deal

„Das hat den Schiedsrichter aber offenbar nicht interessiert. Er wollte nur meinen Namen wissen. Ich bin sprachlos, dass man mir so einen Wurf vorwirft. Das wäre ja versuchte Körperverletzung. Ich habe mir noch nie etwas zu Schulden kommen lassen und mich ausdrücklich für das, was passiert ist, entschuldigt“, stellte König klar und erhielt vor dem Referee auch Unterstützung von Seiten Dersimspors. „Alle von Dersim, die mit beim Schiedsrichter drin waren, haben gesagt, dass das kein Wurf und keine Absicht war“, erläuterte Condor II-Übungsleiter Robin Hüttig, „sowohl die Jungs von Dersim als auch wir haben versucht, den Schiedsrichter davon zu überzeugen und ihn dazu zu bewegen, dass er noch einmal anpfeift und die Nachspielzeit, die er angesagt hatte, nachspielen lässt.“ Es blieb allerdings beim Versuch. „Er hat sich bedroht gefühlt und wollte nicht wieder auf den Platz zurück und die Nachspielzeit noch spielen lassen“, fasste Dersim-Kapitän Prince Boateng Styhn zusammen, was zwischen den Vereinsvertretern und dem Gespann mit welchem Ergebnis besprochen wurde.

Dersimspors Ligamanager Cüneyt Erbil jedenfalls sagte gegenüber Hüttig und König zu, dass die Gäste gegenüber dem Verband erklären werden, dass der SC Condor II den Abbruch nicht vorsätzlich herbeigeführt habe. „Es ist schade, dass jetzt beide Seiten mit einem Spielabbruch in der Presse stehen. Für Dersimspor tut mir das Leid, weil viele jetzt wieder denken werden: Dersim und Spielabbruch, das passt ja. Aber die können nichts dafür. Und für uns ist es bitter, weil es bestimmt Einige gibt, die nun denken: Condor II provoziert den Abbruch, weil sie in der Neuansetzung hinten liegen. Schade, dass das Spiel nach dem ersten Aufeinandertreffen und der Neuansetzung jetzt nochmal einen erneuten faden Beigeschmack bekommt, obwohl von keiner Seite irgendeine Absicht vorlag“, konstatierte Robin Hüttig im Gespräch mit den FussiFreunden nach dem vorzeitigen Ende des Spiels.

Fuchs trifft nach 80 Minuten zum vermeintlichen Sieg

Abgang Richtung Kabine: Die Spieler beider Teams verlassen nach dem vorzeitigen Abbruch das Spielfeld. Foto: deal

Ach ja: Fußball wurde übrigens auch gespielt. Und das von Seiten der „Raubvögelchen“ gar nicht so schlecht, wie Hüttig trotz des 1:2 beschied: „Wir haben nicht schlecht ausgesehen. Dersim ist eine der spielstärksten Mannschaften in dieser Liga. Dafür haben wir das ganz gut gemacht“, bilanzierte der Coach, der neben Timo Friedrich (Patellaspitzensyndrom) auf Dennis König (Muskelbündelriss), Torben Kröger (Knöchelverletzung), Denis Friedrich (Innenbandverletzung), Yannik Andersson (Riss des Außenmeniskus) und Jonas Gögge (Knieprobleme) verzichten musste. In der Tat: Hüttigs Equipe stand in der Defensive gut und war bemüht, vorn immer wieder Nadelstiche zu setzen. Dersimspor hatte derweil viel Ballbesitz, konnte daraus jedoch lange Zeit keinen Vorteil schlagen.

Zunächst gingen die Gastgeber durch Oliver Streich, der nach einem Freistoß von Dennis Facklam einköpfte (20.), in Führung. Drei Minuten später glich Abdessamad Erbibi aus, als er nach Zuspiel von Serhat Cayir aus der Drehung traf. Zehn Minuten vorm Ende der Begegnung köpfte der gerade einmal fünf Zeigerumdrehungen zuvor für Marco Löffke ins Spiel gekommene Christian Fuchs nach Lamin Jawlas Vorarbeit zum 2:1 für Dersim ein. Sechs Minuten vor dem Ende hätte Edison Sa Borges Dju freistehend für die Entscheidung sorgen können, vergab aber aus zwei Metern. Was folgte, war die letzte Spielminute mit einem Condor-Angriff und einem Torschuss, den Dersim-Keeper Maximilian Hentrich angeblich erst hinter der Linie klärte, doch zuvor soll es so oder so ein Handspiel von Nico Bodenstedt gegeben haben, erklärte SCC II-Coach Hüttig. Das (nicht gewollte) Ende des Spiels ist bekannt und hat zur Folge, dass sich das HFV-Sportgericht nun abermals mit dem Spiel Condor II gegen Dersimspor befassen muss...

Jan Knötzsch